Aufbruch zum Merkur
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. Oktober 2018 (Update: 20. Oktober 2018)
In der kommenden Nacht soll die europäisch-japanische
Mission BepiColombo zum Merkur starten, um den sonnennächsten Planeten
mit zwei Sonden zu untersuchen. Bis BepiColombo den allerdings erreicht
hat, werden noch sieben Jahre vergehen. Auf dem Weg dorthin wird die Sonde die
Erde, die Venus und auch den Merkur gleich mehrfach passieren.

Die Mission BepiColombo soll den Merkur in
rund sieben Jahren erreichen. Sie besteht aus
zwei Sonden, die gemeinsam zum sonnennächsten
Planeten reisen.
Bild: ESA / ATG medialab, / NASA / JPL [Großansicht] |
Am 20. Oktober 2018 soll um 3.45 Uhr MESZ die europäisch-japanische
Planetenmission BepiColombo an Bord einer Ariane-5-Rakete vom
Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana ins Weltall starten. "Die Mission
soll nicht nur den Planeten Merkur erforschen, sondern auch neue Erkenntnisse
über unser Sonnensystem liefern", erklärt Dr. Walther Pelzer, Vorstand für das
Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Einmal
mehr erweist sich Japan bei dieser enormen Herausforderung als zuverlässiger
Partner der Europäer in der Raumfahrt." Rund sieben Jahre wird die lange Reise
der Sonde durch das Innere des Sonnensystems dauern.
BepiColombo ist das bisher umfangreichste europäische Projekt
zur Erforschung eines Planeten des Sonnensystems. Die Mission besteht aus zwei
Sonden, die den Merkur umkreisen werden: dem Mercury Planetary Orbiter
(MPO) und dem Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO). Während MPO darauf
ausgelegt ist, Oberfläche und Zusammensetzung des Planeten zu erforschen,
erkundet MMO dessen Magnetosphäre. Weitere Ziele der Mission sind die
Erforschung des Sonnenwindes, des inneren Aufbaus und des planetaren Umfeldes
von Merkur sowie dessen Wechselwirkungen mit der sonnennahen Umgebung. Die
Wissenschaftler erhoffen sich darüber hinaus neue Erkenntnisse zur Entstehung
des gesamten Sonnensystems.
Beide Sonden werden sich während des Fluges an Bord des Mercury Composite
Spacecraft (MCS) befinden, das diese mit Energie versorgt und sie mit Hilfe
eines speziellen Schutzschildes, der MMO Sunshield and Interface Structure
(MOSIF), vor den extremen Temperaturen zwischen 430 Grad Celsius auf der
Tagseite und minus 180 Grad Celsius auf der Nachtseite des Merkurs schützt.
Von den 16 Instrumenten, die sich an Bord der beiden Raumsonden befinden,
wurden drei zu wesentlichen Anteilen in Deutschland entwickelt: BELA (BepiColombo
Laser Altimeter), MPO-MAG (MPO Magnetometer) und MERTIS (Mercury Radiometer and
Thermal Infrared Spectrometer). MERTIS ist ein bildgebendes
Infrarot-Spektrometer und Radiometer mit zwei ungekühlten Strahlungssensoren,
die für Wellenlängen zwischen 7 und 40 Mikrometern empfindlich sind.
Im Orbit angekommen, wird MERTIS an Bord von MPO die Oberfläche und das
Planeteninnere des Merkur untersuchen. Mit einer räumlichen Auflösung von 500
Metern identifiziert es im mittleren Infrarotbereich gesteinsbildende Minerale
auf der Oberfläche. Die Kenntnis über die mineralogische Zusammensetzung
ermöglicht es den Wissenschaftlern, Aussagen über die Entwicklung des Planeten
treffen zu können. Darüber hinaus liefert ein integriertes Mikro-Radiometer
Daten zur Oberflächentemperatur und der thermischen Leitfähigkeit von Merkur.
Durch ein neuartiges Instrumentenkonzept ist es gelungen, MERTIS äußerst kompakt
und energieeffizient zu bauen.
"Beide MERTIS Sensoren sind einzigartig", sagt der
DLR-Experimentverantwortliche Dr. Jörn Helbert und ergänzt: "Der bildgebende
Kanal nutzt ein sogenanntes ungekühltes Mikrobolometer - das erste, das in
Europa weltraumqualifiziert wurde. Das Radiometer nutzt einen nur 3 mal 1
Millimeter großen Sensor, der direkt aus einem Stück Silizium geätzt wurde und
gleichzeitig als Spalt für das Spektrometer dient. Dies sind nur zwei von einer
Vielzahl innovativer Technologien, die eigens für dieses Experiment entwickelt
wurden." Das Team wird von Wissenschaftlern der Universität Münster und dem
DLR-Institut für Planetenforschung geleitet. Das Management des Experiments
liegt beim DLR-Institut für Optische Sensorsysteme, das MERTIS konzipiert und
entwickelt hat. Der Betrieb erfolgt unter Leitung des DLR-Instituts für
Planetenforschung, die wissenschaftliche Auswertung der Daten wird gemeinsam mit
der WWU Münster durchgeführt.
Das Laseraltimeter BELA liefert Informationen über die globale Form, Rotation
und Topographie des sonnennächsten Planeten. Pro Sekunde sendet es zehn
Laserpulse Richtung Merkur und empfängt im Bruchteil einer Sekunde das von der
Oberfläche reflektierte Signal. Je höher ein Landschaftspunkt gelegen ist, um so
kürzer ist die Zeit, die der Laserimpuls für den Weg zur Oberfläche und von dort
zum Sensor in BELA benötigt. Aus der Laufzeit von Millionen von Laserpulsen wird
im Missionsverlauf ein 3D-Modell der gesamten Oberfläche Merkurs entstehen.
"Darüber hinaus können wir aus der Form der reflektierten Pulse die
Oberflächenrauigkeit bestimmen. Diese hilft uns, die physikalischen und
geologischen Prozesse, die das heutige Bild des Planeten prägen, besser zu
verstehen", erläutert Dr. Hauke Hußmann, wissenschaftlicher Projektleiter von
BELA. Aufwändige Schutzvorrichtungen und ein umfassender Hitze- und Lichtschutz
verhindern, dass das Instrument durch die extremen Temperaturen auf dem Planeten
überhitzt oder Schäden durch die Strahlung davonträgt. Entwickelt und gebaut
wurde BELA vom DLR in Zusammenarbeit mit der Universität Bern, dem
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, dem Instituto de Astrofísica
de Andalucía und der Industrie. Der Betrieb und die wissenschaftliche
Auswertung der Daten erfolgt unter Leitung des DLR-Instituts für
Planetenforschung.
Das Experiment MPO-MAG ist ein hochauflösendes digitales Magnetometer. Wie
bereits die Sonde Mariner 10 entdeckt hat, umgibt den Merkur ein
Magnetfeld mit einer Stärke, die ein Prozent der Stärke des Erdmagnetfelds
entspricht. Bei MPO-MAG werden auf einem Ausleger des MPO zwei Sensoren
eingesetzt, die der Erforschung des Eigenmagnetfelds des Merkurs dienen. Ziel
ist auch die Erforschung der inneren Struktur des Merkurs. Wissenschaftlich
verantwortlich ist Prof. Karl-Heinz Glaßmeier vom Institut für Geophysik und
extraterrestrische Physik (IGEP) der Technischen Universität Braunschweig.
Rund sieben Jahre wird die Reise von BepiColombo zum Merkur dauern.
Dabei vollführt die Sonde mehrere so genannte Swing-By-Manöver an Erde und Venus
und sogar sechs am Merkur selbst, bevor sie am Zielplaneten in eine Umlaufbahn
gelenkt wird. Bei Swing-By-Manövern nutzt das Raumfahrzeug die Anziehungskraft
der Himmelskörper, um Geschwindigkeit für den weiteren Weg durchs All
aufzunehmen, oder aber auch, um abzubremsen.
Damit eine Umlaufbahn erreicht wird, muss die Sonde ihre Geschwindigkeit
nicht nur am Merkur stark reduzieren, sondern auch der enormen Anziehungskraft
der Sonne entgegenwirken. MERTIS wird bereits bei den Swing-Bys an der Erde und
der Venus Messungen durchführen. Am Merkur angekommen wird BepiColombo
rund ein Jahr lang Daten sammeln.
Merkur ist nicht nur der kleinste Planet - mit 4.878 Kilometern Durchmesser
ist er nur wenig größer als unser Mond - sondern auch der am wenigsten
erforschte der erdähnlichen Planeten in unserem Sonnensystem. Das liegt vor
allem daran, dass er unmittelbarer Nachbar der Sonne ist: Deren Einstrahlung ist
dort mehr als sechsmal höher als auf der Erde und erhitzt die Oberfläche auf
Temperaturen von bis zu 430 Grad Celsius am Tage, während es nachts auf bis zu
minus 180 Grad Celsius abkühlt.
In der Vergangenheit wurde der Merkur erst von zwei Sonden erforscht: 1974
und 1975 vollführte die NASA-Sonde Mariner 10 drei Vorbeiflüge am
Merkur und zwischen 2011 und 2015 untersuchte die NASA-Sonde MESSENGER bei drei
Vorbeiflügen und aus einer Umlaufbahn mit Annäherungen über der Nordhalbkugel
heraus unseren Nachbarplaneten.
BepiColombo wird die Mission MESSENGER ideal ergänzen, indem nun
auch die südliche Hemisphäre genau erfasst werden kann. Zugleich werden auch
völlig neuartige Untersuchungen durchgeführt. So gab es auf MESSENGER kein
Instrument, das den Planeten im mittleren Infrarotbereich beobachtet hat. MERTIS
wird hier einen völlig neuartigen Datensatz liefern.
Die Gesamtleitung der Mission liegt bei der Europäischen Weltraumorganisation
ESA, die auch für Entwicklung und Bau des Mercury Planetary Orbiter
zuständig war. Der Mercury Magnetospheric Orbiter wurde von der
japanischen Raumfahrtagentur JAXA beigesteuert. Koordiniert und überwiegend
finanziert wird der deutsche Beitrag zu BepiColombo vom
DLR-Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie (BMWi). Wesentlich finanziert wurden die beiden Instrumente BELA und
MERTIS, die zu großen Anteilen an den DLR-Instituten für Planetenforschung und
Optische Sensorsystemen in Berlin-Adlershof entwickelt wurden, aus Mitteln des
DLR für Forschung und Technologie.
Finanziell gefördert wird die Mission außerdem vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, der Westfälischen-Wilhelms-Universität
Münster und der Technischen Universität Braunschweig. Der industrielle Teil der
Sonde wurde von einem europäischen Industrie-Konsortium unter der Federführung
der Firma Airbus Defence and Space realisiert.
Update (20. Oktober 2018): Der Start von BepiColombo in der
vergangenen Nacht hat wie geplant geklappt. Die Sonde ist auf dem langen Weg zum
Merkur.
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