Ein Galaxiencrash wird datiert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
17. Januar 2020
Vor wahrscheinlich rund 11,5 Milliarden Jahren ist die
Zwerggalaxie Gaia-Enceladus mit der Milchstraße kollidiert. Dies ergab eine
jetzt vorgestellte Untersuchung, die für die zeitliche Einordnung erstmals auf
einen einzelnen Stern setzt, der von dieser Kollision betroffen war. Wichtige
Daten für die Studie lieferten zahlreiche Teleskope auf der Erde und im All.
Aufnahmen des Weltraumteleskops TESS von
einem Teil des Südhimmels, welche die Position
von ν Indi (blauer Kreis), die Ebene der
Milchstraße (unten links) und den südlichen
Ekliptikpol (oben) zeigt. Die Aufnahmen stammen
aus Daten, die TESS bei der Beobachtung der
Sektoren 1, 12 und 13 gesammelt hat.
Bild: J. T. Mackereth [Großansicht] |
Dass Galaxien miteinander kollidieren und dann verschmelzen, ist auf
kosmischen Zeitskalen gesehen keine Seltenheit. Selbst wenn beide
"Unfallbeteiligten" von sehr unterschiedlicher Größe sind, hinterlässt ein
solcher Zusammenstoß deutliche Spuren in der größeren Galaxie. So trägt die
kleinere Galaxie beispielsweise Sterne mit anderer chemischer Zusammensetzung
ein, die Wechselwirkung der Galaxien verändert die Bewegung der Sterne und
haufenweise neue Sterne entstehen.
Auch die Milchstraße ist in ihrer 13,5 Milliarden-jährigen Geschichte
mehrfach anderen Galaxien begegnet. Eine davon ist die Zwerggalaxie
Gaia-Enceladus. Um zu verstehen, wie sich dieses Ereignis auf unsere
Heimatgalaxie ausgewirkt und sie nachhaltig verändert hat, ist es wichtig, die
Kollision verlässlich zu datieren. Zu diesem Zweck richteten die Forscherinnen
und Forscher um Prof. Dr. Bill Chaplin von der Universität Birmingham ihr
Augenmerk auf einen einzelnen Stern: ν Indi findet sich im Sternbild Indus; mit
einer scheinbaren Helligkeit vergleichbar mit der des Uranus ist er ein
dankbares Beobachtungsobjekt.
"Das Weltraumteleskop TESS hat bereits im ersten Monat seines
wissenschaftlichen Betriebs detaillierte Messdaten von ν Indi gesammelt", so Dr.
Saskia Hekker, Leiterin der Forschergruppe "Das Alter von Sternen und
galaktische Entwicklung" am Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS)
und Koautorin der neuen Studie. Das Weltraumteleskop startete 2018 ins All mit
dem Ziel, den gesamten Himmel zu durchmustern und möglichst viele Sterne
detailliert zu charakterisieren. "Die Daten von TESS erlauben es uns, das Alter
des Sterns sehr genau zu bestimmen", fügt die Wissenschaftlerin hinzu.
Zudem entpuppte sich ν Indi als eine Art stellares Gedächtnis der Kollision
mit der Zwerggalaxie Gaia-Enceladus. Um seine Rolle bei dem Zusammenstoß zu
rekonstruieren, wertete die Forschergruppe zahlreiche Datensätze zu v Indi aus,
die mit Hilfe der Spektrographen HARPS (High Accuracy Radial velocity Planet
Searcher) und FEROS (Fiber-fed Extended Range Optical Spectrograph) der
Europäischen Südsternwarte, des Galaxy Evolution Experiments des Apache
Point Observatoriums in New Mexiko und des Weltraumteleskops Gaia
gewonnen wurden. So konnten sie sowohl die chemische Zusammensetzung des Sterns
als auch seine Bewegung innerhalb der Galaxie genau bestimmen.
Die kosmische Detektivarbeit ergab ein klares Bild: ν Indi gehört seit
Urzeiten zum Halo, dem äußeren Bereich der Milchstraße, doch der Zusammenstoß
veränderte seine Flugbahn. "Da die Bewegung von ν Indi von der Kollision
beeinflusst wurde, muss sie stattgefunden haben, als der Stern bereits
entstanden war", erklärt Chaplin die Argumentationskette. Das Alter des Sterns
ist deshalb eine obere Grenze für den Zeitpunkt der Kollision.
Zur Altersbestimmung eines Sterns nutzen Forscherinnen und Forscher seine
natürlichen Schwingungen, die sich an der Sternoberfläche als
Helligkeitsschwankungen zeigen. "Ähnlich wie Erdbebenwellen Rückschlüsse auf das
Erdinnere zulassen, kann man aus den stellaren Schwingungen auf die innere
Struktur und den Aufbau des Sterns und damit auf sein Alter schließen", erklärt
MPS-Wissenschaftlerin Dr. Nathalie Themessl.
Die Auswertungen der MPS-Forscherinnen und -Forscher und weiterer
Forschergruppen ergab, dass der Galaxien-Crash mit einer Wahrscheinlichkeit von
95 Prozent vor 13,2 Milliarden Jahren stattgefunden hat. Mit 68-prozentiger
Wahrscheinlichkeit liegt der Zusammenstoß nur etwa 11,5 Milliarden Jahre zurück.
"Diese zeitliche Einordnung hilft uns zu verstehen, wie dauerhaft der
Zusammenstoß unsere Galaxie verändert hat", so Hekker. "So können wir auch bei
anderen Galaxien den Einfluss von Zusammenstößen und Verschmelzungen besser
einschätzen und ihre Entwicklung verstehen."
Über ihre Untersuchung berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht wurde.
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