Die Entwicklung der Lokalen Blase
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
13. Januar 2022
Die Erde und unser Sonnensystem befinden sich in der
sogenannten Lokalen Blase, einem staubfreien Raum gefüllt mit heißem Gas, mit
einem Durchmesser von etwa 1000 Lichtjahren. An ihrem Rand liegen
Tausende junge Sterne. Mithilfe neuer Daten der Astrometriemission Gaia
wurde nun die Entwicklungsgeschichte unserer galaktischen Nachbarschaft
rekonstruiert.
Künstlerische Darstellung der Lokalen Blase
mit Regionen intensiver Sternentstehung an den
Rändern. Im Zentrum befindet sich unser
Sonnensystem.
Bild: CfA, Leah Hustak (STScI) [Großansicht] |
Die Geschichte der "Lokalen Blase", in der unser Sonnensystem liegt und die
auch gleichzeitig Ursprung unserer Sternumgebung ist, beginnt vor etwa 14
Millionen Jahren. In einem Zeitraum von einigen Millionen Jahren hat den
Berechnungen zufolge damals eine Serie von etwa 15 Supernovae-Explosionen
begonnen: Sehr massereiche Sterne explodierten am Ende ihrer Lebenszeit, was
durch ein helles Aufleuchten, die Supernovae, sichtbar wird. Diese Explosionen
schieben das umliegende interstellare Gas nach "außen" und erzeugen dadurch die
Lokale Blase.
Das Gas, welches am Rand dieser sich ausdehnenden Blase liegt, wurde dadurch
verdichtet - es bildeten sich Molekülwolken, in welchen schließlich Sterne
entstehen konnten. Diese Molekülwolken gehören zu den sieben am besten
erforschten Sternentstehungsregionen in unserer Sonnenumgebung. Eine
3D-Rekonstruktion in Raum und Zeit zeigt all diese jungen
Sternentstehungsregionen, die sich heute am Rand "unserer" Lokalen Blase
befinden.
"Als die ersten Supernovae explodiert sind, welche schließlich die Lokale
Blase geformt haben, war unsere Sonne noch weit entfernt von diesem Ereignis",
schildert Koautor João Alves von der Universität Wien: "Aber vor etwa fünf
Millionen Jahren hat der galaktische Orbit unserer Sonne unser Sonnensystem
direkt in die Lokale Blase geführt. Nun sitzt die Sonne durch puren Zufall fast
genau im Zentrum dieser Blase."
Bereits vor etwa 50 Jahren stellten Astronominnen und Astronomen die Theorie
auf, dass solche Superblasen eine wichtige Rolle in Galaxien wie unserer
Milchstraße spielen würden. "Nun haben wir auch den Beweis", hält Alyssa Goodman
vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics fest. Schließlich wäre
die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne im Zentrum einer solchen Blase steht,
extrem gering, wenn solche Blasen eine Ausnahme wären.
Der Umkehrschluss: Galaxien wie unsere Milchstraße stellen generell so etwas
wie einen löchrigen Schweizer Käse dar. Die Löcher in diesem Emmentaler, also
die Blasen, wurden von vergangen Supernova-Explosionen erzeugt. So können neue
Sterne um die "Käselöcher" herum entstehen – dort, wo das Gas von der Energie
der sterbenden Sterne verdichtet wurde.
Die Lokale Blase hat aber keine endgültige Form, sie ist immer noch aktiv,
wächst weiterhin und dehnt sich aus, so der Hinweis der Forscherinnen und
Forscher. "Die Blase dehnt sich noch immer mit einer Geschwindigkeit von etwa 6
bis 7 km/s in unserer galaktischen Nachbarschaft aus", beschreibt Catherine
Zucker vom Space Telescope Science Institute. "Allerdings hat sie den
Hauptteil ihrer Kraft und ihren Schwung bereits verloren und sich auf eine
relativ konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit eingependelt."
Nächster Schritt für das Team ist es nun, alle interstellaren Blasen in
Reichweite zu vermessen und so eine vollständige 3D-Visualisierung zu bekommen.
Das soll es ermöglichen, den Einfluss von sterbenden Sternen auf die neue
Sternentstehung besser zu verstehen und dadurch auch die Struktur und
Entwicklung von Galaxien wie unserer Milchstraße. Möglich wurde dies mithilfe
von neuen Daten des Astrometriesatelliten Gaia der europäischen
Weltraumagentur ESA, der die Distanzen und Eigenbewegungen von Milliarden von
Sternen vermisst.
"Diese Daten ermöglichen es uns, die jüngere Geschichte und Struktur der
Milchstraße mit viel größerer Genauigkeit zu bestimmen als es vor Gaia
möglich war", erklärt Josefa Großschedl von der Universität Wien. Um die
Entstehungsgeschichte der jungen Sterne in unserer Nachbarschaft besser zu
verstehen, "müssen wir uns insbesondere auch auf die Blasen, die Löcher im Käse
der Milchstraße, konzentrieren", so die Astronomin.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
|