Faszinierende Möglichkeiten für Kosmologen
von Stefan Deiters astronews.com
21. Januar 2015
In Südafrika und Australien soll mit dem Square Kilometre
Array (SKA) das weltweit größte Radioteleskop entstehen. Auch für Kosmologen
dürfte das Teleskop wertvolle Daten liefern, wie jetzt vorgestellte Studien
zeigen. An diesen waren auch deutsche Astronomen beteiligt, obwohl sie bei SKA
künftig kaum noch etwas zu sagen haben werden: Deutschland hat seine SKA-Mitgliedschaft
nämlich gekündigt.

So könnten die SKA-Antennen einmal aussehen.
Bild: SKA Organisation [Großansicht]
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In Südafrika und Australien soll in den kommenden Jahren mit dem Square
Kilometre Array (SKA) ein gewaltiges Radioteleskop entstehen. Nach den
Planungen könnte der erste Bauabschnitt, der aus Parabolspiegeln in Südafrika
und einfachen Antennen in Australien bestehen wird, bis 2023 fertiggestellt
sein. Bis Ende des kommenden Jahrzehnts soll dann in einer zweiten Bauphase durch weitere
Teleskope und Antennenelemente die Empfindlichkeit noch einmal deutlich erhöht
werden.
Doch schon nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts wird das SKA eine
Sammelfläche von 15 Fußballfeldern besitzen und an einem Betriebstag für ein
Datenvolumen sorgen, das den heutigen Datenverkehr des globalen Internets um ein
Vielfaches überschreitet.
Eine internationale Arbeitsgruppe hat sich nun mit den Möglichkeiten befasst,
die dieses Radioteleskop den Kosmologen für ihre Forschung bieten wird. "Das
Team hat eine beachtliche Leistung vollbracht und eine Vielzahl von Ideen und
Experimenten entwickelt, die die Kosmologie in Zukunft beeinflussen werden",
sagt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Roy Maartens, von der Universität
Western Cape in Südafrika.
Eine zentrale Rolle kommt dabei der Vermessung der Radiosignale des neutralen
Wasserstoffs im Universum zu: "Neutraler Wasserstoff ist das am häufigsten
vorkommende Element im Universum und wir können es zu jedem Zeitpunkt in der
Entwicklungsgeschichte des Universums messen", erläutert Phil Bull von der
Universität Oslo in Norwegen. "Es ist ein idealer Indikator, der uns erlaubt,
die Materieverteilung auf großen Skalen zu verfolgen." Zusätzlich kann der
Effekt der Dunklen Materie auf sogenannte Wasserstoffgalaxien gemessen werden,
der ansonsten durch kein Teleskop beobachtbar ist.
Die dreidimensionale Kartierung von Galaxien ist in der Regel eine sehr
aufwendige und langwierige Angelegenheit. Mit dem SKA hoffen die Astronomen aber,
bis Ende der 2020er Jahre mithilfe von einer Milliarde Wasserstoffgalaxien eine
detaillierte dreidimensionale Karte der Masseverteilung des Universums erstellen
zu können. Im Vergleich zu heutigen Galaxienkatalogen, die rund eine Million
Galaxien beinhalten, wäre dies ein beachtlicher Schritt nach vorn.
SKA könnte auch Licht auf ein bisher sehr "dunkles" Gebiet der kosmologischen
Forschung werfen helfen: So erhoffen sich die Wissenschaftler neue
Erkenntnisse über die Dunkle Energie, die für die beschleunigte Ausdehnung des
Universums verantwortlich gemacht wird. "Mit dem SKA wird man
Präzisionskosmologie machen können und der Natur der Dunklen Energie auf den
Zahn fühlen", ist Alvise Raccanelli von der amerikanischen Johns Hopkins
University überzeugt. "Wir sind ferner in der Lage, durch die
dreidimensionale Vermessung der Galaxien Einsteins Allgemeine
Relativitätstheorie zu überprüfen."
Zudem würden die Beobachtungen einen bislang einmaligen Einblick in die
Entwicklungsgeschichte des Universums erlauben: "Wir können die Ausdehnung des
Universums in Echtzeit messen. Dazu beobachten wir das Signal des neutralen
Wasserstoffs von Milliarden von Galaxien über eine Zeitspanne von zehn Jahren",
erklärt Hans-Rainer Klöckner vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in
Bonn. "Die kosmologische Ausdehnung ist relativ gering im Vergleich mit unserer
Lebenszeit und es ist ein technischer Meilenstein, aber eine direkte Messung ist
möglich. Sie erlaubt es, kosmologische Modelle zu prüfen und eine
Charakterisierung der Dunklen Energie zu erstellen."
Auch andere theoretische Vorhersagen und Modelle würden sich, so die
Wissenschaftler, durch SKA-Beobachtungen überprüfen lassen. Dabei könnten auch
sehr alte Theorien auf den Prüfstand kommen, wie etwa das fundamentale Prinzip,
nach dem die großräumige Materieverteilung im Kosmos gleichförmig sein sollte,
unabhängig von der Blickrichtung des Teleskops. Es könnte jedoch sein, dass dies
nicht immer so war. "Wenn die Messungen da etwas anderes ergeben, hätte das
sehr ernste Auswirkungen auf unser gesamtes Verständnis des Universums", so
Dominik Schwarz von der Universität Bielefeld.
Die Beiträge zur Kosmologie, die jetzt auf dem Preprint-Server arXiv.org
erschienen sind, stellen nur einen Teil einer Reihe von Studien dar, die von der
SKA-Organisation im Sommer in Buchform veröffentlicht werden sollen. So sind
auch Artikel zu den Bereichen "Schwerkraft und Vorstellungen von Raum und Zeit"
sowie "Kosmischer Magnetismus" erschienen. Auch hieran haben sich Mitarbeiter
aus deutschen Instituten beteiligt.
Für die deutschen Wissenschaftler dürfte die Vorstellung der Möglichkeiten,
die das SKA den beteiligten Teams bieten wird, allerdings mit einem fahlen
Beigeschmack verbunden sein: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
hat nämlich im vergangenen Jahr die Mitgliedschaft Deutschlands in der SKA-Organisation
zum 30. Juni 2015 gekündigt (astronews.com
berichtete). Der Schritt stieß bei den Radioastronomen damals auf
Unverständnis und sie beklagten zudem, dass sie zuvor noch nicht einmal
konsultiert worden seien.
Mit dem Austritt haben sich die Chancen deutscher Forscher auf einen Zugang
zu dem Riesenteleskop aber dramatisch verschlechtert, da bei SKA nur ein sehr kleiner
Teil der Beobachtungszeit an Wissenschaftler aus Ländern vergeben werden soll,
die sich nicht an der Finanzierung beteiligt haben.
Das Ministerium erläutert die Entscheidung zum SKA-Ausstieg auf einer eigenen
Webseite: Eine deutsche SKA-Beteiligung sei deshalb nicht in einer sogenannten
"Roadmap" zur Finanzierung von größeren Forschungsprojekten enthalten, weil sich
das SKA zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Roadmap "noch in der Re-Design-Phase"
befunden habe, so dass "das SKA weder an diesem Bewertungsprozess teilnehmen,
noch in die Roadmap aufgenommen werden konnte."
Zu Beginn der Woche, nach Vorstellung der neuen Arbeiten über die
Möglichkeiten des SKA, ließ sich eine Sprecherin des Ministeriums mit den Worten
zitieren, dass es den Wissenschaftlern freistehe, sich wieder um deutsche
Beteiligung und damit um finanzielle Mittel zu bewerben, "sofern SKA die nötige
Reife erlangt habe".
"Die Investitionen aus verschiedenen Ländern wie zum Beispiel
Großbritannien oder Italien setzen sicherlich auch ein Zeichen des Vertrauens in
das SKA und seine Projektreife", meinte dazu Michael Kramer, der
geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn.
Und sein Kollege Schwarz aus Bielefeld ergänzt: "Die Erarbeitung des neuen
Science Books und die nun veröffentlichten Beiträge daraus zeigen das große
Interesse der deutschen Forschung am SKA. Dabei stellt Deutschland den
drittgrößten Anteil von Wissenschaftlern, die zu dem Buch beigetragen haben."
Zumindest, so hieß es gestern, sei die Äußerung aus dem Ministerium - bei
einer positiven Interpretation - vielleicht das erste Mal, dass das Ministerium
eine Antwort formuliert hat, die eine mögliche Zukunft für das SKA in
Deutschland in Aussicht stellt.
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