Harter oder weicher Kern und Radius von zwölf Kilometern
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Frankfürt astronews.com
22. November 2022
Mithilfe einer riesigen Anzahl von numerischen
Modellrechnungen ist es gelungen, allgemeine Erkenntnisse über die extrem dichte
innere Struktur von Neutronensternen zu erlangen: Abhängig von ihrer Masse haben
diese Sterne entweder einen weichen oder harten Kern. Zudem dürften sie alle
einen Radius von rund zwölf Kilometern aufweisen.
Die Untersuchung der Schallgeschwindigkeit
hat ergeben, dass schwere Neutronensterne eine
harte Hülle und einen weichen Kern haben, während
leichte Neutronensterne eine weiche Hülle und
einen harten Kern haben - so wie unterschiedliche
Schokoladenpralinen.
Bild: Peter Kiefer & Luciano Rezzolla[Großansicht] |
Bislang ist wenig über das Innere von Neutronensternen bekannt, jene extrem
kompakten Objekte, die nach dem "Tod" eines Sterns entstehen können: Die Masse
unserer Sonne oder sogar mehr ist bei Neutronensternen zusammengepresst auf eine
Kugel mit dem Durchmesser einer Großstadt. Trotz jahrzehntelanger theoretischer
und experimenteller Bemühungen seit ihrer Entdeckung vor mehr als 60 Jahren ist
der innere Aufbau dieser Objekte noch zum größten Teil unbekannt.
Die größte Herausforderung dabei ist es, die extremen Bedingungen im Inneren
dieser Sterne zu simulieren, weil diese nicht unter Laborbedingungen auf der
Erde nachgestellt werden können. Deshalb existieren zurzeit viele
unterschiedliche mathematische Modelle, die versuchen, die Struktur von
Neutronensternen – von der Oberfläche bis hin zum inneren Kern – mithilfe
sogenannter Zustandsgleichungen zu beschreiben. Physikern der Goethe-Universität
Frankfurt ist es nun gelungen, dem Puzzle um das Innere dieser Sterne ein
wichtiges Teil hinzuzufügen. Im Arbeitskreis von Prof. Luciano Rezzolla am
Institut für Theoretische Physik haben Forscher nun mehr als eine Million dieser
Zustandsgleichungen konstruiert, von denen jede einzelne mit allen
astrophysikalischen Messungen von Neutronensternen und bekannten Ergebnissen aus
der Kernphysik übereinstimmen.
Bei der Analyse dieser riesigen Anzahl von Zustandsgleichungen machten die
Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: "Leichte" Neutronensterne (mit
einer Masse kleiner als die 1,7-fache Sonnenmasse) haben einen weiche äußere
Hülle und einen harten Kern, wohingegen "schwere" Sterne (mit einer Masse größer
als die 1,7-fache Sonnenmasse) eine harte Hülle, aber einen weichen Kern
besitzen. "Das ist ein außerordentlich interessantes Ergebnis, weil es darüber
Aufschluss gibt, wie komprimierbar der Kern eines Neutronensterns sein kann",
sagt Rezzolla.
"Neutronensterne verhalten sich scheinbar ähnlich wie Schokopralinen: Leichte
Sterne ähneln dabei Pralinen mit einer harten Nuss umhüllt von weicher
Schokolade", vergleicht Rezzolla. "Schwere Sterne sind hingegen eher wie
Pralinen mit einer harten Hülle aus Schokolade und einer cremig weichen
Füllung."
Eine wichtige Rolle in ihrer Analyse spielte dabei die Schallgeschwindigkeit
in dichter Materie, welche der Bachelorstudent Sinan Altiparmak in seiner
Abschlussarbeit ausführlich erforscht hat. Diese Größe beschreibt, wie schnell
sich Schallwellen in Materie ausbreiten. Ihr Wert hängt davon ab, wie hart oder
weich das Medium ist. Schallgeschwindigkeitsmessungen werden beispielsweise dazu
verwendet, den inneren Aufbau unseres Planeten zu bestimmen und Erdölvorkommen
ausfindig zu machen.
Den Physikern ist es außerdem gelungen weitere, bis dato unbekannte
Eigenschaften von Neutronensternen zu enthüllen. Sie konnten zum Beispiel
zeigen, dass Neutronensterne mit hoher Wahrscheinlichkeit und unabhängig von
ihrer Masse einen Radius von nur zwölf Kilometern besitzen. "Unsere
allumfassende numerische Studie hat uns nicht nur ermöglicht, präzise
Vorhersagen für die Radien und die maximale Masse von Neutronensternen zu
machen, sondern auch neue Grenzwerte für deren Verformbarkeit durch
Gezeitenkräfte in Binärsystemen zu berechnen", so Dr. Christian Ecker. "Diese
Erkenntnisse werden eine besonders wichtige Rolle dabei spielen, die zurzeit
unbekannte Zustandsgleichung mit zukünftigen Gravitationswellenmessungen von
Neutronensternkollisionen genauer zu bestimmen."
Die Ergebnisse des Teams wurden in zwei Fachartikeln veröffentlicht, die in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen sind.
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Sinan
Altiparmak, S. et al. (2022): On the Sound Speed in Neutron Stars,
ApJL, 939, L34
Ecker, C. und Rezzolla, L. (2022): A General, Scale-independent
Description of the Sound Speed in Neutron Stars, ApJL, 939, L35
Universität Frankfurt
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