Höhe des Meeresspiegels weiter im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
22. November 2020
Die Copernicus-Flotte der europäischen Union ist um ein
Mitglied größer: Der Satellit Sentinel-6 Michael Freilich wurde gestern
Abend mit einer Falcon-9-Rakete des Unternehmens SpaceX in eine
Umlaufbahn um die Erde gebracht. Mithilfe modernster Radarhöhenmesstechnik soll
dieser Satellit die 1992 begonnene Messung der Höhe des Meeresspiegels
fortsetzen.

Der Satellit Sentinel-6 Michael Freilich
soll die Höhe des Meeresspiegels messen und damit
dessen Anstieg verfolgen.
Bild: ESA/ATG medialab [Großansicht] |
Die Rakete Falcon 9 hob am 21. November um 18:17 Uhr MEZ mit dem 1,2
Tonnen schweren Satelliten von der Vandenberg Air Force Base in
Kalifornien ab. Der Satellit wurde knapp eine Stunde nach dem Start in die
Umlaufbahn gebracht, der Kontakt zur Bodenstation in Alaska wurde um 19:49 Uhr
MEZ hergestellt. "Ich bin sehr stolz darauf, heute Abend den Start von
Copernicus Sentinel-6 erlebt zu haben", freute sich der Direktor für
Erdbeobachtung der ESA, Josef Aschbacher. "Ich weiß, dass er auf dem besten Weg
ist, seine Mission zur Fortsetzung der Meeresspiegelmessung zu beginnen. Dies
ist so notwendig, um den besorgniserregenden Trend des Meeresanstiegs zu
verstehen und zu überwachen. Ich möchte nicht nur den ESA-Teams danken, die so
hart gearbeitet haben, um an diesen Punkt zu gelangen, sondern auch der
Europäischen Kommission, Eumetsat, NASA, NOAA und CNES. Natürlich freuen wir uns
sehr auf die weitere fruchtbare Zusammenarbeit zwischen unseren jeweiligen
Organisationen."
Mit Millionen von Menschen, die in Küstengemeinden auf der ganzen Welt leben,
steht das Ansteigen der Meere ganz oben auf der Liste der größten Sorgen im
Zusammenhang mit dem Klimawandel. Die Überwachung der Meeresspiegelhöhe ist
entscheidend für das Verständnis der Veränderungen, damit geeignete politische
Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels durch Beweise belegt und schließlich
umgesetzt werden können. Behörden können dadurch Maßnahmen zum Schutz
gefährdeter Gemeinden ergreifen.
In den letzten drei Jahrzehnten dienten die französisch-amerikanischen
Topex-Poseidon- und Jason-Missionen als Referenzmissionen. In
Kombination mit den früheren ERS- und Envisat-Satelliten der ESA sowie
den heutigen CryoSat- und Copernicus Sentinel-3-Satelliten
haben sie gezeigt, wie der Meeresspiegel jedes Jahr durchschnittlich um 3,2 mm
angestiegen ist. Noch alarmierender ist, dass sich dieser Anstieg beschleunigt
hat; in den letzten Jahren lag die durchschnittliche Anstiegsrate bei 4,8 mm pro
Jahr.
Copernicus Sentinel-6 Michael Freilich, der sich jetzt in der
Umlaufbahn befindet, wird die Aufgaben seiner Vorgängers fortführen und den
benötigten Datensatz erweitern – ein Datensatz, der den "Goldstandard" für
Klimastudien darstellt. Die Mission besteht aus zwei identischen Satelliten, die
nacheinander starten werden. Das heißt, dass in fünf Jahren Copernicus
Sentinel-6B starten wird, um wiederum den Datensatz zu erweitern. Somit
wird der Fortlauf der Daten bis mindestens 2030 gewährleistet.
Jeder Satellit trägt einen Radarhöhenmesser, welches die Zeit misst, die die
Radarimpulse von der Erdoberfläche und zurück zum Satelliten benötigen.
Kombiniert mit präzisen Satellitenstandortdaten ergeben die Höhenmessungen die
Höhe der Meeresoberfläche. Zu den weiteren Instrumenten des Satelliten gehört
auch ein fortschrittliches Mikrowellenradiometer, das die Wasserdampfmenge in
der Atmosphäre erfasst. Diese beeinflusst die Geschwindigkeit der Radarimpulse
des Radarhöhenmessers.
Obwohl die Nachfolge des Satelliten bei der Entwicklung der Mission im
Mittelpunkt stand, bringt Sentinel-6 zum ersten Mal ein Radar mit
synthetischer Apertur in die Reihe der Altimeter-Referenzmissionen. Das
Radarinstrument arbeitet in einem kontinuierlichen Stoßbetrieb (Burst-Modus), um
sicherzustellen, dass keine Störungen in die Datenreihe eingebracht werden.
Somit liefert es sowohl herkömmliche Messungen im niedrig auflösenden Modus als
auch die verbesserte Leistung der Radarverarbeitung durch synthetischer Apertur.
Um zu gewährleisten, dass die Datenzeitreihe trotz des Wechsels der
Instrumententechnologien kontinuierlich ist, verbringt Sentinel-6 Michael
Freilich sein erstes Jahr im Orbit nur 30 Sekunden hinter Jason-3.
Sentinel-6 umkreist die Erde in einer Höhe von über 1300 Kilometern
und erreicht 66° Nord und 66° Süd. Sentinel-6 liefert somit
ausreichende Messungen, um alle zehn Tage die Höhe der Meeresoberfläche von über
95 Prozent der eisfreien Ozeane zu kartieren. Obwohl Sentinel-6 zur
Familie der Copernicus-Missionen der Europäischen Union gehört, ist
seine Durchführung das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen der
Europäischen Kommission, ESA, Eumetsat, NASA und NOAA, mit einem Beitrag der
französischen Raumfahrtbehörde CNES.
"Es freut uns sehr, diesen Newcomer in der Copernicus Sentinel-Satellitenflotte
der EU aufzunehmen zu können", meinte Timo Pesonen, Generaldirektor für
Verteidigungsindustrie und Weltraum bei der Europäischen Kommission. "Copernicus
Sentinel-6 Michael Freilich wird es möglich machen, erweiterte Produkte und
Informationen über die Ozeane und die Atmosphäre zu liefern und somit das
tägliche Leben der Bürger zu verbessern. Die Ankunft dieses Satelliten ist ein
weiterer Erfolg für Copernicus, für Europa, und für alle Missionspartner
weltweit."
Die ESA war für die Entwicklung des Radarhöhenmessers Poseidon-4 und
die Entwicklung des Satelliten Copernicus Sentinel-6 Michael Freilich
als Ganzes verantwortlich. Sie ist auch für die Beschaffung des Copernicus
Sentinel-6B im Auftrag der Europäischen Kommission und Eumetsatzuständig.
Die Eigentumsübertragung geht zum Zeitpunkt des Starts an die Europäische
Kommission. Die ESA kümmert sich um die frühe Umlaufbahnphase sowie um die
Planung der Verifikation im Orbit und unterstützt den von Eumetsat
durchgeführten Flugbetrieb. Eumetsat ist für die Entwicklung des Bodensegments
und für den Betrieb nach der Start- und frühen Umlaufbahnphase verantwortlich.
Eumetsat verarbeitet die Daten und liefert die Datenprodukte an europäische
Nutzer. "Die Daten von Copernicus Sentinel-6 Michael Freilich werden
die bisher genauesten sein", so der Generaldirektor von Eumetsat Alain Ratier.
"Sie werden dazu dienen, ein tieferes Verständnis des globalen
Meeresspiegelanstiegs, einem Schlüsselindikator des Klimawandels, zu gewinnen.
Die Daten werden auch für Wettervorhersagen verwendet werden, von der
Verbesserung der Genauigkeit saisonaler Vorhersagen bis hin zur Vorhersage von
Wirbelstürmen und Zyklonen."
Die NASA trägt die Verantwortung für die Startdienste, die Entwicklung des
Mikrowellenradiometers, des Laser-Retroreflektors und des GNSS-Radiookkultationsempfängers.
Sie leistet auch Unterstützung für das Bodensegment und trägt zu den Operationen
und der Datenverarbeitung in den USA bei. Die NASA und die NOAA teilen sich die
Verantwortung für die Verteilung der Datenprodukte an die Benutzer in den USA.
Der Satellit wurde nach dem verstorbenen Dr. Michael Freilich benannt,
ehemaliger Direktor für Geowissenschaften bei NASA, der sich zeitlebens für die
Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit stark gemacht hatte.
"Mike Freilich trug dazu bei, dass die NASA ein standhafter Partner für
Wissenschaftler und Raumfahrtagenturen auf der ganzen Welt war, und seine Liebe
zur Ozeanographie und Geowissenschaft half uns, das Verständnis unseres schönen
Planeten zu verbessern", sagte Thomas Zurbuchen, Associate Administrator des
NASA-Wissenschaftsdirektorats im Headquarter in Washington. "Dieser Satellit,
der von unseren europäischen Partnern liebenswürdigerweise nach ihm benannt
wurde, wird die kritische Arbeit ausführen, an die Mike so sehr glaubte. Er wird
an ein Vermächtnis essentieller Daten über unsere Ozeane anknüpfen und es zum
Wohle künftiger Generationen weiterführen."
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