Der Ursprung eines Radioblitzes
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
5. Januar 2017
Astronomen ist es erstmals gelungen, den Ursprung eines
sogenannten Fast Radio Burst genau zu lokalisieren. Er stammt offenbar aus einer
mehr als drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie. Die kurzen
Strahlungsausbrüche im Radiobereich bleiben aber weiterhin rätselhaft: Was die
Blitze auslöst, wissen die Forscher nämlich bislang nicht.

Künstlerische Darstellung der im Rahmen des
Europäischen VLBI-Netzwerks (EVN) genutzten
Radioteleskope zur Beobachtung der Radioquelle
FRB 121102.
Bild: idw / Danielle Futselaar (www.artsource.nl) [Gesamtansicht] |
Zum ersten Mal ist es Astronomen gelungen, die exakte Richtung eines sogenannten
Fast Radio Burst (FRB), also eines sehr kurzen Radiostrahlungsausbruchs
mit bisher nicht bekannter astronomischer Ursache, derart genau festzulegen,
dass damit seine Herkunftsgalaxie identifiziert werden konnte. Diese Galaxie
liegt in einer Entfernung von mehr als drei Milliarden Lichtjahren. Es handelt
sich um eine Zwerggalaxie, die sich deutlich von unserer Milchstraße
unterscheidet. Außerdem wurde eine kompakte Radioquelle in unmittelbarer Nähe
zum Ort des Radiostrahlungsausbruchs nachgewiesen, die Rückschlüsse auf den
astrophysikalischen Ursprung des Phänomens ermöglicht.
Die geheimnisvollen FRBs leuchten nur für Sekundenbruchteile auf und stellen
seit ihrer Erstentdeckung vor zirka zehn Jahren ein Rätsel für Astronomen dar.
Die genaue Ortung des Ursprungs von FRBs erfordert ein Netzwerk miteinander
verbundener Radioteleskope über große Distanzen, um damit Radiobilder von sehr
hoher Winkelauflösung zu erhalten. Derartige Folgebeobachtungen eines
Radiostrahlungsausbruchs wurden nun durch die erstmalige Entdeckung einer Quelle
von mehrmaligen Radiostrahlungsausbrüchen, FRB 121102, mit dem
305-Meter-Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico ermöglicht.
Bis zu dieser Entdeckung gab es nur indirekte Rückschlüsse darauf, dass die
Radiostrahlungsausbrüche ihren Ursprung im fernen Universum haben, weit
außerhalb der Grenzen unserer Milchstraße. Aufgrund der geringen Winkelauflösung
der Beobachtungen war es nicht möglich, eine eindeutige Zuordnung von
Ursprungsgalaxien für die Radiostrahlungsausbrüche zu finden. Das neue Resultat
ist von entscheidender Bedeutung, weil über die Entfernung der Galaxie auch die
Gesamtenergie des Strahlungsausbruchs bestimmt werden kann.
Mit dem Radioteleskop Very Large Array im US-Bundesstaat New Mexico
wurden insgesamt neun Strahlungsausbrüche von FRB 121102 beobachtet. Damit
konnte die Ursprungsposition auf den Bruchteil einer Bogensekunde genau
festgelegt werden, mehr als 200 Mal genauer als mit früheren Beobachtungen. "In
der Nähe dieser Position am Himmel haben wir eine ganze Reihe von Radio- und
optischen Quellen identifizieren können, die uns schließlich den Weg zur
Ursprungsgalaxie für den FRB gewiesen haben", sagt Shami Chatterjee von der
Cornell University.
Das Forscherteam erreichte eine zehnfach höhere Positionsgenauigkeit am Himmel
durch die Verbindung des Arecibo-Radioteleskops mit dem Europäischen
VLBI-Netzwerk (EVN), mit dem Teleskope über mehrere Kontinente hinweg
miteinander verbunden werden. „Mit etwas Glück haben wir es geschafft,
Strahlungsausbrüche von FRB 121102 mit dem EVN zu entdecken und dadurch konnten
wir den Ursprung dieser Ausbrüche punktgenau mit der dort vorhandenen
Radioquelle identifizieren", sagt Benito Marcote vom JIVE-Institut in den
Niederlanden.
Das 100-Meter-Effelsberg-Radioteleskop ist das größte und empfindlichste
Einzelteleskop im EVN-Netzwerk. "Die Ausbrüche von dieser Quelle sind sehr
schwach und das Effelsberg-Teleskop hatte eine Schlüsselrolle dabei, diese
Entdeckung erst möglich zu machen", ergänzt Laura Spitler, Postdoc-Wissenschaftlerin
am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die Entdeckerin von FRB 121102.
Das Forscherteam setzte eines der weltweit größten optischen Teleskope, das
8-Meter-Gemini-Nord-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii, dafür ein, die
Ursprungsgalaxie für die Radiostrahlungsausbrüche zu identifizieren und über das
gemessene Spektrum die Entfernung dieser Galaxie zu bestimmen. Die ermittelte
Rotverschiebung im Spektrum entspricht einer Entfernung von mehr als drei
Milliarden Lichtjahren. "Das gibt uns die unwiderlegbare Bestätigung dafür, dass
der Ausbruch aus einem Bereich weit jenseits der Grenzen unserer Milchstraße
herrührt", sagt Cees Bassa von ASTRON in den Niederlanden.
Obwohl das Problem der Entfernung zu den FRBs nun gelöst scheint, haben die
Astronomen jetzt ein weiteres Rätsel zu lösen. Die Ursprungsgalaxie des
Strahlungsausbruchs ist nämlich überraschend klein - eine sogenannte
Zwerggalaxie. Die Tatsache, dass FRB 121102 aus einer Zwerggalaxie kommt, gibt
einen entscheidenden Hinweis auf seinen physikalischen Ursprung. Diese Galaxien
enthalten nämlich Gas, das im Vergleich zum Gas in der Milchstraße eine sehr
ursprüngliche Form darstellt.
"Die Bedingungen in dieser Zwerggalaxie sind so, dass noch wesentlich
massereichere Sterne als in unserer Milchstraße dort entstehen können und
vielleicht liegt der Ursprung der Strahlungsausbrüche im kollabierten Überrest
eines solchen Sterns", schlägt Jason Hessels vom ASTRON und der Universität
Amsterdam vor. Als alternatives Modell erwägen die Forscher die Erzeugung der
Strahlungsausbrüche im unmittelbaren Bereich eines sehr massereichen Schwarzen
Lochs, das Gas aus seiner Umgebung aufsaugt, einem sogenannten aktiven
Galaxienkern.
Um zwischen diesen beiden Szenarien unterscheiden zu können, untersuchen die
Forscher FRB 121102 mit einer Vielzahl der besten Teleskope weltweit, von
Radio-, optischen, Röntgen- bis hin zu Gammawellenlängen. "Wenn wir zum Beispiel
eine Periodizität in der Ankunftszeit der Ausbrüche finden könnten, dann hätten
wir einen sehr starken Anhaltspunkt dafür, dass sie von einem rotierenden
Neutronenstern stammen", so Spitler.
Für die Entschlüsselung des Ursprungs der FRBs ist es wichtig, mehr dieser
Quellen am Himmel zu lokalisieren. Die Forscher erörtern ebenfalls, ob alle
bisher gefundenen Strahlungsausbrüche den gleichen kosmischen Ursprung haben
oder ob es mehrere Kategorien dieses neuartigen astrophysikalischen Phänomens
geben könnte.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in drei Fachartikeln, die in den
Zeitschriften Nature und Astrophysical Journal Letters
veröffentlicht wurden.
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