Neue Rätsel um entfernte Strahlungsausbrüche
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
13. Januar 2020
Im Rahmen einer Beobachtungskampagne zur Untersuchung eines
sich wiederholenden schnellen Radiostrahlungsausbruchs ist es nun gelungen,
seinen Ursprung auf eine Spiralgalaxie ähnlich unserer Milchstraße zu
lokalisieren. Der Ausbruch hat von allen bisher identifizierten den geringsten
Abstand zur Erde und unterscheidet sich von ihnen deutlich.
Optische Aufnahme der Ursprungsgalaxie des
schnellen Radiostrahlungsausbruchs (FRB)
180916.J0158+65 mit dem Gemini-Nord-Teleskop auf
Hawaii. Die Position des FRB ist markiert. Der
Inset zeigt eine kontrastverstärkte Vergrößerung
der Sternentstehungsregion in dieser Galaxie, in
der der FRB gefunden wurde (die Position ist
durch einen roten Kreis markiert).
Bild: B. Marcote et al, Nature 2020 [Großansicht] |
Eines der größten Rätsel in der aktuellen astronomischen Forschung ist
der Ursprung von extrem kurzen heftigen Radiostrahlungsausbrüchen, die als
Fast Radio Bursts oder FRBs bezeichnet werden. Obwohl sie nur für
Millisekunden sichtbar werden, hat man inzwischen Hunderte von Beobachtungen
dieser rätselhaften Quellen. Aber lediglich für vier bisher gefundene FRBs ist
auch eine genauere Position am Himmel bekannt und deren wahrscheinlicher
Ursprung lokalisiert.
Im Jahr 2016 wurde bei einer dieser vier Quellen beobachtet, dass sich die
Radiostrahlungsausbrüche wiederholen; sie kommen in nicht vorhersagbarer Weise
aus der gleichen Region am Himmel. Im folgenden unterschieden die Forscher
zwischen FRBs mit lediglich einem beobachteten Radiostrahlungsausbruch ("non-repeating")
und solchen, für die gleich mehrere dieser Ausbrüche beobachtet werden konnten
("repeating").
"Die wiederholten Ausbrüche, die wir beim ersten identifizierten Repeater
beobachten konnten, kommen aus sehr speziellen und extremen Bedingungen im
Inneren einer massearmen Zwerggalaxie", erläutert Benito Marcote vom Joint
Institute for VLBI ERIC, der Erstautor der vorliegenden Untersuchung.
"Diese Entdeckung markierte das erste Fundstück in einem Puzzle, aber sie warf
auch neue Fragen auf wie zum Beispiel nach dem fundamentalen Unterschied
zwischen 'Repeatern' und 'Non-Repeatern'. Jetzt haben wir eine zweite Quelle
dieser wiederholten Radiostrahlungsausbrüche lokalisiert und können unsere
vorherigen Annahmen über den Ursprung dieser Ausbrüche überprüfen."
Am 19. Juni 2019 haben acht Radioteleskope im Rahmen des Europäischen
VLBI-Netzwerks (EVN) gleichzeitig eine Radioquelle beobachtet, die unter der
Bezeichnung FRB 180916.J0158+65 bekannt ist. Die Quelle war ursprünglich bereits
im Jahr 2018 mit dem CHIME-Radioteleskop in Kanada entdeckt worden. Mit dem EVN
konnten die Wissenschaftler eine Messung mit sehr hoher Winkelauflösung in
Richtung von FRB 180916.J0158+65 durchführen.
Während der fünf Stunden dauernden Beobachtung entdeckten die Forscher vier
Strahlungsausbrüche, die jeweils weniger als zwei Millisekunden lang dauerten.
Die erreichte Auflösung mit der Verbindung von Radioteleskopen über die ganze
Erde hinweg und einer Beobachtungsmethode, die unter dem Namen "Very Long
Baseline Interferometry" (VLBI) bekannt ist, bedeutete, dass die Position des
Strahlungsausbruchs in der Galaxie auf eine Region von lediglich sieben
Lichtjahren Ausdehnung festgelegt werden konnte. Das ist eine Genauigkeit, die
der Lokalisierung eines einzelnen Menschen auf dem Mond von der Erde aus
entspricht.
Das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg des Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie (MPIfR) spielte gleich in zweierlei Hinsicht eine entscheidende
Rolle bei der Durchführung dieser Beobachtungen. Zum einen wurde mit den
flexiblen (Pulsar-) Instrumenten am Teleskop Daten für eine sehr schnelle
Identifikation der Radiostrahlungsausbrüche gewonnen, die als Input für die
hochaufgelösten Radiobeobachtungen wichtig waren. Zum anderen war die große
Sammelfläche und damit Empfindlichkeit dieses Teleskops unverzichtbar für die
koordinierten Interferometriebeobachtungen sehr schwacher Quellen wie diesem
FRB.
Mit der präzisen Position der Radioquelle wurde es nun möglich, optische
Beobachtungen dieses Bereichs am Himmel bei hoher Auflösung mit einem der
größten optischen Teleskope der Erde, dem 8-Meter-Gemini-Nord-Teleskop auf dem
Mauna Kea in Hawaii durchzuführen. Die genaue Radioposition zeigt, dass die
Strahlungsausbrüche aus einer Spiralgalaxie mit der Bezeichnung SDSS
J015800.28+654253.0 kommen, die ungefähr eine halbe Milliarde Lichtjahre von der
Erde entfernt liegt. Genauer gesagt, kommen die Ausbrüche aus einer Region
innerhalb dieser Galaxie, in der starke Sternentstehungsaktivität stattfindet.
"Die ermittelte Position in der Galaxie ist deutlich anders als bei dem
vorher bereits identifizierten 'Repeater', sie unterscheidet sich aber auch von
allen anderen bisher untersuchten FRBs", erklärt Kenzie Nimmo, eine Doktorandin
an der Universität Amsterdam, die an der Studie beteiligt war. "Die Unterschiede
zwischen 'Repeatern' und 'Non-Repeatern' werden damit weniger eindeutig und wir
nehmen an, dass diese Ereignisse nicht an einen bestimmten Typ von Galaxie oder
Umgebung innerhalb einer Galaxie gebunden sind. Es mag durchaus sein, dass FRBs
in einer großen Vielfalt von Umgebungen im Universum auftreten und dass es
spezielle Bedingungen braucht, um sie nachweisbar zu machen."
"Mit den vorliegenden Ergebnissen wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass
die sich wiederholenden FRBs auf sehr starke Signale von Radiopulsaren
zurückzuführen sind", sagt Teammitglied Ramesh Karuppusamy vom MPIfR. "Wir sind
an der Schwelle, mit neuen noch empfindlicheren Radioteleskopen weitere FRBs zu
lokalisieren und damit schließlich die wahre Natur dieser Quellen
herauszufinden."
Während die aktuelle Untersuchung Zweifel an vorherigen Annahmen über FRBs
weckt, ist es auf jeden Fall der FRB mit dem geringsten Abstand zur Erde, der
bisher lokalisiert werden konnte. Dadurch wird eine sehr detaillierte
Untersuchung dieses Phänomens möglich. "Wir hoffen, dass die Fortsetzung unserer
Untersuchungen schließlich die Bedingungen für die Entstehung solch rätselhafter
Radiostrahlungsausbrüche aufzeigt. Unser Ziel ist es, weitere FRBs genau zu
lokalisieren und letztendlich auch ihren Ursprung verstehen zu können", so Jason
Hessels, vom Niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON) und der
Universität Amsterdam.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Fachzeitschrift Nature erschienen ist.
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