Die Materie im Inneren von Neutronensternen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Bergischen Universität Wuppertal astronews.com
18. Dezember 2018
Neutronensterne sind faszinierende Objekte: Einen Fingerhut
ihrer Materie wäre von keinem Menschen zu bewegen, in ihrem Inneren herrschen
extreme Bedingungen. Doch was bedeutet dies für den Zustand der Kernmaterie?
Antworten darauf soll ein Experiment liefern, das für den Teilchenbeschleuniger
FAIR geplant ist, der gerade in Darmstadt gebaut wird.

Künstlerische Darstellung eines Pulsars,
also eines schnell rotierenden Neutronensterns.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Wie verhalten sich Atomkerne unter extremen Bedingungen, so wie sie
beispielsweise im Inneren von Neutronensternen herrschen? Aus alltäglicher
Erfahrung wissen wir, dass beispielsweise Wasser in verschiedenen Phasen
auftreten kann – als Wasserdampf, Eis oder flüssiges Wasser. Gilt dies in
ähnlicher Form auch für Kernmaterie? Gibt es neben dem sogenannten "Quark-Gluon-Plasma",
welches entsteht, wenn Kernmaterie stark erhitzt wird, weitere
Erscheinungsformen? Und wo liegen die Phasenübergänge zwischen diesen
Zustandsformen?
Dies sind nur einige der Fragestellungen, die im Rahmen des im Aufbau
befindlichen CBM (Compressed Baryonic Matter) Experiments am zukünftigen
Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt untersucht werden sollen.
Neutronensterne sind die Überreste von gewaltigen Sternexplosionen, sogenannten
Supernovae. Bei einem Radius von nur zehn Kilometern beinhalten sie so viel
Masse wie ein bis drei Sonnen.
"Ein Fingerhut Neutronensternmaterie würde somit etwa so viel wiegen wie ein
Eisenwürfel von 700 Metern Kantenlänge. Welche Zustände und Materieformen
hierbei vorherrschen, können wir bestenfalls erahnen", erläutert Prof. Dr.
Karl-Heinz Kampert. "Diese unter kontrollierten Bedingungen nachzubilden und zu
vermessen, ist ein Ziel des CBM-Experiments", ergänzt der Wissenschaftler der
Bergischen Universität. Seine Arbeitsgruppe Astroteilchenphysik ist für den
Aufbau einer zentralen Komponente des CBM RICH Detektors verantwortlich: einer
70-tausendfach pixelierten Photonenkamera, die pro Sekunde bis zu zehn Millionen
Kollisionen hochenergetischer Gold-Kerne aufzeichnen kann.
"In den vergangenen Jahren konnten alle wesentlichen Entwicklungsarbeiten für
den Aufbau des Detektors erfolgreich abgeschlossen werden. Eine aktuelle
Förderung durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) in Höhe von 1,35
Millionen Euro ermöglicht uns nun, die Früchte der Arbeit der vergangenen Jahre
zu ernten und den Detektor in den kommenden drei Jahren aufzubauen", so Dr.
Christian Pauly, Teilprojektleiter der Arbeitsgruppe.
Strategien zur Analyse der erwarteten Messdaten – beginnend von der
Identifikation geeigneter Beobachtungsgrößen bis hin zum Vergleich mit
theoretischen Vorhersagen – werden von Prof. Dr. Zoltan Fodor, Prof. Dr. Kalman
Szabo und ihren Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Theoretische Teilchenphysik
erarbeitet. Die grundlegende Theorie der einzelnen Nukleonen ist im Prinzip
schon bekannt, wie die Arbeitsgruppe etwa durch die promillegenaue Berechnung
der Masse des Protons und Neutrons durch Simulationen auf
Höchstleistungsrechnern unter Beweis stellen konnte.
Auch bei den extremen Temperaturen im Teilchenbeschleuniger hat sich die
numerische Methodik bewährt, wie aus dem Vergleich mit Daten des Large
Hadron Collider (LHC) festgestellt werden konnte. "Die größte
Herausforderung ist nun die Verallgemeinerung der Lösungsstrategie für die
Dichten, die im CBM Experiment erreicht werden", erläutert Fodor. Und Szabo
ergänzt: "Die Zustandsgleichung bei hohen Dichten zu bestimmen ist eine der
schwierigsten Aufgaben der Theorie. Kombiniert man diese Ergebnisse mit der
allgemeinen Relativitätstheorie, können wir die Radien von Neutronensternen
aufgrund ihrer Massen bestimmen und sogar die maximale Masse vorhersagen."
Bis zum Start des CBM-Experiments und der Überprüfung der theoretischen
Vorhersagen im Jahr 2024 wird es jedoch noch etwas dauern. Neben dem
CBM-Experiment ist die Arbeitsgruppe von Prof. Kampert daher auch am bereits
existierenden Vorläufer-Experiment HADES an der Gesellschaft für
Schwerionenforschung (GSI) beteiligt und hier ebenfalls für den RICH
Photon-Detektor verantwortlich.
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