Naturkonstante im fernen Universum bestimmt
Redaktion /
Pressemitteilung der MPIfR astronews.com
20. Juni 2008
Gelten unsere Naturgesetzte auch im fernen Universum oder
ändern sich die fundamentalen Konstanten der Physik mit Raum und Zeit? Der
Antwort auf diese Frage sind nun Radioastronomen ein Stück näher gekommen. Sie
bestimmten in einer sechs Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie das
Massenverhältnis von Elektron und Proton und kamen nahezu auf exakt den gleichen
Wert wie im irdischen Labor.
Radiokonturkarte des Quasars B0218+367 in rund
7,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Die
zwischen Quasar und Beobachter liegende Galaxie,
in der sich die absorbierenden Ammoniakmoleküle
befinden, ist etwa sechs Milliarden Lichtjahre
entfernt. Der Gesamtausdehnung des Bildes in der
Entfernung der absorbierenden Galaxie beträgt
19.000 Lichtjahre.
Bild: Andy Biggs / MERLIN [Großansicht] |
Die bei uns auf der Erde gültigen Naturgesetze haben ebenso Bestand in den
Tiefen des Universums. So das Resümee eines Forschungsprojekts, durchgeführt von
einem internationalen Astronomenteam, zu dem auch Christian Henkel vom Bonner
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) gehört. Das Ergebnis ihrer
Arbeit, die gestern im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde, zeigt,
dass eine der fundamentalen Naturkonstanten in der Physik, nämlich das
Massenverhältnis zwischen Proton und Elektron, in einer Galaxie in rund sechs
Milliarden Lichtjahren Entfernung nahezu exakt den gleichen Wert aufweist wie in
irdischen Laboratorien: 1836,15 zu 1.
Für die Forscher ist dies ein wichtiges Resultat, da zahlreiche Wissenschaftler
eine Variabilität von Naturgesetzen und Naturkonstanten zu unterschiedlichen
Zeiten und an unterschiedlichen Orten im Universum in Betracht ziehen. "Wir
haben nun zeigen können, dass ein bestimmtes physikalisches Gesetz gleichermaßen
in einer Galaxie auf halbem Weg quer durch das gesamte Universum gilt wie hier
bei uns auf der Erde", so Michael Murphy, Astrophysiker an der australischen
Swinburne University und Erstautor der Studie.
Zu dem Resultat gelangten die Astronomen durch die Beobachtung eines Quasars,
also eines energiereichen Zentrums einer fernen Galaxie, mit dem Katalognamen
B0218+367. Das Licht des Quasars war über eine Laufzeit von etwa 7,5 Milliarden
Jahren unterwegs, und wurde auf diesem Weg teilweise von Ammoniak-Molekülen in
einer dazwischen liegenden Galaxie absorbiert.
Die spektroskopische Beobachtungen des Ammoniak-Moleküls wurden mit dem
100-Meter-Radioteleskop Effelsberg durchgeführt. Ammoniak ist nicht nur ein
wichtiger Bestandteil diverser Produkte zur Reinigung von Badezimmern, sondern
es stellt auch ein ideales Testmolekül dar, um physikalischen Vorgängen im
fernen Universum nachzuspüren. Die speziellen Wellenlängen, bei denen das
Ammoniak-Molekül Radioenergie aus der Strahlung des dahinter liegenden Quasars
absorbiert, ermöglichen die direkte Ableitung einer bestimmten
kernphysikalischen Größe, nämlich des Massenverhältnisses von Proton zu
Elektron.
"Durch den Vergleich der Absorption durch das Ammoniak-Moleküls mit derjenigen
von anderen Molekülen war es uns möglich, den genauen Wert des Proton-Elektron
Massenverhältnisses in dieser fernen Galaxie abzuleiten und zu bestätigen, dass
es mit dem auf der Erde gültigen Wert übereinstimmt", erläutert Christian Henkel
vom MPIfR, ein Experte für kosmische Molekülspektroskopie, der als Koautor an
der Untersuchung beteiligt ist.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Gültigkeit der Naturgesetze in so vielen
unterschiedlichen Bereichen von Raum und Zeit wie möglich auszuloten, um zu
sehen, wie weit es sich wirklich um unveränderliche und allgemeingültige
Naturgesetze handelt. Dazu ist es erforderlich, weitere Galaxien zu
identifizieren, bei denen diese Art von Molekülabsorption untersucht werden
kann. Bisher ist B0218+367 das einzige untersuchte Beispiel.
Es muss aber weit mehr Galaxien dieser Art geben, die ebenso untersucht werden
können, sobald die entsprechenden Teleskope zu ihrer Identifikation zur
Verfügung stehen. Michael Murphy zufolge stellt das zukünftige Square
Kilometre Array (SKA) ein ideales Instrument für die Identifikation von
solch absorbierenden Galaxien dar. "Das SKA ist das größte und anspruchsvollste
Teleskopprojekt, das bisher angegangen wurde. Nach seiner Fertigstellung wird es
mit seiner enormen Sammelfläche und hohen Empfindlichkeit eine Reihe von
weiteren Galaxien zur Untersuchung liefern."
Der Standort für das SKA wird entweder in Westaustralien oder im südlichen
Afrika liegen. Die endgültige Entscheidung dafür wird innerhalb der nächsten
beiden Jahre getroffen. Durch die detaillierte Erforschung der Naturkonstanten
erhoffen sich die Forscher auch Zugang zu weiteren Raumdimensionen, deren
Existenz von theoretischen Physikern vorhergesagt wird.
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