Ozean im Untergrund noch irdischer?
von
Stefan Deiters astronews.com
19. Juni 2019
Jeder konnte es sehen, doch wirklich genau hingeschaut hatte
lange Zeit niemand: Auf der Oberfläche des Jupitermondes Europa finden sich
gelbliche Bereiche, bei denen es sich offenbar um Natriumchlorid handelt, also
einfaches Tafelsalz. Die Entdeckung könnte bedeuten, dass der Ozean im
Untergrund von Europa sehr viel erdähnlicher ist als angenommen.
In Tara Regio, links vom Zentrum auf dieser Aufnahme des
Jupitermonds Europa, fanden sich größere Mengen an
Natriumchlorid. Bild:
NASA / JPL / University of Arizona |
Der Jupitermond Europa gehört zu den vier Galileischen Monden des größten
Planeten in unserem Sonnensystem und fasziniert die Wissenschaft unter anderem
auch deshalb, weil sich unter seiner Oberfläche ein Ozean aus flüssigem Wasser
verbergen dürfte. Dieser Ozean könnte, das ergaben neue Untersuchungen, sogar
deutlich mehr den Ozeanen auf der Erde gleichen, als man lange Zeit angenommen
hatte: Auf seiner Oberfläche konnte man nämlich Natriumchlorid, also Kochsalz, nachweisen.
Die Hinweise auf den Ozean im Untergrund von Europa hatten Vorüberflüge der
NASA-Sonden Voyager und Galileo geliefert. Die Sonde Galileo, die über mehrere
Jahre das Jupitersystem erkundet hat, untersuchte die Oberfläche von Europa etwa
mit einem Infrarot-Spektrometer und konnte so Wassereis und Magnesiumsulfat
nachweisen. Magnesiumsulfat ist auch als Bittersalz oder Epsom-Salz bekannt. Da
Europa über eine vergleichsweise junge und aktive Oberfläche verfügt, vermutete
man als Quelle des Magnesiumsulfats den Ozean im Untergrund.
"Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die gesamte interessante
Spektroskopie auf planetaren Oberfläche im Infraroten stattfindet, weil sich
hier für die meisten Moleküle, die die Wissenschaftler interessieren, die
charakteristischen Merkmale finden", so Mike Brown vom California Institute
of Technology.
"Niemand hatte zuvor Spektren von Europa im sichtbaren
Bereich des Lichts mit dieser Auflösung gemacht. Galileo hatte kein Spektrometer
für den sichtbaren Bereich an Bord, nur eines für Nahinfrarot und Infrarot. Aber
da sind Chloride unauffällig," ergänzt Samantha Trumbo, Doktorandin am California Institute of Technology.
Das Team nutzte neue Spektraldaten in hoher Auflösung, die am W. M. Keck
Observatory auf dem Mauna Kea auf Hawaii gewonnen wurden. Dabei stellte sich
heraus, dass es auf der Oberfläche von Europa wohl eher wenig Magnesiumsulfat
gibt, da sich dieses in den qualitativ hochwertigen Keck-Spektren deutlich hätte
abzeichnen müssen. "Wir dachten dann daran, dass wir es mit Natriumchlorid zu
tun haben könnten, allerdings hätte dieses im Infrarotspektrum praktisch nicht
zu sehen sein sollen."
Doch für diesen Widerspruch fand sich eine Erklärung: Kevin Hand,
Wissenschaftler am Jet
Propulsion Laboratory der NASA, untersuchte Ozeansalz unter Strahlungseinwirkung, wie man
sie etwa auf Europa erwarten würden. Es zeigte sich, dass sich die Farbe von
Natriumchlorid nach dem Beschuss mit Strahlung deutlich verändert und es
sich plötzlich sehr viel prominenter in den Spektren nachweisen ließ. "Natriumchlorid ist ein wenig wie Zaubertinte auf
Europas Oberfläche", vergleicht Hand. "Vor der Bestrahlung kann man nicht
erkennen, dass das Salz vorhanden ist, aber danach kann man es praktisch gar
nicht mehr übersehen."
Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble zeigten dann, dass es sich bei
den gelben Ablagerungen in dem Bereich Tara Regio auf der Oberfläche Europas tatsächlich
um Natriumchlorid handelt. "Wir hätten diese Untersuchungen mit Hubble schon
seit 20 Jahren machen können", so Brown, "aber niemand hat daran gedacht,
einfach einmal hinzuschauen."
Dass das Salzwasser aus dem im Untergrund vermuteten Ozean stammt ist
allerdings noch nicht gesichert. Trotzdem, so das Team, sei eine neue
Beurteilung der Geochemie auf und in dem Jupitermond angebracht: "Magnesiumsulfat
dürfte einfach aus Steinen im Ozeanboden ausgewaschen worden sein", so Trumbo.
"Natriumchlorid könnte hingegen darauf hindeuten, dass es im Boden hydrothermale
Aktivität gibt. Das wiederum würde bedeuten, dass Europa ein geologisch sehr
viel interessanterer Ort ist als bislang gedacht."
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Science Advance erschienen ist.
|
|