JUICE soll Jupitermonde erforschen
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
3. Mai 2012
Europa zieht es ins Jupitersystem: Mit dem Jupiter Icy Moons
Explorer, kurz JUICE, will die europäische Weltraumagentur ESA ab
2030 die großen Eismonde des Gasriesen Jupiter erforschen. Damit
entschied sich die ESA zunächst gegen den Start eines Teleskops für
Hochenergie-Astrophysik und auch gegen die europäische Version des
weltraumgestützten Gravitationswellendetektors LISA.

JUICE soll ab 2030 die großen Monde des
Gasriesen Jupiter erforschen.
Bild: ESA / AOES |
Schwerpunkt von Europas nächster großer Wissenschaftsmission sollen die
Eismonde des Jupiter werden. Diese Entscheidung gab die ESA gestern
bekannt. Der "JUpiter ICy moons Explorer", kurz JUICE, konnte sich damit
gegen zwei andere Missionen durchsetzen, die es auch in die Endrunde des
Auswahlverfahrens geschafft hatten: gegen das
Gravitationswellen-Observatorium NGO (New Gravitational wave
Observatory) und das Teleskop für Hochenergie-Astrophysik ATHENA (Advanced
Telescope for High-Energy Astrophysics).
JUICE ist damit die erste große Wissenschaftsmission des ESA-Programms
Cosmic Vision 2015-2025. Nach den derzeitigen Planungen soll
die Sonde 2022 mit einer Trägerrakete vom Typ Ariane 5 von
Europas Raumflughafen in Kourou in Französisch-Guayana aus gestartet
werden. Sie wird den Jupiter dann im Jahr 2030 erreichen und dort über
einen Zeitraum von mindestens drei Jahren detaillierte Beobachtungen
durchführen.
Die Galileischen Monde des Jupiter, also der vulkanische Mond Io, der
Eismond Europa und die aus Gestein und Eis bestehenden Monde Ganymed und
Kallisto, machen das Jupiter-System zu einem eigenen
Miniatur-Sonnensystem. Astronomen gehen davon aus, dass Europa, Ganymed
und Kallisto unter ihrer Oberfläche Ozeane beherbergen. Ziel der Mission
ist daher die Untersuchung der Monde als potenzielle Lebensräume, womit
zwei Schlüsselfragen des Programms Cosmic Vision im Vordergrund
stehen sollen: Welches sind die Voraussetzungen für die Entstehung von
Planeten und von Leben, und wie funktioniert das Sonnensystem?
JUICE wird eine ständige Beobachtung der Atmosphäre und der
Magnetosphäre des Jupiter sowie der Wechselwirkungen der Galileischen
Monde mit dem Gasriesen vornehmen. Die Sonde wird Kallisto, das
kraterreichste Objekt des Sonnensystems, einen Besuch abstatten und
zweimal an Europa vorbeifliegen. Dabei wird JUICE die ersten Messungen
der Dicke von Europas Eiskruste vornehmen und dabei auch Daten liefern,
die für die Suche nach geeigneten Standorten für künftige Untersuchungen
vor Ort dienen könnten.
Im Jahr 2032 schließlich wird die Raumsonde in eine Umlaufbahn um
Ganymed einschwenken und die Eisoberfläche und interne Struktur dieses
Mondes einschließlich seines unter der Oberfläche vermuteten Ozeans
erforschen. Ganymed ist der einzige Mond des Sonnensystems, von dem
bekannt ist, dass er sein eigenes Magnetfeld erzeugt, weswegen eine
gründliche Beobachtung der Wechselwirkungen mit der Magnetosphäre des
Jupiter geplant ist.
"Jupiter ist der Archetyp der Riesenplaneten des Sonnensystems und
zahlreicher andere Sterne umkreisender Riesenplaneten", so Professor
Alvaro Giménez Cañete, der Direktor der ESA für Wissenschaft und
robotische Exploration. "JUICE wird uns einen besseren Einblick in die
Entstehung von Gasriesen und ihrer Trabanten sowie in ihr Potenzial für
die Beherbergung von Lebensformen geben."
Ursprünglich wollte die ESA gemeinsam mit der NASA das Jupitersystem
erkunden (astronews.com berichtete). Diese Europa Jupiter System
Mission sollte aus zwei Sonden bestehen, wobei die NASA für den
Jupiter Europa Orbiter und die ESA für den Jupiter Ganymede
Orbiter verantwortlich sein sollte. Als sich aber im vergangenen
Jahr abzeichnete, dass im NASA-Haushalt kaum ausreichend Geldmittel zur
Verfügung stehen würden, um diese gemeinsame Mission im vorgesehenen
Zeitrahmen realisieren zu können, setzte man bei der ESA wieder auf
einen Alleingang: Das Ergebnis war JUICE, eine modifizierte Variante des
Jupiter Ganymede Orbiter.
Mit der gestrigen Bekanntgabe der Ergebnisse endet ein Verfahren, das
2004 mit dem Aufruf der ESA an die Wissenschaft begann, Europas
Explorationsziele für das kommende Jahrzehnt festzulegen. Das daraus
entstandene Programm Cosmic Vision 2015-2025 umfasst folgende
vier wissenschaftliche Fragen: Welches sind die Voraussetzungen für die
Entstehung von Leben und von Planeten? Wie funktioniert das
Sonnensystem? Welches sind die grundlegenden Gesetze des Universums? Wie
entstand das Universum, und woraus besteht es?
2007 wurde ein Aufruf zur Einreichung von Missionsvorschlägen rund um
diese Fragen herausgegeben, auf den hin eine Reihe möglicher Missionen
der größten Kategorie L geprüft wurde. "Aus drei hervorragenden
Kandidaten eine Mission auszuwählen war eine schwierige Entscheidung.
Alle drei versprachen wissenschaftliche Forschung von Weltklasse und
würden Europa einen Spitzenplatz in der Weltraumforschung sichern", ist
Cañete überzeugt. "JUICE ist eine notwendige Etappe im Hinblick auf die
weitere Erforschung unseres äußeren Sonnensystems."
In seinem Beschluss hat der ESA-Ausschuss für das wissenschaftliche
Programm auch den hohen wissenschaftlichen Wert der Missionen NGO und
ATHENA hervorgehoben. Die Technologiearbeiten für beide Missionen sollen
daher fortgesetzt werden, so dass sie als Kandidaten für künftige
Startgelegenheiten erneut in Betracht gezogen werden können. Für das
kommende Jahr ist ein zweiter Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen für
große Missionen vorgesehen.
Besonders für das Team um das New Gravitational wave Observatory
(NGO) dürfte die ESA-Entscheidung ein Enttäuschung sein. Hinter dem
Konzept steht nämlich der schon länger geplante weltraumbasierte
Gravitationswellen-Detektor LISA, der auch ursprünglich einmal gemeinsam
mit der NASA verwirklicht werden sollte. Die amerikanische
Weltraumbehörde hatte sich im vergangenen Jahr überraschend aus dem
Projekt zurückgezogen (astronews.com berichtete). Das Vorhaben wurde von
den europäischen Partnern dann so überarbeitet, dass es sich als rein
europäische Mission realisieren lässt.
"Die Entscheidung der ESA kam nach all den Diskussionen der letzten
Wochen nicht unerwartet", so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und am Institut für
Gravitationsphysik der Leibniz-Universität in Hannover, der gleichzeitig
auch Vorsitzender des LISA International Science Teams ist.
"Wir lassen uns dadurch aber nicht entmutigen, weil das Komitee
einstimmig betont hat, dass unser Missionsvorschlag vom
wissenschaftlichen Wert her an erster Stelle steht. Wir werden nun unser
Technologieprogramm fortsetzen, um weitere mögliche Missionsrisiken zu
verringern. Mit der LISA Pathfinder-Mission im Jahr 2014 können
wir dann zeigen, dass die Schlüsseltechnologien des NGO wie erwartet und
zuverlässig funktionieren. Beim nächsten Auswahlverfahren 2015 wird man
dann nicht am NGO vorbeikommen."
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