Geheimnisvolle Radioblitze am Himmel
Redaktion
/ Pressemitteilungen der MPI für Radioastronomie und Gravitationsphysik astronews.com
5. Juli 2013
Radioblitze mit einer Dauer von nur wenigen
Millisekunden geben Astronomen Rätsel auf. Neue Beobachtungen zeigen, dass die
Blitze aus großer Entfernung kommen und eigentlich alle zehn Sekunden irgendwo
am Himmel zu sehen sein sollten. Könnte es sich bei den Blitzen um den letzten
Gruß von sterbenden Sternen handeln?

Künstlerische
Darstellung eines Radioblitzes am Nachthimmel.
Die vier Ereignisse wurden mit dem Parkes-Radioteleskop
in Australien entdeckt.
Bild: Swinburne Astronomy Productions |
"Vor sechs Jahren wurde zum ersten Mal überhaupt ein derartiger
Strahlungsausbruch im Radiobereich beobachtet. Aber damals konnte sich keiner
sicher sein, was das war, oder ob es sich überhaupt um ein kosmisches Signal
handelt", erläutert Dan Thornton, Doktorand an der University of Manchester
und der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation
(CSIRO) im australischen Sydney. "So haben wir in den letzten vier Jahren
damit begonnen, nach weiteren solchen explosiven Radioausbrüchen von kurzer
Dauer zu suchen."
Mit Erfolg: In einem jetzt in der Fachzeitschrift Science erschienenen
Artikel beschreiben die Wissenschaftler gleich vier weitere Ausbrüche dieser
Art, die sie am Himmel der Südhalbkugel beobachtet haben. "Wir können damit jeden Zweifel ausräumen, dass sie echt sind. Und beim am
weitesten entfernten Ereignis erreicht uns die Strahlung nach einer
Lichtlaufzeit von etwa acht Milliarden Jahren," so Thornton.
Die Ergebnisse basieren auf der Untersuchung eines winzigen Bruchteils des Himmels. Hochgerechnet kann man also vermuten, dass alle zehn Sekunden ein
Ereignis dieser Art irgendwo am Himmel gefunden werden könnte. "Die
Strahlungsausbrüche sind 10-mal kürzer als ein Blinzeln mit unseren Augen. Mit
unseren gegenwärtigen Teleskopen müssen wir schon Glück haben, dass wir zur
richtigen Zeit in die richtige Richtung am Himmel blicken", erklärt Michael
Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und
Professor an der University of Manchester. "Sobald wir den ganzen Himmel
simultan mit 'Radioaugen' erfassen können, werden wir jeden Tag neue Radioblitze
finden."
Gefunden hat das Forscherteam die vier Radioblitze mit dem
CSIRO-64-Meter-Radioteleskop bei Parkes in Australien. Matthew Bailes, Professor
an der Swinburne University im australischen Melbourne vermutet, dass
es sich bei diesen Strahlungsblitzen am ehesten um heftige Explosionen bei
Neutronensternen mit den stärksten bekannten Magnetfeldern handeln könnte. Diese
sogenannten Magnetare haben Magnetfelder bis zu 100 Milliarden Tesla, etwa
1000-mal stärker als bei normalen Neutronensternen. "Magnetare können in nur
einer Millisekunde mehr Energie abstrahlen als unsere Sonne in 300.000 Jahren
und sie sind heiße Kandidaten, um diese Ausbrüche zu erklären", glaubt Bailes.
Doch auch an anderer Stelle hat man sich bereits mit den rätselhaften Blitzen
beschäftigt:
So schlagen die Astrophysiker Heino Falcke von
der Radboud Universiteit Nijmegen und Luciano Rezzolla vom Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam vor, dass es sich
bei den Radioblitzen um eine Art Abschiedsgruß von supraschweren rotierenden Neutronensternen
handeln könnte, die diese aussenden, bevor sie zu Schwarzen Löchern
kollabieren.
Neutronensterne sind die extrem dichten Überreste von Sternen, die nach einer
Supernova-Explosion zurückbleiben.
Sie haben die Größe einer kleinen Stadt sind aber rund zweimal so
massereich wie unsere Sonne. Allerdings kann ein Neutronenstern nicht beliebig schwer
sein. Wenn Neutronensterne mit mehr als zwei Sonnenmassen entstehen, sollten sie
eigentlich unter ihrem eigenen Gewicht unmittelbar zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen
- so die gängige Theorie.
Falcke und Rezzolla glauben, dass einige Sterne ihren endgültigen "Tod" durch
schnelle Eigendrehung hinauszögern können. Wie eine Ballerina in einer Pirouette,
können sich diese übergewichtigen Neutronensterne durch Zentrifugalkräfte gegen den
Zusammenbruch stabilisieren. So könnten sie noch einige Millionen Jahren in einem
"halbtoten" Zustand verbringen.
Allerdings schindet der Stern so nur Zeit und kann sein
unvermeidliches Schicksal eines endgültigen Kollapses nur hinauszögern.
Neutronensterne haben nämlich extrem starke Magnetfelder, die ihre kosmische Umgebung
wie gewaltige Rotorblätter durchsetzen. Dieser magnetische Propeller bläst die
noch übriggebliebene Materie des ursprünglich explodierten Sterns fort und führt zu einer
Abbremsung des noch verbliebenen Neutronensterns.
Während der halbtote Stern
altert und langsamer wird, schrumpft er daher unter dem zunehmenden Einfluss seines
Gewichts. Schließlich kann er seiner eigenen Schwerkraft nicht länger standhalten und
bricht plötzlich unter Abstrahlung eines starken Radioblitzes zu einem Schwarzen Loch
zusammen.
Normalerweise würden Astrophysiker jedoch erwarten, dass ein wahres Feuerwerk von
Röntgen- und Gammastrahlung den Gravitationskollaps begleitet - eine Strahlung,
die bei den neu entdeckten
Radioblitzen nicht nachgewiesen wurde. Falcke und Rezzolla erklären dies damit, dass der Neutronensternpropeller seine Umgebung bereits
von strahlender Restmaterie gesäubert hat und dass die verbleibende Sternoberfläche
schnell vom entstehenden Ereignishorizont des Schwarzen Lochs eingehüllt wird, der
jede Strahlung verschluckt.
"Einsteins Relativitätstheorie erlaubt keine Magnetfelder, die durch den Ereignishorizont
eines Schwarzen Lochs gehen. Also muss der Neutronenstern diese kurz vor seinem
Tod loswerden", erklärt Falcke. "Wenn das Schwarze Loch entsteht,
werden die Magnetfeldlinien vom Stern abgeschnitten und reißen wie gespannte
Gummibänder. Wir zeigen, dass dieser Prozess tatsächlich die beobachteten gewaltigen
Radioblitze erzeugen könnte. Alle anderen normalerweise erwarteten Signale wie
Gamma- und Röntgenstrahlen verschwinden einfach hinter dem Ereignishorizont des
Schwarzen Lochs."
Die beiden Astronomen haben die Radioblitze "Blitzare" getauft. "Diese schnellen Radioblitze könnten der erste sichtbare
Beweis der Geburt Schwarzer Löcher sein, deren Entstehung durch einen intensiven
Ausbruch reiner Radiostrahlung begleitet wird. Ein Blitzar ist gleichzeitig der Abschiedsgruß
eines sterbenden Neutronensterns und das erste Lebenszeichen eines neugeborenen
Schwarzen Lochs.", erklärt Rezzolla. Ihre Theorie beschreiben die Forscher in
einem Artikel, der bei der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics zur
Veröffentlichung eingereicht wurde.
Ob die Theorie von Falcke und Rezzolla zutreffend ist oder wie sich die
eigentümlichen Radioblitze alternativ erklären lassen könnten, dürften wohl erst
weitere Beobachtungen zeigen. Und diese sind geplant: "Wir haben gerade damit begonnen, mit weiteren Radioteleskopen wie unserem
100-Meter-Teleskop in Effelsberg die Suche auf den gesamten Himmel auszudehnen",
so David Champion vom MPIfR. "Wir möchten diese Strahlungsausbrüche auch
gern in Echtzeit erfassen. Mit zukünftigen Teleskopen wie dem 'Square Kilometre
Array' (SKA) werden wir größere Bereiche des Himmels systematisch erfassen und
damit noch eine wesentlich größere Anzahl dieser Objekte entdecken."
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