Riss in Sonnensegel macht NASA Sorgen
von Stefan Deiters astronews.com
31. Oktober 2007
Zunächst schien alles nach Plan zu verlaufen: Während des
dritten Außenbord-Einsatzes wurde gestern ein Strukturelement mit Sonnensegeln
an seinem endgültigen Bestimmungsort montiert. Beim Entfalten der Sonnensegel
aber entstand ein Riss in einem der Segel. Es ist derzeit nur zu 80
Prozent ausgefahren und kann nicht ausgerichtet werden. Die Energie der
Sonnensegel wird dringend benötigt, da es auch Probleme mit einem weiteren
Sonnensegel gibt.
Der Riss an einem der Sonnensegel der ISS.
Bild: NASA TV |
Eigentlich hat die NASA zur Zeit schon genug Sorgen mit Sonnensegeln: Erst am
Wochenende war in dem Gelenk eines Sonnensegels metallischer Abrieb entdeckt
worden. Die Weltraumbehörde entschied daher, das Sonnensegel zunächst möglichst
nicht weiter zu bewegen und damit auf eine exakte Ausrichtung des Segels zur
Sonne zu verzichten. Man hätte, so zeigte sich die NASA noch gestern überzeugt,
ausreichend Energie für das europäische Weltraummodul Columbus, das im
Dezember an die ISS andocken soll. Dabei wies die NASA auf die Sonnensegel hin,
die gestern an ihren endgültigen Platz gebracht und dann entfaltet werden
sollten.
Doch die Ereignisse des gestrigen Abends könnten diese Zuversicht nun
erschüttern: Die Astronauten Scott Parazynski und Doug Wheelock montierten zwar
in einem ohne Probleme verlaufenden Außenbord-Einsatz das P6-Segment mit den
Sonnensegeln an seinem endgültigen Platz. Doch als man sich schon über einen
erfolgreichen Tag freuen wollte, kam es zu unerwarteten Problemen: Ein Paar
Sonnensegel wurde zwar problemlos entfaltet, beim Entfalten des zweiten Paars
gab es aber Schwierigkeiten, so dass der Vorgang abgebrochen werden musste.
Die Astronauten entdeckten einen Riss im Sonnensegel, das etwa zu 80 Prozent
entfaltet ist. Schon beim Zusammenfalten dieses Sonnensegel bei einer früheren
Mission hatte es Probleme gegeben. Zur Zeit, so die NASA, würde das Segel
lediglich drei Prozent weniger Energie liefern als zu erwarten wäre, wenn es
vollkommen ausgefahren ist. Das Einreißen des Segels beim Entfalten wurde erst
so spät entdeckt, weil der Bereich aus einem Blickwinkel durch den
Roboterarm der Station verdeckt war und aus einer zweiten Überwachungsposition
die Sonne sehr ungünstig stand.
"Das wird einige Zeit dauern und wir müssen erst einmal gründlich nachdenken,
was jetzt zu tun ist", beurteilte Mike Suffredini, ISS-Programmmanager am
Johnson Space Center in Houston den Schaden. Positiv sei, dass offenbar die
elektrischen Leitungen nicht beschädigt worden wären.
Eigentlich sollte es auf der bereits um einen Tag verlängerten Mission noch zwei
Arbeitseinsätze im All geben: Einen am Donnerstag, bei dem ein Problem mit dem
Gelenk eines anderen Sonnensegels untersucht (astronews.com berichtete) und
einen letzten am Sonnabend, bei dem weiter am neu installierten Harmony-Modul
gearbeitet werden soll. Ob sich durch die Ereignisse des gestrigen Abends hier
Änderungen ergeben, bleibt abzuwarten.
Das größte Problem für die NASA dürfte sein, dass sich das gerissene Sonnensegel
so weit außerhalb befindet, dass es ein Astronaut, selbst mit Hilfe des
Roboterarm der Station, nicht erreichen kann. Es müsste also wieder
zusammengefaltet werden. Es wurde aber auch schon spekuliert, ob man eventuell
den Ausleger, den man im Shuttle zur Inspektion des Hitzeschutzschildes nutzt,
mit dem Roboterarm der Station kombinieren kann. Dies würde es einem Astronauten
ermöglichen den Schaden direkt zu begutachten.
Solange das Sonnensegel nicht komplett entfaltet ist, kann es auch nicht gedreht
und zur Sonne ausgerichtet werden, was eine geringere Energieausbeute bedeutet.
Dies ist besonders deswegen ein Problem, weil auch ein anderes Sonnensegel nicht
mehr ausgerichtet werden kann. Bei diesem wurde, wie berichtet, am Sonntag ein
metallischer Abrieb in einem Gelenk entdeckt. Bei einer Inspektion des Gelenks
des fehlerfrei arbeitenden Sonnensegels während des gestrigen
Außenbord-Einsatzes war dort einerlei Abrieb gefunden worden.
Die Energieversorgung an Bord der ISS ist vor allem für die Erweiterungen
wichtig, die in den nächsten Monaten anstehen: So soll im Dezember das
europäische Weltraumlabor Columbus an die ISS andocken. In der ersten
Jahreshälfte des kommenden Jahres ist die Ankunft zweier japanischer
Wissenschaftsmodule geplant.
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