Riskanter Außenbord-Einsatz am Wochenende
von Stefan Deiters astronews.com
2. November 2007
Die NASA will am Sonnabend bei einem aufwendigen und nicht
ungefährlichen Außenbordeinsatz das eingerissene Sonnensegel der ISS reparieren.
Astronaut Scott Parazynski wird dabei am Ende eines zusätzlich verlängerten
Roboterarms befestigt sein, um so die defekte Stelle zu erreichen. Er wird dann
weiter von der ISS-Luftschleuse entfernt sein als jeder andere Astronaut vor
ihm.
Missionsspezialist Scott Parazynski soll am
Sonnabend ein Sonnensegel der ISS reparieren
(künstlerische Darstellung).
Bild: NASA [Großansicht] |
Der Missionsspezialist Scott Parazynski, der früher einmal als Mediziner in der
Notaufnahme gearbeitet hat, ist inzwischen einer der erfahrensten
Weltraumarbeiter, den die NASA zur Verfügung hat. Diese Erfahrung wird
Parazynski wohl auch brauchen, denn das was für seinen Weltraumeinsatz am
Sonnabendnachmittag geplant ist, konnte zuvor nicht geprobt werden und erfordert
vermutlich einiges an Improvisationstalent.
NASA-Spezialisten haben seit Entdeckung der Beschädigung des Sonnensegels (astronews.com
berichtete) fieberhaft nach einer Lösung gesucht, wie das Sonnensegel, das
derzeit nur zu 80 Prozent ausgefahren ist, komplett gespannt und damit
stabilisiert werden kann. In seinem jetzigen Zustand können die Segel nicht
gedreht werden und drohen außerdem weiteren Schaden zu nehmen.
Das größte Problem für die NASA ist, dass das schadhafte Sonnensegel sich
ganz am Ende der Station befindet und selbst der fahrbare Roboterarm der ISS
nicht lang genug ist, um einen Astronauten zu unterstützen, der direkt an der
schadhaften Stelle arbeitet. Die NASA plant deswegen - und hat heute schon mit
entsprechenden Vorarbeiten begonnen - den Roboterarm der Station mit dem
Ausleger zu verlängern, den die Discovery zum Absuchen des Hitzeschutzschildes
verwendet. Mit seinem Füssen wird Parazynski am Ende dieses Auslegers befestigt
sein, um so langsam zum Sonnensegel bugsiert zu werden.
Ist das gelungen, befindet sich der Astronaut weiter von der Luftschleuse der
ISS entfernt als jeder andere Astronaut vor ihm. Die Anzüge der NASA verfügen
über eine kleine Notfall-Luftreserve, die in Anspruch genommen werden kann, wenn
die regulären Systeme des Anzugs versagen. Normallerweise, so die Richtlinien,
sollten sich Astronauten nur so weit von der Luftschleuse entfernen, dass sie
diese innerhalb von 30 Minuten wieder erreichen können. Das dürfte für
Parazynski nicht möglich sein. Es würde eben Situationen geben, so ein
NASA-Vertreter gestern, wo man einmal ein etwas höheres Risiko in Kauf nehmen
müsste, um eine wichtige Reparatur durchzuführen - und dies sei halt so ein Fall.
Wenn Parazynski die schadhafte Stelle erreicht hat, wird er versuchen, ein
komplettes Entfalten des Sonnensegels zu ermöglichen. Die NASA-Experten
vermuten, dass sich bei dem Segel ein Führungsdraht irgendwie verhakt hat. Genau wissen die Fachleute
aber noch nicht, was das Problem verursacht hat und so wird Parazynskis erste Aufgabe sein, den Technikern zunächst eine genau
Beschreibung der Situation zu liefern.
Er wird zudem Instrumente dabei haben, um gewisse Reparaturen gleich
durchführen: So könnte es nötig werden einen Führungsdraht zu zerschneiden, um
Spannung zu lösen und Elemente mit Klemmen neu zu verbinden. Dabei muss Parazynski jedoch aufpassen nicht mit irgendwelchen stromführenden Teilen des
Sonnensegels in Berührung zu kommen. Alle Werkzeuge, die der Astronaut bei sich
hat, wurden so gut es möglich ist isoliert. Der Arbeitseinsatz soll morgen um
11.28 Uhr MEZ beginnen und rund sechs Stunden dauern.
Das volle Ausfahren des Sonnensegels und die damit verbundene Stabilisierung
würde dann auch wieder die Ausrichtung des Segels zu Sonne ermöglichen. Das ist
entscheidend für die Energieversorgung an Bord, da schon ein anderes Sonnensegel
wegen eines fehlerhaften Gelenks stillgelegt wurde (astronews.com berichtete).
Die Energieversorgung an Bord der ISS ist für künftige Erweiterungen
wichtig, die in den nächsten Monaten anstehen: So soll im Dezember das
europäische Weltraumlabor Columbus an die ISS andocken. In der ersten
Jahreshälfte des kommenden Jahres ist die Ankunft zweier japanischer
Wissenschaftsmodule geplant.
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