Burst hilft bei Suche nach fehlender Materie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
26. Februar 2016
Astronomen ist es erstmals gelungen, den genauen Ursprungsort und
die Entfernung eines schnellen Radiostrahlungsausbruchs zu bestimmen. Sie nutzten
dazu ein ganzes Netzwerk von Teleskopen. Die Beobachtungen erlaubten auch
Rückschlüsse auf die Materieverteilung im Universum und konnten so derzeitige
kosmologische Modelle bestätigen.

Das Infrarotbild auf der linken Seite zeigt
das Blickfeld der Beobachtungen mit dem Parkes-Radioteleskop,
wobei der Bereich, aus dem das Signal stammt,
blaugrün markiert wurde. Auf der rechten Seite
sind jeweils Ausschnittvergrößerungen aus diesem
Bereich mit dem optischen Bild des
Subaru-Teleskops unten rechts. Es zeigt die
Galaxie, in der der Radioausbruch stattfand mit
überlagerten elliptischen Konturen der Position
des sechstägigen Nachglimmens, wie mit ATCA
beobachtet.
Bild:
D. Kaplan (UWM), E. F. Keane (SKAO) [Großansicht] |
Am 18. April 2015 wurde mit dem 64-Meter-Parkes-Radioteleskop in Australien im
Rahmen einer systematischen Suche nach Pulsaren und Radiostrahlungsausbrüchen
ein schneller Radiostrahlungsausbruch (im Englischen Fast Radio Burst,
kurz FRB) entdeckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden waren mehrere Teleskope
weltweit alarmiert, um nach dem Signal zu suchen, darunter das Australia
Telescope Compact Array (ATCA) und das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg
in Deutschland.
Bei FRBs handelt es sich um rätselhafte helle Radioblitze, die meist nur wenige
Millisekunden dauern. Ihr eigentlicher Ursprung ist bisher unbekannt, wobei eine
ganze Reihe möglicher Phänomene mit ihnen in Verbindung gebracht werden. FRBs
sind sehr schwierig zu entdecken; mit dem aktuellen Beispiel sind nur insgesamt
17 solcher Ausbrüche bekannt.
"Bisher konnte man FRBs nur im Nachhinein durch die Analyse von Monate oder
sogar Jahre vorher aufgenommener Daten identifizieren", erläutert Evan Keane,
Projektwissenschaftler bei der Square Kilometre Array Organisation.
"Dann ist es natürlich zu spät, um direkte Nachfolgebeobachtungen des Phänomens
durchführen zu können."
Um dies zu vermeiden, hat das Forscherteam im Rahmen des SUrvey for Pulsars
and Extragalactic Radio Bursts, kurz SUPERB, ein spezielles
Beobachtungssystem entwickelt, mit dem FRBs innerhalb von Sekunden aufgespürt
eine Reihe von Teleskopen für unmittelbare Nachfolgebeobachtungen alarmiert
werden können. So erhofft sich das Team zusätzliche Informationen über die
direkten Nachwirkung des Radioblitzes.
Dank der hohen Winkelauflösung der kombinierten sechs 22-Meter-Antennen des ATCA
konnte die Richtung, aus der das Radiosignal kam, wesentlich genauer als vorher
bestimmt werden, wobei das "Nachglimmen" des ursprünglichen Strahlungsausbruchs
insgesamt sechs Tage lang beobachtet werden konnte, ehe es unter die
Nachweisgrenze geriet. Durch die lange Beobachtungszeit konnte die Position am
Himmel tausendmal genauer festgelegt werden als bei vorher gefundenen FRBs.
Weitere wichtige Informationen lieferten optische Beobachtungen mit dem
8,2-Meter-Subaru-Teleskop auf Hawaii, mit denen eine elliptische
Galaxie in rund sechs Milliarden Lichtjahren Entfernung als Ursprungsort für das
Radiosignal ermittelt werden konnte. "Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir
die Ursprungsgalaxie eines FRB identifizieren konnten", freit sich Keane.
Die optischen Beobachtungen ermöglichten auch zum ersten Mal die Bestimmung der
Entfernung für einen FRB. Um die Physik eines solchen Ereignisses zu verstehen,
müssen die Astronomen wissen, wo genau sich das Phänomen ereignet hat, wie weit
es entfernt ist und ob es sich eventuell wiederholen könnte.
"Unsere Analyse führt uns zu dem Schluss, dass dieser neue
Radiostrahlungsausbruch sich nicht wiederholen wird, sondern dass er auf ein
verheerendes Ereignis in dieser fernen Galaxie zurückgeht", so Michael Kramer
vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Struktur des
Radioprofils des Ausbruchs analysiert hat. Mit dem 100-Meter-Radioteleskop
Effelsberg des Instituts wurden auch Nachfolgebeobachtungen des Ereignisses
durchgeführt.
FRBs zeigen eine frequenzabhängige Dispersion, also eine Verzögerung des
Radiosignals, die davon abhängt, wie viel Materie das Signal auf seinem Weg zur
Erde durchlaufen hat. "Bis jetzt war das Dispersionsmaß alles, was wir zur
Analyse hatten. Mit der zusätzlichen Entfernungsangabe können wir nun die
Materiedichte zwischen dem Ursprungsort und der Erde bestimmen und mit gängigen
Modellen der Materieverteilung im Universum vergleichen", so Teammitglied Simon
Johnston von der Abteilung für Astronomie und Weltraumwissenschaftler der
australischen Wissenschaftsorganisation Commonwealth
Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) in Sydney.
"Das ermöglicht uns letztendlich, das Universum zu wiegen, oder zumindest seinen
Anteil an normaler Materie."
Im derzeitigen Modell zum Aufbau des Universums wird von folgender
Zusammensetzung ausgegangen: etwa 70 Prozent Dunkle Energie, 25 Prozent Dunkle
Materie und fünf Prozent "gewöhnliche" Materie, worunter alles fällt, was wir
direkt wahrnehmen können. Allerdings können Astronomen durch Beobachtungen von
Sternen, Galaxien und Wasserstoff im Universum nur ungefähr die Hälfte dieser
fünf Prozent belegen; der Rest ist nicht unmittelbar sichtbar und wird daher
auch als "fehlende Materie" bezeichnet.
"Die gute Nachricht ist, dass unsere Beobachtungen und das Modell
übereinstimmen, und dass wir somit die fehlende Materie gefunden haben", erklärt
Keane. "Zum ersten Mal hat ein schneller Radiostrahlungsausbruch eine
kosmologische Beobachtung ermöglicht."
"Unsere Resultate zeigen das Potential der FRBs als neues Werkzeug für die
Kosmologie", meint Kramer, der auch die Berechnungen zur Bestimmung der
fehlenden Materie durchgeführt hat. "Was wird erst möglich sein, wenn wir
Hunderte dieser Quellen entdeckt haben?"
In Zukunft wird das Square Kilometre Array (SKA) mit seiner extrem
hohen Empfindlichkeit und Winkelauflösung und seinem großen Blickfeld es
ermöglichen, eine Vielzahl neuer FRBs zu entdecken und deren Ursprungsgalaxien
zu bestimmen. Eine wesentlich vergrößerte Stichprobe dieser Objekte wird zu
Präzisionsmessungen von kosmologischen Parametern wie der Verteilung von Materie
im Universum führen und könnte auch ein besseres Verständnis der Dunklen Energie
ermöglichen.
Allerdings werden deutsche Astronomen von den SKA-Beobachtungen weniger
profitieren als andere: Die Bundesregierung hatte die Beteiligung Deutschlands
an dem Projekt zum Sommer des vergangenen Jahres gekündigt (astronews.com
berichtete).
Über ihre Resultate berichteten die Astronomen in dieser Woche in der
Zeitschrift Nature.
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