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Zwei der frühesten Bausteine der Milchstraße identifiziert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
21. März 2024
Mithilfe der ESA-Mission Gaia und der
SDSS-Durchmusterung wurden zwei der frühesten Bausteine der Milchstraße identifiziert:
Es handelt sich dabei um die Überreste zweier Galaxien, die vor zwölf bis 13 Milliarden Jahren mit einer frühen
Version der Milchstraße verschmolzen sind und so zum frühen Wachstum unserer
Heimatgalaxie beitrugen.
Eine Visualisierung der Milchstraße. Die
Sterne, die Khyati Malhan und Hans-Walter Rix im Gaia
DR3-Datensatz als zu Shiva und Shakti gehörig identifiziert
haben, sind als farbige Punkte dargestellt: Shiva-Sterne in
grün und Shakti-Sterne in rosa. Dass einige Bereiche der
Milchstraße vollkommen frei von den grünen und rosa
Markierungen sind, bedeutet nicht, dass es dort keine Sterne
von Shiva oder Shakti gibt. Der für diese Studie verwendete
Datensatz deckt nämlich nur bestimmte Regionen innerhalb
unserer Galaxie ab.
Bild: S. Payne-Wardenaar
/ K. Malhan / MPIA [Großansicht] |
Die Frühgeschichte unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, ist eine
Geschichte des Zusammenfügens kleinerer Galaxien – also bereits für sich
genommen ziemlich großer Bausteine. Nun konnten Khyati Malhan und Hans-Walter
Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie zwei der frühesten solchen Bausteine
identifizieren, die heute noch als solche zu erkennen sind: proto-galaktische
Fragmente, die vor zwölf bis 13 Milliarden Jahren, als die Galaxienbildung im
Universum noch ganz am Anfang war, mit einer frühen Version unserer Milchstraße
verschmolzen. Die Astronomen haben jene Komponenten Shakti und Shiva getauft.
Identifiziert werden konnten sie durch die Kombination von Daten des
ESA-Astrometrie-Satelliten Gaia mit Daten aus der SDSS-Durchmusterung.
Für die Astronomie ist dieser Fund gleichbedeutend mit der Entdeckung von Spuren
einer ersten Siedlung, die sich zu einer großen heutigen Stadt entwickelte.
Wenn Galaxien zusammenstoßen und verschmelzen, geschehen mehrere Dinge
parallel: Jede Galaxie führt ihr eigenes Reservoir an Wasserstoffgas mit sich.
Bei der Kollision werden diese Wasserstoffgaswolken instabil. Teilregionen davon
kollabieren und bilden so zahlreiche neue Sterne. Andererseits besitzen auch die
ankommenden Galaxien ihre eigenen Sterne, und bei einer Verschmelzung vermischen
sich die Sterne der Galaxien. Langfristig werden diese "akkretierten Sterne"
Teil der Sternpopulation der neu entstandenen kombinierten Galaxie. Man könnte
denken, es sei hoffnungslos, nachträglich, nämlich nach Abschluss des
Verschmelzungsprozesses, herauszufinden, welche Sterne aus welcher
Vorgängergalaxie stammen. Tatsächlich gibt es aber zumindest einige
Möglichkeiten, die Abstammung solcher Sterne zurückzuverfolgen.
Glücklicherweise kann die Physik an dieser Stelle weiterhelfen. Wenn Galaxien
kollidieren und sich ihre Sternpopulationen vermischen, behalten die meisten
Sterne grundlegende Eigenschaften bei, die direkt mit der Geschwindigkeit und
der Richtung der Galaxie zusammenhängen, aus der sie stammen. Sterne aus ein und
derselben Galaxie, die mit unserer Milchstraße verschmolz, haben sehr ähnliche
Werte sowohl für ihre Energie als auch für das, was Physiker als Drehimpuls
bezeichnen – vereinfacht gesagt: der Schwung, der mit einer Kreisbewegung oder
Rotation verbunden ist. Bei Sternen, die sich im Gravitationsfeld einer Galaxie
bewegen, bleiben sowohl Energie als auch Drehimpuls über lange Zeiträume hinweg
erhalten.
Größere Gruppen von Sternen, die alle ungefähr dieselben ungewöhnlichen Werte
für Energie und Drehimpuls haben, sind gute Kandidaten für den Überrest einer
Galaxie, die mit der Milchstraße verschmolz. Weitere Hinweise können bei der
Identifizierung helfen. Sterne, die in jüngerer Zeit entstanden sind, enthalten
einen höheren Anteil an schwereren Elementen (in der Sprache der Astronomie sind
das "Metalle") als Sterne, die vor langer Zeit entstanden sind. Je niedriger der
Metallgehalt (die "Metallizität"), desto früher dürfte der betreffende Stern
entstanden sein. Wenn man versucht, Sterne zu identifizieren, die bereits vor 13
Milliarden Jahren existierten, sollte man nach Sternen mit sehr geringem
Metallgehalt ("metallarm") suchen.
Es ist allerdings erst seit vergleichsweise kurzer Zeit möglich, auf diese
Weise Sterne zu identifizieren, die sich unserer Milchstraße im Laufe solch
eines Verschmelzungsprozesses angeschlossen haben. Dazu sind große, qualitativ
hochwertige Datensätze erforderlich, die für die Analyse auf geschickte Weise
gesichtet werden müssen, um die gesuchte Objektklasse zu identifizieren – und
solche Datensätze sind erst seit einigen Jahren verfügbar. Der
ESA-Astrometrie-Satellit Gaia bietet einen idealen Datensatz für diese
Art von galaktischer Big-Data-Archäologie. Er wurde 2013 gestartet und hat in
den vergangenen zehn Jahren einen immer genaueren Datensatz produziert, der
mittlerweile Positionen, Positionsänderungen und Entfernungen für fast 1,5
Milliarden Sterne in unserer Galaxie enthält.
Die Gaia-Daten haben das Studium der Dynamik der Sterne in unserer
Heimatgalaxie auf eine ganz neue Grundlage gestellt. Auf Basis dieser Daten
wurden bereits eine ganze Reihe neuer Strukturen in unserer Milchstraße
entdeckt. Eine davon ist der Gaia-Enceladus/Sausage-Sternstrom, ein Überbleibsel
der jüngsten größeren Verschmelzung, die unsere Heimatgalaxie durchlaufen hat –
vor acht bis elf Milliarden Jahre. Zwei weitere Strukturen waren im Jahr 2022
identifiziert worden: Der von Malhan und seinem Team identifizierte Pontus-Strom
und das von Rix und seinem Team identifizierte "arme alte Herz" der
Milchstraße. Bei letzterem handelt es sich um eine Population von Sternen, die
während der allerersten Fusionen, aus denen die Proto-Milchstraße hervorging,
neu entstanden sind und sich weiterhin in der zentralen Region unserer Galaxie
befinden (astronews.com berichtete).
Den neuen Fund machten Malhan
und Rix mithilfe von Gaia-Daten in Kombination mit hochaufgelösten
Sternspektren des Sloan Digital Sky Survey (DR17). Letztere liefern detaillierte
Informationen über die chemische Zusammensetzung der Sterne. Malhan sagt: "Für
eine bestimmte Gruppe metallarmer Sterne gibt es eine Häufung bei zwei
bestimmten Kombinationen von Energie und Drehimpuls." Im Gegensatz zum "armen
alten Herzen", das die Astronomen ebenfalls in den entsprechenden Diagrammen
ausmachen, wiesen die beiden Gruppen gleichgesinnter Sterne dabei einen
vergleichsweise großen Drehimpuls auf. Genau das würde man für Gruppen von
Sternen erwarten, die zu separaten Galaxien gehörten, welche dann mit der
Milchstraße verschmolzen.
Malhan nannte diese beiden Strukturen Shakti und
Shiva, letztere eine der Hauptgottheiten des Hinduismus und erstere eine
weibliche kosmische Kraft, die oft als Gefährtin Shivas dargestellt wird. Die
Energie- und Drehimpulswerte sowie die insgesamt niedrige Metallizität, die in
etwa jener des "armen alten Herzens" entspricht, machen Shakti und Shiva zu
guten Kandidaten für einige der frühesten Vorfahren unserer Milchstraße. Rix
sagt: "Shakti und Shiva könnten die ersten beiden Neuzugänge zum 'armen alten
Herzen' unserer Milchstraße sein, die ihr Wachstum zu einer großen Galaxie
einleiteten."
Mehrere Durchmusterungen, die entweder bereits laufen oder in den
nächsten Jahren beginnen werden, versprechen relevante zusätzliche Daten, sowohl
Spektren (SDSS-V, 4MOST) als auch genaue Entfernungen
(LSST/Rubin-Observatorium). Sie sollten es den Astronomen ermöglichen, eine
eindeutige Entscheidung darüber zu treffen, ob Shakti und Shiva tatsächlich ein
Blick auf die früheste Vorgeschichte unserer Heimatgalaxie sind oder nicht.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal veröffentlicht wurde.
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