Größte Dummheit ein Geniestreich?
von Rainer Kayser
25. November 2005
Die "größte Dummheit" Albert Einsteins scheint sich als wahrer
Geniestreich zu entpuppen: Die Expansion des Universums beschleunigt sich
offenbar exakt so, wie es die 1917 von Einstein eingeführte "Kosmologische
Konstante" beschreibt. Das zeigt die bislang umfangreichste Vermessung ferner
explodierender Sterne, so genannter "Supernovae", durch ein internationales
Astronomenteam. Die Forscher veröffentlichen ihre Beobachtungen demnächst im
Fachblatt Astronomy & Astrophysics.
Ein Bild aus dem Supernova Legacy Survey.
Foto: Julien Guy, CFHTLS / SNLS/ Terapix |
Als Einstein versuchte, seine neue Allgemeine Relativitätstheorie auf unseren Kosmos als Ganzes anzuwenden, erlebte er eine böse Überraschung:
Die Gleichungen lieferten ihm stets ein unter dem gewaltigen Einfluss der Schwerkraft in sich zusammenstürzendes Universum. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts gingen die Wissenschaftler ganz selbstverständlich davon aus, dass unser Kosmos - großräumig betrachtet - zeitlich unveränderlich, also "statisch", ist.
Auch dem doch so revolutionären Einstein fiel nicht ein, dieses statische Weltmodell zu verwerfen - lieber zweifelte er an der Vollständigkeit seiner Theorie. Um die übermächtige Gravitation auszugleichen, führte der Forscher daher eine zusätzliche Größe in seine Gleichungen ein, eben die "Kosmologische Konstante", die das All stabilisierte.
Doch schon bald darauf zeigte sich, dass unser Kosmos keineswegs statisch ist, sondern expandiert. Einstein verwarf die Kosmologische Konstante als "größte Dummheit meines Lebens", wie er sich selbst ausdrückte. Doch auch diese Kehrtwendung war offenbar verfrüht. In den 1990er Jahren zeigten Beobachtungen an fernen Supernovae, dass die Expansion des Kosmos nicht, wie zuvor erwartet, mit der Zeit abnimmt, sondern im Gegenteil sogar zunimmt.
Als treibende Kraft führten die Astrophysiker die "Dunkle Energie" ein, ein Art
innerer Spannung der Raumzeit. Mit einer Vielzahl exotischer Theorien versuchten
die Physiker fortan zu erklären, was es mit dieser Dunklen Energie auf sich hat.
Vermutlich vergeblich, wie die jüngsten Beobachtungen nun zeigen. Denn allen
Theorien gemeinsam ist, dass die Dunkle Energie zeitabhängig ist. Die
Beobachtungen im Rahmen des Supernova Legacy Survey zeigen jedoch, dass die Dunkle Energie - innerhalb einer Genauigkeit von zehn Prozent - konstant bleibt: genau wie die von Einstein ursprünglich eingeführte Kosmologische Konstante.
Die Messungen des Teams wurden durch die Installation einer neuen Kamera mit 340 Millionen Pixeln am
Canada-France-Hawaii-Telescope möglich. Mit dieser Kamera können die Astronomen einen größeren Himmelsausschnitt als je zuvor zugleich erfassen und so mehrere Supernovae gleichzeitig vermessen. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse basieren erst auf einem Zehntel der Daten, die am Ende des Projekts vorliegen sollen. Die Genauigkeit dürfte sich also noch weiter steigern, so erwarten die Forscher, und so vielleicht schon bald das Rätsel der Dunklen Energie endgültig lösen.
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