Zwei neue Gezeitenströme um Andromeda
von Stefan Deiters astronews.com
19. Januar 2010
Mithilfe des japanischen Subaru-Teleskops und des
Keck
II-Teleskops auf Hawaii wurden nun zwei bislang unbekannte Gezeitenströme um unsere
Nachbargalaxie Andromeda entdeckt. Es handelt sich dabei um die Überreste von
Zwerggalaxien, die Andromeda innerhalb der vergangenen ein bis zwei Milliarden
Jahre verschluckt hat. Der Fund liefert Hinweise auf die Entstehung und
Entwicklung von großen Galaxien.

Falschfarben-Karte, die die Dichte von roten
Riesensternen um die Andromeda-Galaxie zeigt. Die
neu entdeckten Gezeitenströme E und F sind oben
rechts zu sehen. In der Mitte die bekannte
Ansicht der Andromeda-Galaxie.
Bild: Mikito Tanaka (Tohoku University,
Japan)/Subaru [Großansicht] |
Nach Angaben von Puragra Guhathakurta von der University of
California in Santa Cruz ist die Andromeda-Galaxie (M31) ein ideales
Studienobjekt, um die Entstehung und Entwicklung von großen Galaxien zu
untersuchen. Der Astronom ist Leiter des Projektes Spectroscopic and
Photometric Landscape of Andromeda’s Stellar Halo (SPLASH), in dem von
einem internationalen Team rote Riesensterne in unserer Nachbargalaxie kartiert
werden.
Das Aufspüren von Gezeitenströmen sei wichtig, erläutert Guhathakurta, da
diese ein
Verbindungsglied zwischen den noch intakten Zwerggalaxien darstellen und denen, die
inzwischen vollständig von einer Galaxie verschluckt wurden und deren Sterne
sich mit denen des größeren Systems vermischt haben. Nach dem gegenwärtig
favorisierten Modell der Astronomen entsteht der äußere Halo von größeren
Galaxien wie Andromeda oder auch der Milchstraße durch Verschmelzung mit
kleineren Zwerggalaxien. "Dieser galaktische Kannibalismus ist für das Wachsen
einer Galaxie von großer Bedeutung." Die neu entdeckten Gezeitenströme würden
nun weitere Hinweise auf diesen Prozess liefern.
Die Ströme wurden zunächst von japanischen Astronomen
aufgespürt, die dabei waren, mit Hilfe der Suprime-Cam-Kamera am
8-Meter-Subaru-Teleskop die Dichte von roten Riesensternen in großen Teilen der
Andromeda-Galaxie zu kartieren, darunter auch in einem Bereich im Norden, der zuvor
noch nicht untersucht worden war. Im Nordwesten der Galaxie entdeckten sie dabei zwei
Gezeitenströme, die etwa 200.000 und 300.000 Lichtjahre vom Zentrum Andromedas
entfernt liegen.
Das SPLASH-Team hat dann die roten Riesensterne in den Strömen spektral
untersucht und konnte so bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Strom von
Sternen handelt, die sich mit einer gemeinsamen Geschwindigkeit bewegen. Als
nächstes wollen die Forscher nun mit dem Keck-Teleskop die chemische
Zusammensetzung der Riesensterne analysieren. Durch Vergleich dieser Daten mit
denen von noch intakten Zwerggalaxien sollte man mehr Details über den
galaktischen Kannibalismus erfahren.
In der Regel können sich in Zwerggalaxien schlechter schwere chemische
Elemente ansammeln. Diese entstehen im Inneren von Sternen und werden dann,
durch stellare Winde oder Explosionen, wieder ins All geblasen. Aus dem Gas
entstehen dann neue Sterne, mit einem etwas höheren Anteil an schweren
Elementen. Wegen ihrer geringeren Masse und der damit verbundenen geringeren
Anziehungskraft geht das Gas in Zwerggalaxien aber leichter verloren. Durch die
Verschmelzung mit einer größeren Galaxie kommt dieser Prozess dann vollständig
zum Erliegen.
"Das kannibalisierte Opfer hat weniger Zeit zum Recycling seiner Elemente als
überlebende Zwerggalaxien", erläutert Guhathakurta, "und dies sollte sich in den
chemischen Eigenschaften der Stern widerspiegeln. Gezeitenströme sollten mit
ihren chemischen Eigenschaften irgendwo zwischen Opfer und Überlebenden liegen."
Die Andromeda-Galaxie und die Milchstraße sind die größten Galaxien in
unserem Heimat-Galaxienhaufen, der lokalen Gruppe. Die Andromeda-Galaxie, die
auch als Messier 31 (M31) oder als Andromedanebel bekannt ist, ist rund 2,5
Millionen Lichtjahre entfernt.
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