Protonen stabilisieren "nukleare Pasta" im Inneren von Neutronensternen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Darmstadt astronews.com
9. Juli 2024
Das Innere von Neutronensternen ist deutlich exotischer als
sich die meisten Menschen vorstellen dürften. So könnten sich hier Protonen und
Neutronen zu Platten und Fäden verformen und eine Art "nukleare Pasta" bilden.
Neue Berechnungen zeigen nun, wie aus dem Atomkern herausfließende Protonen
diese Pasta stabilisieren können.
Künstlerische
Darstellung eines Neutronensterns mit seinem
Magnetfeld.
Bild: ESA / ATG [Großansicht] |
Es sind extreme und rätselhafte Himmelskörper, in die Astrophysiker nicht
hineinsehen können: Neutronensterne. Mit einem Radius von etwa zwölf Kilometern
haben sie zum Teil mehr als die doppelte Masse der Sonne. In ihnen ist die
Materie bis zu fünfmal so dicht gepackt wie in einem Atomkern – neben Schwarzen
Löchern sind sie die dichtesten Objekte im Weltall. Unter den extremen
Bedingungen kann Materie exotische Zustände annehmen. Eine Hypothese ist, dass
sich die Bausteine der Atomkerne - Protonen und Neutronen - zu Platten und Fäden
verformen, ähnlich wie Lasagne oder Spaghetti, weshalb Fachleute auch von
"nuklearer Pasta" sprechen. Forschende des Fachbereichs Physik der TU Darmstadt
und des Niels-Bohr-Instituts in Kopenhagen haben nun den Zustand der Kernmaterie
in der inneren Kruste von Neutronensternen mithilfe eines neuen theoretischen
Ansatzes untersucht. Sie zeigten, dass dort nicht nur Neutronen, sondern auch
Protonen aus Atomkernen "herausfließen" und die "nukleare Pasta" stabilisieren
können.
Neutronensterne entstehen, wenn massereiche Sterne in einer Supernova
explodieren: Während die äußere Hülle des Sterns ins All geschleudert wird,
kollabiert sein Inneres. Durch die massive Gravitationskraft werden die Atome
regelrecht zerquetscht. Die negativ geladenen Elektronen werden trotz ihrer
Abstoßung so dicht an die positiv geladenen Protonen im Atomkern gepresst, dass
sich in Neutronen umwandeln. Die starke Kernkraft verhindert dann den weiteren
Kollaps. Am Ende entsteht ein Himmelskörper, der zu etwa 95 Prozent aus
Neutronen und zu fünf Prozent aus Protonen besteht, eben ein "Neutronenstern".
Die Darmstädter Forschenden um Achim Schwenk sind Experten für theoretische
Kernphysik, wobei Neutronensterne zu ihren wichtigsten Forschungsobjekten
gehören. In der jetzt vorgestellten Studie haben sie sich mit der Kruste dieser
extremen Himmelskörper beschäftigt. In der äußeren Kruste ist die Materie bei
weitem nicht so dicht wie im Inneren und es existieren noch Atomkerne. Mit
zunehmender Dichte kommt es in den Atomkernen bereits zu einem
Neutronenüberschuss. Die Neutronen "tropfen" aus den Kernen heraus, ein
Phänomen, das als "neutron drip" bezeichnet wird. Die Atomkerne "schwimmen" also
in einer Art Soße aus Neutronen.
"Wir haben uns gefragt, ob neben Neutronen auch Protonen aus den Kernen
tropfen", sagt Schwenk. "Die Literatur war in dieser Frage nicht eindeutig." Das
Team mit Jonas Keller und Kai Hebeler von der TU Darmstadt und Christopher
Pethick vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen hat den Zustand der Kernmaterie
unter den Bedingungen in der Neutronenstern-Kruste neu berechnet. Anders als
bisher berechneten sie deren Energie als Funktion des Protonenanteils. Außerdem
bezogen sie nicht nur die Wechselwirkungen zwischen jeweils zwei Kernbausteinen
in ihre Rechnungen ein, sondern auch die zwischen drei Nukleonen.
Die Methode war erfolgreich: Die Forschenden konnten zeigen, dass auch
Protonen in der inneren Kruste aus den Atomkernen herausfließen. Der "proton
drip" existiert also. Diese aus Protonen bestehende Phase koexistiert im
Gleichgewicht mit den Neutronen. "Wir konnten auch zeigen, dass diese Phase das
Phänomen von 'nuklearer Pasta' begünstigt", sagt Schwenk. Dank der in die "Soße"
eingestreuten Protonen können die Nukleonen in Spaghetti- und Lasagne-Formen
besser existieren. Damit konnte das Team das Bild der Kernmaterie in der Kruste
von Neutronensternen verfeinern. "Je besser wir Neutronensterne beschreiben
können, desto mehr können wir mit Beobachtungen dieser Himmelskörper
vergleichen", sagt Schwenk.
Neutronensterne sind astrophysikalisch schwer zu fassen. Zum Beispiel kennt
man ihren sehr kleinen Radius nicht aus direkter Beobachtung, sondern aus
indirekten Nachweisen, etwa ihrer Gravitationswirkung auf andere
Neutronensterne. Andere Phänomene, wie die pulsierende Radiostrahlung von
Neutronensternen, können jedoch beobachtet werden. Das Ergebnis des Teams
verbessert das theoretische Verständnis von Neutronensternen und könnte dazu
beitragen, aus astrophysikalischen Messungen neue Erkenntnisse über diese
faszinierenden Objekte zu gewinnen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in der Fachzeitschrift Physical
Review Letters.
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