Die Herkunft der Marsmonde Phobos und Deimos ist bis heute ein ungelöstes
Rätsel der Planetenforschung. Beide Monde sind das Ziel der japanischen
Mission Martian Moons eXploration (MMX). Auf Phobos soll im Rahmen
der Mission ein deutsch-französischer Rover landen und diesen – trotz extrem
geringer Schwerkraft – rollend erkunden. Auf der internationalen Luft- und
Raumfahrtmesse Paris Air Show in Le Bourget unterzeichnete die
japanische Raumfahrtagentur JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) nun
mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der
französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre national d’études spatiales) ein
Abkommen über die trilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der Mission MMX.
Derweil ist die Fertigstellung des Rovers samt Instrumenten und Systemen in
Richtung Sommer 2023 auf der Zielgeraden. Parallel zur Unterzeichnung erhält
der Rover den Namen IDEFIX.
"Wir freuen uns sehr, dass CNES und DLR mit uns im Rahmen der MMX-Mission
zusammenarbeiten. MMX zielt darauf, die Ursprünge der Marsmonde zu klären
und den Entwicklungsprozess des Marssystems besser zu verstehen, indem zum
ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt von Phobos, einem der beiden
Marsmonde, Proben gesammelt werden", so Dr. Hiroshi Yamakawa, Präsident der
JAXA. "Japan teilt mit Frankreich und Deutschland wertvolle Erinnerungen an
die Zusammenarbeit bei der Hayabusa2-Probenrückführungsmission, bei der der
deutsch-französische Lander MASCOT bereits mitflog. Wir freuen uns darauf,
unsere Anstrengungen erneut zu bündeln für eine erfolgreiche Mission MMX."
Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR, sagte
anlässlich der Unterzeichnung: "Japan und Frankreich sind wichtige
strategische Partnerländer für das DLR in fast allen unseren
Forschungsbereichen. Die Kooperation im Rahmen der Mission MMX ist dabei ein
besonderes Beispiel der Gestaltungskraft unserer vielfältigen
Zusammenarbeit. Wenn erstmals ein Rover über die Oberfläche des Marsmonds
Phobos rollt, haben wir gemeinsam technologische Grenzen verschoben.
Gemeinsam wollen wir mehr über den Ursprung unseres Sonnensystems und den
Mars mit seinen Monden erfahren."
Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR betont: "MMX ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie
man anspruchsvolle Weltraum-Missionen in internationaler Zusammenarbeit
durchführen kann: Als gemeinsames Unterfangen, zusammen mit Nationen,
Raumfahrtbehörden und Partnern, die das gleiche Ziel verfolgen. Jede Seite
bringt ihre besonderen Kompetenzen ein. Die Kosten und Risiken werden
geteilt, um gemeinsam außergewöhnliche technologische Expertise und
wissenschaftliche Ergebnisse zu erlangen."
"Die Unterzeichnung dieses neuen trilateralen Abkommens zwischen CNES,
JAXA und DLR ist ein weiterer Meilenstein in der fruchtbaren Zusammenarbeit
zwischen unseren drei Nationen bei der MMX-Mission. Durch die Untersuchung
der beiden Marsmonde Phobos und Deimos wird diese Mission zu großen
Fortschritten bei der Erforschung unseres Sonnensystems führen", sagt Dr.
Philippe Baptiste, CEO von CNES. Mit dem Kooperationsabkommen schaffen JAXA,
CNES und DLR einen gemeinsamen Rahmen für die Integration des
deutsch-französischen Rovers in die japanische MMX-Mission für eine
gemeinsame Landung auf dem Marsmond Phobos in der zweiten Hälfte der 2020er
Jahre.
MMX ist dabei eine Mission an der Grenze des technisch Machbaren.
Erstmals sollen mittels der japanischen Muttersonde Proben aus dem
Marssystem, konkret vom Marsmond Phobos, zur Erde gebracht werden. Der
mitgeführte deutsch-französische Rover wird zuvor bei extrem geringer
Schwerkraft (Zweitausendstel der Erdanziehung) über die Phobos-Oberfläche
rollen, um diese zu erkunden. Der MMX-Rover wurde nach dieser einzigartigen
und anspruchsvollen Idee entwickelt und erhielt den Namen IDEFIX.
Aktuell laufen die letzten Arbeiten für die Fertigstellung des Rovers am
CNES-Standort in Toulouse. In den letzten Monaten erfolgte dort die finale
Integration aller Instrumente und Subsysteme, darunter die Solarpaneele,
Energiesystem, Bordcomputer und Funksystem für den Kontakt zum
MMX-Mutterschiff. Zuvor hatte das DLR bereits die Carbonstruktur des Rovers
samt Aufricht- und Fortbewegungssystem am Standort Bremen integriert und im
November 2022 zur CNES nach Toulouse geliefert, ebenso wie das Radiometer
miniRAD sowie das Spektrometer RAX vom DLR-Standort Berlin.
Neben den beiden DLR-Instrumenten zur Analyse von thermischen
Eigenschaften und mineralogischer Zusammensetzung der Oberfläche hat CNES
zwei Radkameras montiert, die Räder und Untergrund im Blick behalten sowie
zwei Navigationskameras integriert. Mittlerweile hat der komplette Rover
fast vollständig die finalen Tests zur Weltraumqualifikation bei CNES in
Toulouse durchlaufen, unter anderem hinsichtlich seiner Funktionen und
Beständigkeit gegenüber den Vibrationen des Raketenstarts sowie hinsichtlich
der extremen Temperaturschwankungen von mehr als 200 Grad Celsius auf Phobos.
Die Qualifikationstests des Rovers finden bereits zusammen mit dem
Verbindungs- und Separationssystem zum Mutterschiff, genannt MECSS (Mechanical
and Electrical Connection and Support System) statt. Dieser Adapter wurde
ebenfalls vom DLR bereitgestellt. Auch das von CNES entwickelte
Kommunikationssystem, das Befehle und Telemetrie überträgt, wird während der
Qualifikationskampagne geprüft. Die Rover-Testkampagne befindet sich nun auf
der Zielgeraden. Vor der Auslieferung im Sommer müssen noch der Test für
elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und einige abschließende Checks
durchgeführt werden.
Die MMX-Raumsonde besteht aus drei Modulen. Das Erkundungsmodul hat
Landebeine, Probennehmer und einige Instrumente sowie den MMX-Rover an Bord.
Das Erkundungsmodul ist mit dem Rückkehrmodul und mit der
Probenrückholkapsel verbunden. Diese wiederum hat eine Verbindung zum
Antriebsmodul, das mit Treibstofftanks und Raketentriebwerken ausgestattet
ist. Die Konstruktion des MMX-Mutterschiffs ist mittlerweile abgeschlossen.
Das Projektteam hat mit der abschließenden Integration und Erprobung des
Raumfahrzeugs einschließlich der von den Partnerorganisationen
bereitgestellten Instrumente in Richtung des anvisierten Startfensters 2024
begonnen.
Nach rund einjähriger Flugzeit wird MMX den Mars erreichen und in seine
Umlaufbahn einschwenken. Dann beginnen die acht wissenschaftlichen
Instrumente des Explorationsmoduls mit der Kartierung und Charakterisierung
der Oberflächen von Phobos und Deimos. Im Laufe der Mission ist die Landung
des Rovers auf Phobos vorgesehen. Hierbei wird der Rover aus einer Höhe von
40 bis 100 Metern über der Oberfläche abgesetzt. Nach der Landung richtet er
sich selbständig auf, um sich einsatzbereit zu machen. Anschließend beginnt
die rund dreimonatige Messphase, innerhalb derer der Rover verschiedene
Ziele anfährt, die interessant für die wissenschaftliche Analyse sind. Zum
Abschluss der Mission werden durch die Muttersonde, unter Berücksichtigung
der auch durch den Rover gewonnenen Erkenntnisse, Bodenproben gesammelt.
Diese werden mit dem Rückkehrmodul für genauere Analysen zur Erde geschickt.
Phobos und Deimos begleiten als Monde den Planeten Mars. In der
griechischen Mythologie sind sie die Begleiter des Kriegsgottes Ares, der in
der römischen Antike seine Entsprechung im Kriegsgott Mars hat. Entdeckt
wurden Phobos und Deimos im Jahr 1877 vom amerikanischen Astronomen Asaph
Hall. Aufgrund ihrer geringen Größe (Phobos 27 Kilometer im größten
Durchmesser, Deimos 15 Kilometer) sind beide Monde unregelmäßig geformt und
erinnern mit ihrer Gestalt eher an Asteroiden. So besagt eine Theorie, dass
der Mars die beiden, womöglich im Asteroidengürtel entstandenen Körper in
der Vergangenheit "einfing". Allerdings sind damit die sehr engen und fast
kreisrunden Bahnen beider Monde in der Äquatorebene des Planeten nur schwer
zu erklären. Diese wären besser nachvollziehbar, wenn Phobos und Deimos
Überbleibsel eines riesigen Meteoriteneinschlags auf dem Mars wären.
MMX soll das schon lang diskutierte Rätsel der Planetenforschung lösen.
Die Entstehung des Marssystems ist zudem ein Schlüssel, um die Prozesse der
Planetenbildung im Sonnensystem insgesamt besser zu verstehen. In jedem Fall
dürften Spuren von Gesteinen des Mars auf der Oberfläche von Phobos zu
finden sein, die als Auswurfsmaterial späterer Asteroideneinschläge auf
Phobos landeten. Damit könnte dann mit den Proben von Phobos auch Material
vom Mars in der Rückkehrkapsel zur Erde und damit in irdische Labore
gelangen.