Galaktischer Kannibalismus entlarvt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
3. September 2009
Große Galaxien, so die Theorie der Astronomen, entstehen
durch Verschmelzung kleinerer Galaxien und wachsen dann durch galaktischen
Kannibalismus weiter. Nachzuweisen war dieser bislang nur schwer. Ein genauer
Survey des Gebietes rund um unsere Nachbargalaxie Andromeda hat allerdings nun
eindeutige Spuren ans Licht gebracht: Sternströme, die vermutlich die Überreste
von Zwerggalaxien sind.

PAndAS-Karte der Nachbarschaft der
Andromeda-Galaxie (oben rechts) inklusive des
Dreiecksnebels (unten links). Die Farben stehen
für unterschiedliche Sterndichten.
Bild: A. McConnachie / NRC (Triangulum-Scheibe
mit freundlicher Genehmigung von T. A. Rector und
M. Hanna)
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In den Modellen der Astronomen, die die Entwicklung von Galaxien beschreiben,
ist der galaktische Kannibalismus das entscheidende Element: Massereichere
Galaxien entstehen durch die Verschmelzung kleinerer Galaxien, und sie setzen
ihr Wachstum fort, in dem sie sich weitere Galaxien einverleiben.
Erst im Laufe der letzten fünf Jahre haben Astronomen sowohl in unserer
Heimatgalaxie, der Milchstraße, als auch in einigen entfernteren Galaxien Spuren
solcher kannibalistischer Akte nachweisen können. Sie spürten Sternströme auf,
langgestreckte Ansammlungen von Tausenden von Sternen, die wie im Formationsflug
um die betreffenden Galaxien umlaufen. Verglichen mit den vielen Sternen etwa in
der Scheibe unserer Milchstraße leuchten diese Sternströme nur sehr schwach, und
sind entsprechend schwierig nachzuweisen.
Jetzt zeichnen neue Ergebnisse des internationalen Projekts PAndAS (eine
Abkürzung für Pan-Andromeda Archaeological Survey, wörtlich die "Ganz
Andromeda umfassende archäologische Durchmusterung") das bislang vollständigste
und detailreichste Bild solcher Sternströme in der Umgebung einer Galaxie.
PAndAS führt eine umfangreiche Durchmusterung der Andromeda-Galaxie, eines
direkten Nachbarn unserer eigenen Galaxie und ihrer Umgebung durch.
"Astronomen haben zwar früher schon Spuren solcher Sternströme gefunden. Doch
erst jetzt ist es gelungen, eine so detaillierte Karte eines Sternstromgebiets
zu erstellen", erläutert Dr. Nicolas Martin vom Max-Planck-Institut für
Astronomie, der an der Datenauswertung beteiligt war. Die Bilder zeigen sechs
verschiedene Ströme. Bei zweien davon handelt es sich um Neuentdeckungen. Keiner
der Ströme war bis dahin so genau vermessen worden wie in der PAndAS-Untersuchung.
Die neuen Daten bilden den Ausgangspunkt für Versuche, die Entwicklung der
Andromeda-Galaxie über die letzten Milliarden Jahre nachzuvollziehen. "Die
Sternströme sind die Überreste von Zwerggalaxien, die sich die Andromeda-Galaxie
einverleibt hat", so Martin. "Wir haben also einen galaktischen Kannibalen auf
frischer Tat ertappt. Die betreffenden Sternströme werden sich im Laufe der
nächsten Milliarden Jahre zerstreuen. Dann wird nichts mehr darauf hinweisen,
dass diese Sterne einmal Teil einer anderen Galaxie waren."
Auch die Geschichte des Dreiecksnebels, einer kleineren Begleitergalaxie von
Andromeda, muss im Lichte der neuen Ergebnisse umgeschrieben werden. "Bislang
galt der Dreiecksnebel einfach nur als Begleiter der Andromeda. Jetzt haben wir
überzeugende Hinweise darauf, dass die beiden Galaxien vor einigen Milliarden
Jahren in eine Kollision verwickelt waren," erläutert Martin. Das zeigt ein neu
entdeckter "Sternenschweif" des Dreiecksnebels, der bei diesem Zusammentreffen
durch Wirkung der Schwerkraft der Andromeda-Galaxie entstanden sein dürfte.
Die Astronomen berichten über ihre Ergebnisse in der heute erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature. Die Daten beruhen auf
Beobachtungen des PAndAS-Projekts, einer Durchmusterung die von 2008 bis 2011
läuft. Mit Hilfe des Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT) auf dem
Mauna Kea in Hawaii wird dabei eine detaillierte Karte von rund 350 Quadratgrad
des Himmels rund um die Andromeda-Galaxie erstellt.
Mit einer Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren ist die Andromeda-Galaxie
(Messier-Katalognummer M 31) die unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, nächste
andere Spiralgalaxie. Ihre Zentralregion ist am Himmel mit bloßem Auge als
diffuser Fleck zu erkennen. Der Großteil der Durchmusterung findet in einem
Umkreis von rund einer halben Million Lichtjahren rund um die Andromeda-Galaxie
statt. Ein zweites Durchmusterungsgebiet mit einem Durchmesser von 300.000
Lichtjahren deckt die Umgebung des Dreiecksnebels (M 33) ab, einer
Begleitgalaxie der Andromedagalaxie.
Zum PAndAS-Team gehören Astronomen von kanadischen, französischen,
australischen, britischen, US-amerikanischen und deutschen Institutionen
(darunter das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg).
Wissenschaftlicher Leiter ist Dr. Alan McConnachie vom NRC Herzberg
Institute of Astrophysics in Victoria, Kanada.
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