Magnetar-Beobachtungen stellen Theorie zur Entstehung infrage
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
11. April 2024
Mit den Radioteleskopen in Effelsberg und Jodrell Bank wurde
der präzedierende Magnetar XTE J1810-197 untersucht, nachdem er im
Radiobereich plötzlich wieder zu beobachten gewesen war. Die gewonnenen Daten
stellen einige Modelle infrage, die zur Erklärung des Ursprungs der mysteriösen,
sich wiederholenden schnellen Radiostrahlungsausbrüche diskutiert werden.
Künstlerische Darstellung eines
präzedierenden Magnetars mit verdrilltem Magnetfeld, dessen
Radiostrahl auf die Erde (siehe Großansicht) gerichtet ist.
Bild:
Gregory Desvignes / MPIfR [Großansicht] |
Magnetare sind Neutronensterne mit extrem starken und verdrillten
Magnetfeldern, Überbleibsel eines Kollapses von massereichen Sternen, denen der
Brennstoff ausgegangen ist. Diese Objekte sind so dicht, dass sie die ein- bis
zweifache Masse der Sonne in einer nahezu perfekten Kugel von nur etwa zwölf
Kilometer Radius enthalten. Von den 30 bisher bekannten Magnetaren strahlen nur
einige wenige Radiowellen aus, wobei ihr Radiostrahl den Himmel wie ein
Leuchtturm überstreicht.
Magnetare werden weithin als Quelle für schnelle Radiostrahlungsausbrüche
(Fast Radio Bursts, oder FRBs) angesehen, wobei einige Modelle frei
präzedierende Magnetare als Ursache für die sich wiederholenden FRBs anführen.
Gemeinsam mit Kollegen vom Jodrell Bank Centre for Astrophysics und dem
Kavli Institute for Astronomy & Astrophysics untersuchen Forscher des
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) regelmäßig einige dieser
Magnetare. Sie entdeckten im Dezember 2018 unerwartet einen Magnetar, XTE
J1810-197, der kurz nach dem Beginn einer verstärkten Röntgenemission und nach
einer Periode von etwa zehn Jahren, in der keine Radiostrahlung nachweisbar war,
wiederum begann, Radioemission auszusenden.
Als das Team nach diesem Ereignis eine intensive Beobachtungskampagne
starteten, stellten sie sehr systematische Veränderungen in den Eigenschaften
des Radiolichts fest, nämlich in der Polarisation, die eine Verschiebung der
Ausrichtung des Radiostrahls des Magnetars in Bezug auf die Erde erkennen ließ.
Die Forschenden führten dies auf die freie Präzession zurück, einen Effekt, der
durch eine leichte Asymmetrie in der Struktur des Magnetars entsteht und ihn wie
einen Kreisel zum Wackeln bringt. Zu ihrer Überraschung schwächte sich diese
Präzession im Laufe der nächsten Monate aber rasch ab und verschwand schließlich
ganz.
Das Verschwinden der Präzession mit der Zeit widerspricht der Annahme, dass
FRBs mit wiederholten Radiostrahlungsausbüchen durch präzedierende Magnetare
erklärt werden können. "Wir hatten erwartet, dass wir einige Abweichungen in der
Polarisation der Emission dieses Magnetars sehen würden, da wir dies von anderen
Magnetaren her kannten", erinnert sich Gregory Desvignes vom MPIfRe. "Aber wir
haben nicht erwartet, dass diese Schwankungen so systematisch sind und genau dem
Verhalten folgen, das durch das Taumeln des Sterns verursacht wird."
"Unsere Ergebnisse waren nur möglich, weil wir diesen Magnetar über viele
Jahre hinweg mit den Radioteleskopen in Jodrell Bank und Effelsberg beobachtet
haben", ergänzt Patrick Weltevrede von der Universität Manchester. "Wir mussten
über ein Jahrzehnt warten, bis er anfing, Radiostrahlung zu erzeugen, aber als
er es dann tat, enttäuschte er uns nicht."
"Die gedämpfte Präzession von Magnetaren könnte Aufschluss über die innere
Struktur von Neutronensternen geben, was letztlich mit unserem grundlegenden
Verständnis der Materie zusammenhängt", sagt Lijing Shao von der Universität
Peking. "Die Radioastronomie ist wirklich faszinierend! Das Rätsel um den
Ursprung der FRBs besteht nach wie vor. Aber faszinierende Objekte wie Magnetare
auf frischer Tat zu ertappen, um mehr über FRBs zu erfahren, unterstreicht die
Fähigkeiten unserer Einrichtungen", betont auch Michael Kramer, Direktor am
MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik".
Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature
Astronomy veröffentlicht.
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