Sprechen
neue Daten gegen dunkle Energie?
von Stefan
Deiters
astronews.com
15. Dezember 2003
Seit einigen
Jahren sind die meisten Astronomen davon überzeugt, dass unser Universum von
einer mysteriösen dunklen Energie dominiert wird, die dazu führt, dass sich das
Weltall mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt. Viele Beobachtungsdaten
scheinen bislang diese Theorie zu unterstützen. Neue Messungen des europäischen
Röntgensatelliten XMM-Newton lassen nun allerdings Zweifel aufkommen.
Der Galaxienhaufen RXJ0847.2+3449 in rund 7 Milliarden
Lichtjahren Entfernung. Foto:
ESA |
Neue Daten des Röntgenteleskops XMM-Newton der europäischen
Weltraumagentur ESA scheinen so gar nicht in das aktuelle Weltbild der
Kosmologen zu passen: Das Weltraumteleskop untersuchte eine Reihe von weit
entfernten Galaxienhaufen und entdeckte dabei, dass sich diese recht deutlich
von den Galaxienhaufen in unser näheren Umgebung unterscheiden. Dieses, so
meinen nun die Wissenschaftler, könnte man durchaus als Hinweis darauf
verstehen, dass es die mysteriöse dunkle Energie gar nicht gibt.
Das Röntgenteleskop hatte in den vergangenen Monaten insgesamt acht
Galaxienhaufen genauer untersucht, die bis zu zehn Milliarden Lichtjahre von der
Erde entfernt sind und damit in einer Zeit beobachtet werden, in der das
Universum noch recht jung war. Das Team um David Lumb vom Space Research and
Technology Centre (ESTEC) der ESA in den Niederlanden verglich nun diese
Beobachtungen mit Daten von uns nahen Galaxienhaufen. Die Untersuchung fand im
Rahmen des so genannten Omega-Projektes statt, bei dem die Materiedichte im
Universum ermittelt werden soll. Galaxienhaufen sind eine enorme Quelle von
Röntgenstrahlung, da sie einen großen Anteil von heißem Gas enthalten, das die
Galaxien umgibt. Durch die Messung der Menge und der Energie der
Röntgenstrahlung von einem Galaxienhaufen können die Astronomen sowohl die
Temperatur des Gases als auch Masse des Galaxienhaufens bestimmen.
In einem Universum, das eine hohe Dichte von Materie aufweist, sollte ein
Galaxienhaufen im Laufe der Zeit immer weiter anwachsen. Junge Galaxienhaufen
sollten also deutlich weniger Masse haben als alte Haufen. Allerdings glauben
viele Astronomen, dass wir in einem Universum mit niedriger Materiedichte leben
und rund 70 Prozent des Universums aus einer so genannten "dunklen Energie"
bestehen. Was diese dunkle Energie ist, die dafür sorgen soll, dass sich das
Universum mit immer größer werdender Geschwindigkeit ausdehnt, weiß bislang
keiner. Allerdings sollte sie, da sind sich die Forscher einig, dafür sorgen,
dass Galaxienhaufen schon sehr früh aufhören zu wachsen und deswegen im jungen
Universum ähnlich aussehen sollten wie heute.
Die Ergebnisse von Lumb und seinen Kollegen, die bald in der europäischen
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht werden,
widersprechen nun dieser These: Die von ihnen untersuchten Galaxienhaufen im
jungen Universum unterscheiden sich deutlich von denen im heutigen Universum.
Sie müssen also im Laufe von Milliarden Jahren ihr Aussehen verändert haben. Ein
anderes Forscherteam hat aus diesen Daten die Häufigkeit von Galaxienhaufen in
der Vergangenheit ermittelt. Das Ergebnis: Im der Vergangenheit gab es weniger
Galaxienhaufen als heute.
Nach Ansicht der Forscher spricht dies eindeutig dafür, dass das Universum
eine hohe Materiedichte aufweist - ein eindeutiger Widerspruch zum aktuellen
"Dunklen Energie"-Modell. "Um unsere Ergebnisse zu erklären, benötigt man jede
Menge Materie im Universum und da bleibt einfach kaum Platz für dunkle Energie",
so Alain Blanchard vom Laboratoire d'Astrophysique des l'observatoire
Midi-Pyrénées. Um das "Dunkle-Energie-Modell" noch zu retten, müssten
Astronomen schon eine fundamentale Lücke in ihrem Verständnis vom Galaxienhaufen
und den in ihnen enthaltenen Galaxien haben. So müssten etwa Galaxien in den
beobachteten entfernten Haufen weitaus mehr Energie in das sie umgebende Gas
abgeben als es mit den gegenwärtigen Theorien vereinbar ist. Dieses Verhalten
müsste dann aber mit zunehmenden Alter des Haufens weniger werden.
Um einen Fehler mit den Messungen von XMM-Newton auszuschließen sind
die Wissenschaftler gerade dabei, sie mit anderen Röntgendetektoren zu
verifizieren. Sollte dies die Funde bestätigen, wäre es durchaus möglich, dass
wir unser Bild vom Universum erneut überdenken müssen.
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