Doppelsterne machen es Planeten schwer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Friedrich-Schiller-Universität Jena astronews.com
13. November 2019
Können Planeten ohne Weiteres auch in Mehrfachsternsystemen
entstehen? Dieser Frage ging ein Astronom nun auf besondere Weise nach: Mithilfe
von Daten des Astrometriesatelliten Gaia suchte er 1300 bekannte
Planetenmuttersterne nach eventuellen Begleitsternen ab. Dabei zeigte sich, dass
nur etwa 15 Prozent dieser Sterne mindestens einen Begleitstern haben.
Auch der nächstgelegene Exoplanet Proxima
Centauri b befindet sich in einem
Mehrfachsternsystem. So wie in dieser
künstlerischen Darstellung könnte das
Dreifachsternsystem Alpha Centauri von der
Planetenoberfläche betrachtet aussehen.
Bild: ESO/M. Kornmesser [Großansicht] |
Ist unsere Erde der einzige bewohnte Planet im Universum? Oder gibt es
irgendwo da draußen vielleicht noch weitere lebensfreundliche Orte – und wenn
ja, wie könnten sie aussehen? Um diese fundamentalen Fragen zu beantworten,
suchen Wissenschaftler den Himmel nach Exoplaneten ab – fernen Welten, die
außerhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen. Über 4000 Exoplaneten
sind bisher bekannt, die meisten im Orbit um Einzelsterne wie unsere Sonne.
Nun sind vom Jenaer Astrophysiker Dr. Markus Mugrauer zahlreiche neue
Mehrfachsternsysteme entdeckt und charakterisiert worden, in denen Exoplaneten
vorkommen. Die Funde bestätigen Annahmen, wonach das Vorhandensein mehrerer
Sterne den Entstehungs- und Entwicklungsprozess von Planeten beeinflusst.
"Mehrfachsternsysteme kommen in unserer Milchstraße sehr häufig vor", erklärt
Mugrauer. "Wenn solche Systeme Planeten besitzen, so sind sie für die
Astrophysik von besonderem Interesse, weil sich die Planetensysteme darin
fundamental von unserem Sonnensystem unterscheiden können."
Um mehr über diese Unterschiede zu erfahren, suchte der Jenaer Astrophysiker
mehr als 1300 bekannte Sterne, bei denen Exoplaneten gefunden wurden, nach
Begleitsternen ab. Dabei griff er auf die präzisen Beobachtungsdaten des
Weltraumteleskops Gaia zurück, das von der Europäischen Weltraumagentur
ESA betrieben wird. Auf diese Weise gelang es ihm, bei Planetenmuttersternen mit
bis zu 1600 Lichtjahren Abstand zur Sonne insgesamt rund 200 Begleitsterne
nachzuweisen.
Mithilfe der Daten konnte Mugrauer die entdeckten Begleitsterne und ihre
Systeme zudem näher beschreiben: Es existieren sowohl enge Systeme mit Abständen
von nur 20 Astronomischen Einheiten (AE) – was in unserem Sonnensystem in etwa
der Distanz zwischen Sonne und Uranus entspricht – als auch Systeme, deren
Sterne über 9000 AE voneinander entfernt liegen.
Unterschiedlich beschaffen sind die Begleitsterne auch hinsichtlich ihrer
Massen, Temperaturen und Entwicklungsstadien. Die schwersten von ihnen wiegen
das 1,4-fache unserer Sonne, die leichtesten verfügen hingegen nur über acht
Prozent der Sonnenmasse. Bei den meisten Begleitsternen handelt es sich um
massearme, kühle und schwach rötlich leuchtende Zwergsterne. Unter den
leuchtschwachen Objekten wurden aber auch acht Weiße Zwerge identifiziert. Als
Weißen Zwerg bezeichnet man den ausgebrannten Kern eines sonnenähnlichen Sterns,
der zwar nur ungefähr so groß wie unsere Erde, dafür aber halb so schwer ist wie
unsere Sonne. Diese Beobachtungen zeigen, dass Exoplaneten die finale
Entwicklungsphase eines nahen sonnenähnlichen Sterns durchaus überleben können.
Bei der Mehrzahl der in der Studie nachgewiesenen Sternsysteme mit
Exoplaneten handelt es sich um Doppelsterne. Es konnten aber auch rund zwei
Dutzend hierarchische Dreifachstern- und sogar ein Vierfachsternsystem
detektiert werden. Im untersuchten Abstandsbereich zwischen ca. 20 und 10.000 AE
verfügen insgesamt 15 Prozent der untersuchten Sterne über mindestens einen
Begleitstern. Diese Häufigkeit ist nur etwa halb so groß, wie sie bei
sonnenähnlichen Sternen im Allgemeinen erwartet wird. Zudem weisen die
detektierten Begleitsterne einen ca. fünfmal größeren Abstand auf als
gewöhnliche Systeme.
"Beides zusammen könnte darauf hinweisen, dass der Einfluss mehrerer Sterne
in einem Sternsystem den Entstehungsprozess von Planeten sowie die weitere
Entwicklung ihrer Umlaufbahnen stört", so Mugrauer. Ursache dafür sei zunächst
die gravitative Wechselwirkung der Begleitsterne auf die Gas- und Staubscheiben,
in denen Planeten entstehen. Später stören dann die Begleitsterne durch ihr
Schwerefeld die Bewegung der Planeten um ihre Muttersterne herum.
Mugrauer möchte das Projekt fortführen. Auch künftig soll die sogenannte
Multiplizität neu entdeckter Planetenmuttersterne mit den Daten der Gaia-Mission
untersucht und detektierte Begleitsterne genau charakterisiert werden. "Zudem
werden wir die Resultate mit den Ergebnissen einer internationalen
Beobachtungskampagne kombinieren, die wir aktuell zum selben Thema am Paranal-Observatorium
der Europäischen Südsternwarte in Chile durchführen", ergänzt er. "Damit können
wir dann den genauen Einfluss der stellaren Multiplizität auf die Entstehung und
Entwicklung von Planeten untersuchen."
Die Studie ist jetzt im Fachmagazin Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erschienen.
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