Das unsichtbare Universum im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
28. November 2013
Die europäische Weltraumagentur ESA hat heute zwei Themen
festgelegt, mit denen sich die nächsten beiden großen Wissenschaftsmissionen der
Agentur befassen sollen, nämlich mit dem heißen und energetischen Universum
sowie mit Gravitationswellen. Dazu soll im Jahr 2028 ein leistungsfähiges
Röntgenteleskop und sechs Jahre später ein fortschrittliches
Gravitationswellenobservatorium gestartet werden.
Die Untersuchung
von Galaxien mit aktiven Schwarzen Löchern im
Zentrum liefert wichtige Informationen über
Entwicklung und Wachstum von Galaxien.
Bild: ESA/AOES Medialab |
Große Raumfahrtmissionen erfordern eine lange Vorbereitungszeit und so müssen
schon heute erste Entscheidungen über Missionen fallen, die erst Ende des
kommenden Jahrzehnts oder sogar erst Mitte der 2030er Jahre gestartet werden
sollen. Für die europäische Weltraumagentur ESA war der erste Schritt auf diesem
Weg die Festlegung von zwei wissenschaftlichen Themenbereichen, die mit diesen
Missionen erforscht werden sollen.
Im März 2013 hatte die ESA daher einen Aufruf zur Einreichung von
Themenvorschlägen für die nächsten anstehenden großen Missionen im Rahmen des
europäischen Langzeitprogramms Cosmic Vision publiziert. Aus den
zahlreichen Einsendungen suchte nun ein Gutachtergremium zwei Themenfelder
heraus. Die Wahl fiel auf "das heiße und energetische Universum" sowie das "gravitative
Universum".
"Es war nicht einfach, sich angesichts der zahlreichen ausgezeichneten
Vorschläge für zwei wissenschaftliche Themen zu entscheiden", so Catherine
Cesarsky, die Vorsitzende des Gremiums. "Wir glauben aber, dass Missionen, die
das heiße und energetische Universum sowie Gravitationswellen untersuchen, zu
Entdeckungen führen werden, die von größter Bedeutung für die Kosmologie, die
Astrophysik und die Physik allgemein sind."
Zu diesem Zweck dürfte zunächst wohl ein fortschrittliches Röntgenobservatorium gebaut
werden, dessen Start für 2028 vorgesehen ist. Dieses soll vor allen die Fragen
klären, wieso sich normale Materie zu den Galaxien und Galaxienhaufen
zusammengefunden hat, die wir heute beobachten und wie Schwarze Löcher wachsen
und ihre Umgebung beeinflussen.
Zur Erforschung von Gravitationswellen, also jenen geheimnisvollen Kräuselungen
in der Raumzeit, die von Albert Einstein vorhergesagt wurden, bislang aber nur
indirekt nachgewiesen werden konnten, soll schließlich 2034 ein
Gravitationswellenobservatorium gestartet werden, von dem sich die Astronomen
einen ganz neuen Blick ins Universum erhoffen. Gravitationswellen sollten
beispielsweise bei der Verschmelzung von Schwarzen Löchern entstehen.
Ein fortschrittliches Röntgenobservatorium und ein Gravitationswellendetektor im
Weltraum? Das mag all denjenigen irgendwie bekannt vorkommen, die in den letzten
Jahren verfolgt haben, welche Missionskonzepte sich bei früheren
Auswahlverfahren erfolglos um die begehrten europäischen Startmöglichkeiten
beworben hatten. Da ist zum Beispiel das Advanced Telescope for High ENergy
Astrophysics (ATHENA), ein Röntgenteleskop, das einst aus dem
International X-ray Observatory (IXO) hervorgegangen ist und 2012 bei der
Bewerbung um einen Startplatz im Jahr 2022 gegen den Jupiter Icy Moons
Explorer (JUICE) unterlag (astronews.com berichtete).
Der andere damals gegen JUICE unterlegene Kandidat war das New Gravitational
wave Observatory (NGO), das selbst wiederum aus dem weltraumbasierten
Gravitationswellen-Detektor LISA hervorgegangen war, der ursprünglich zusammen
mit der NASA realisiert werden sollte. Das damalige Team beschäftigt sich im
Rahmen des eLISA-Konsortiums weiterhin mit der Entwicklung eines
weltraumbasierten Gravitationswellendetektors. 2015 ist mit LISA Pathfinder
der Start einer Sonde geplant, mit der wichtige Schlüsseltechnologien für
eine solche Mission im Weltraum getestet werden sollen.
Entsprechend groß ist die Freunde beim eLISA-Team über die heutige
ESA-Entscheidung: "Wir sind sehr glücklich über diese Entscheidung. Sie bietet
uns revolutionäre Forschungsmöglichkeiten in der Astrophysik und in der
Grundlagenphysik," so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) und
Professor an der Leibniz Universität Hannover. "Wir werden sofort beginnen, die
bereits für eLISA entwickelten Technologien weiter zu optimieren. Schon
2015 werden wir diese Schlüsseltechnologien während der ESA-Mission LISA
Pathfinder im Weltraum testen." Danzmann ist der nominierter Sprecher der
eLISA-Mission.
Zunächst wurden von der ESA jedoch nur die Themen für die Missionen der Jahre
2028 und 2034 festgelegt. Ein Aufruf zum Einreichen konkreter Missionsvorschläge
zum Thema "heißes und energiereiches Universum" wird im Frühjahr des kommenden Jahres
erwartet. Aus
den eingereichten Konzepten wird dann die endgültige Mission ausgewählt. Zum
Thema des
Starts im Jahr 2034 wird es zu einem späteren Zeitpunkt ein entsprechendes
Auswahlverfahren geben. Das Team von eLISA, das sich bereits seit
Jahren mit der Entwicklung einer Gravitationswellen-Mission beschäftigt, dürfte
dabei jedoch vermutlich beste Chancen haben.
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