Ozeanwächter ist im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
17. Februar 2016
Der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-3A ist gestern
Abend an Bord einer Trägerrakete vom Typ Rockot in eine Erdumlaufbahn gebracht
worden. Der Satellit soll als Teil des Copernicus-Programms von EU und ESA
wichtige Daten über die Ozeane der Erde liefern. Gleichzeitig wird er auch die
Landmassen unseres Heimatplaneten regelmäßig erfassen.

Der Satellit Sentinel-3A soll unter anderem
Daten über die Ozeane der Meere liefern.
Bild:
ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Welchen Schwankungen unterliegt der Meeresspiegel? Wie hoch ist die
Wasserqualität von Nord- und Ostsee? Welche Rolle spielt der Ozean im
Kohlenstoffkreislauf der Erde? Welchen Einfluss hat die Oberflächentemperatur
der Meere auf die Ozeanzirkulation? Wie ändert sich Pflanzenproduktivität mit
dem Klimawandel? Der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-3A soll helfen,
diese und weitere Fragen zu beantworten. Gestern um 18.57 Uhr MEZ ist er mit
einer Rockot-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof in Plesetsk aus
gestartet.
Der Satellit ist der erste Teil der Ozeanmission im Rahmen des
Copernicus-Programms der Europäischen Kommission und der europäischen
Weltraumagentur ESA. Der ESA-Teil wird mit einem Drittel von Deutschland
finanziert und vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) betreut. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR
wertet spezielle Daten der Sentinel-3-Mission aus.
Dieser "Hightech-Ozeanwächter im All" wird aus seinem Orbit in 815 Kilometern
Höhe die Meere beobachten und so Ozeanvorhersagen sowie Umwelt- und
Klimaüberwachung unterstützen. Denn neben der Meeresbeobachtung hat
Sentinel-3A die Aufgabe, die globalen Landoberflächen in zeitlich hoher
Frequenz zu beobachten. So können die Vegetation überwacht, Waldbrände und
andere Feuer aufgespürt und Frühwarnsysteme wie etwa gegen illegale
Tropenwaldabholzung betrieben werden.
"Sentinel-3A lässt uns den Zustand und die Entwicklung unserer Meere
und der Landoberfläche nun mit anderen Augen sehen. Dadurch können wir die
Auswirkungen des globalen Wandels besser verstehen, Anpassungsmaßnahmen
entwickeln sowie für ein nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen sorgen",
erklärt Dr. Michael Nyenhuis, der im DLR Raumfahrtmanagement die Sentinel-3-Missionen
betreut.
"Für die richtige Bewertung der Informationen müssen hochwertige Daten
zuverlässig zur Verfügung stehen - auch durch die Verarbeitung und Archivierung
der Sentinel-3-Daten auch durch das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum
sind die Voraussetzungen gegeben", ergänzt Prof. Stefan Dech, Direktor des DFD.
Die Sensoren des Satelliten vermessen Ozean-, Eis- und Landoberflächen. Ein
hochpräzises Radar-Altimeter erfasst die Meeresspiegelhöhe. Ein Radiometer misst
die Ozean- und Landoberflächentemperatur mit einer Genauigkeit von 0,3 Grad
Celsius. Außerdem beobachtet ein optisches Instrument die Ozean- und
Landoberflächen. Damit setzt Sentinel-3A die Messungen früherer
Satelliten fort - insbesondere des 2012 außer Betrieb gestellten ESA-Satelliten
ENVISAT.
Seine Instrumente steigern zusätzlich die Produktqualität durch eine verbesserte
spektrale Auflösung, erhöhen die zeitliche Auflösung und verbessern die Messung
von Atmosphärenparametern. Sieben Jahre lang soll der "Wächter" die Erde
beobachten. Seine Lebensdauer kann aber unter günstigen Bedingungen auf bis zu
zwölf Jahre verlängert werden.
2017 soll der baugleiche Satellit Sentinel-3B seine Arbeit im Weltraum
aufnehmen. Er wird die Erde zeitversetzt auf einer identischen polaren
Umlaufbahn in 815 Kilometern Höhe umrunden. Damit verdoppelt sich die
Aufnahmekapazität und erlaubt dem Satellitenpaar alle zwei Tage eine globale
Abdeckung.
Doch zur Nutzung der Satelliten und ihrer Daten sind nicht nur die Satelliten
selbst, sondern auch zahlreiche Systeme auf der Erde erforderlich: Zu diesem
sogenannten Bodensegment gehören neben den Antennensystemen zum Empfang von
Satellitendaten und den Rechenkapazitäten zur Auswertung und Aufbereitung der
Daten auch Systeme zur Archivierung und zum Datenmanagement.
Ein Teil davon wird in europäischer Zusammenarbeit aufgebaut und besteht unter
anderem aus Processing and Archiving Centers (PACs) zur Verarbeitung,
Langzeitarchivierung und Verteilung der Satellitendaten. Die PACs in Europa sind
an das Copernicus-Wide-Area-Network (WAN) zum schnellen Transport von
Massendaten angeschlossen. Um die von Sentinel-3A gelieferten Rohdaten
effizient verarbeiten und archivieren zu können, besteht eine Aufteilung
zwischen der ESA und der Europäischen Organisation für die Nutzung
meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) für die Bereitstellung der Datenprodukte.
Meeresbezogene Datenprodukte werden von EUMETSAT bereitgestellt.
In der Verantwortung der ESA wurden in europäischer Zusammenarbeit drei PACs
geschaffen, die sich speziell um die Daten der Sentinel-3-Mission
kümmern. Das DFD in Oberpfaffenhofen ist eines dieser Sentinel-3-PACs
und kümmert sich speziell um die sogenannten OLCI-Daten für Landanwendungen.
Über das Copernicus-Wide-Area-Network kommen die Rohdaten aus der
Empfangsstation im norwegischen Svalbard auf Spitzbergen an.
Diese Daten werden dann in Oberpfaffenhofen in einem zweistufigen
Verarbeitungsverfahren zu höherwertigen Daten prozessiert. Die dabei
entstandenen Produkte werden anschließend in einem Long-Term Archive
(LTA) für mehrere Jahre gespeichert. Über ein europäisches Hochleistungsnetzwerk
werden diese Daten weltweiten Nutzern zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter
des PACs im DFD beginnen bereits wenige Tage nach dem Start des Satelliten
Sentinel-3A mit ihrer Arbeit.
Spätestens ein halbes Jahr nach Beginn der Mission sind dann die Daten auf der
europäischen Plattform einer breiten Öffentlichkeit verfügbar. Die riesigen
Datenmengen werden im Deutschen Satellitendatenarchiv des DFD gespeichert. Das
DFD rechnet damit, dass innerhalb eines Jahres bis zu 300 Terabyte an OLCI-Daten
in Oberpfaffenhofen archiviert werden. Dort lagern sie unter anderem neben mehr
als 700.000 Datensätzen der Sentinel-1-Mission, die ebenfalls vom
dortigen PAC betreuet wird.
Sentinel-3A ist der dritte Satellit der sechs Satellitenfamilien im
Copernicus-Programm der Europäischen Union und der ESA. Mit Copernicus -
ehemals Global Monitoring for Environment and Security (GMES) - soll
eine leistungsfähige und nachhaltige Erdbeobachtungsinfrastruktur für Europa
entstehen. Die EU betreibt mit dem Programm satellitengestützte
Informationsdienste für Erdoberflächen, Ozeane, Atmosphäre,
Katastrophenmanagement, Klimawandel und Sicherheit.
Grundlage dieser Dienste sind sechs Satellitenfamilien, die so genannten
Sentinels - zu Deutsch "Wächter". Sie werden von der ESA im Programm "GMES
Space Component" (GSC) entwickelt und im Auftrag der EU betrieben. In den
nächsten Jahren folgen mit Sentinel-2 und Sentinel-3 weitere
wichtige Meilensteine im Aufbau der Copernicus Weltraumkomponente.
Gegen Ende dieses Jahrzehnts sollen die Missionen Sentinel-4, -5
und -6 starten. In Copernicus werden auch Satellitendaten von
Dritten einbezogen, so Daten der deutschen Satelliten TerraSAR-X,
TanDEM-X und RapidEye. Die Sentinels ergänzen die
aktuellen Satellitenmissionen zum weltweit umfassendsten und leistungsfähigsten
zivilen Erdbeobachtungssystem aus dem All.
|