Phobos-Rover probt das Fallen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
8. Oktober 2020
Mitte des Jahrzehnts soll eine japanische Marsmission die
beiden Monde Phobos und Deimos erforschen. Dazu wird sie auch einen
französisch-deutschen Rover dabeihaben, der auf dem Marsmond Phobos landen und
diesen rund 100 Tage erkunden soll. In Bremen laufen nun Falltests, mit denen
der Aufprall des Rovers auf der Mondoberfläche simuliert wird.
Vorbereitung eines Abwurfversuchs: Bei den
aktuellen Versuchen lassen die Forschenden das
vorläufige Modell des MMX-Rovers unter
Laborbedingungen aus fünf Zentimeter Höhe auf
einen wechselnden Untergrund in verschiedenen
Winkeln fallen, um dessen Robustheit zu testen.
Foto: DLR [Großansicht] |
Die Mission Martian Moons eXploration (MMX) der japanischen
Raumfahrtagentur JAXA wird bei ihrem Start 2024 einen deutsch-französischen
Rover mitführen, der auf dem Marsmond Phobos landen und die Oberfläche für rund
drei Monate erkunden wird. Derzeit laufen in der Lande- und Mobilitätstestanlage
(LAMA) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen erste
Tests zur Landung. Anhand eines ersten vorläufigen Entwicklungsmodells prüfen
die Ingenieurinnen und Ingenieure wie robust der etwa 25 Kilogramm leichte Rover
ausgelegt werden muss, um den Aufprall auf der Mondoberfläche nach etwa 40 bis
100 Meter freiem Fall gut zu meistern.
"Wir lassen das vorläufige Modell des MMX-Rovers unter Laborbedingungen aus
fünf Zentimeter Höhe auf einen wechselnden Untergrund in verschiedenen Winkeln
fallen", erklärt Versuchsleiter Michael Lange vom DLR-Institut für
Faserverbundleichtbau und Adaptronik. "Da der Marsmond Phobos wegen seiner
geringen Schwerkraft an der Oberfläche nur etwa ein Zweitausendstel der
Erdfallbeschleunigung aufweist, können wir so die Intensität des Aufpralls für
die Rover-Struktur simulieren."
Eine besondere Herausforderung ist, dass der frei fallende Rover mit einer
beliebigen Orientierung auf die Oberfläche trifft und dabei möglicherweise
direkt auf einen Stein prallt. "Um diese Situation nachzustellen, verwenden wir
zusätzlich zu einer ebenen Platte zwei Halbkugeln mit zwei und neun Zentimeter
Durchmesser, die in einem Sandbett stehen", sagt Michael Wrasmann vom
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Der genaue Landepunkt unterliegt dem Zufall
und wir bereiten uns mit dieser Analyse auf die verschiedenen Szenarien vor."
Das vorläufige Testmodell im Labor ähnelt dabei bereits mit zwei montierten
Rädern sowie zwei Rad-Dummies (inklusive eines mechanischen Sicherungssystem für
Start und Landung) dem späteren MMX-Rover, um potentielle strukturelle
Schwachstellen aufzudecken und zu verbessern. Das 47,5 mal 55 mal 27,5
Zentimeter messende Gehäuse des Rovers ist dabei eine Leichtbaukonstruktion aus
gezielt versteiften Sandwichbauteilen mit Deckschichten aus
kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) und einem Aluminium-Wabenkern.
Ergänzend zu den Laborversuchen werden auch umfangreiche Simulationen im
Computer durchgeführt, die die Ergebnisse der Versuchsreihe um eine Vielzahl
weiterer Landesituationen erweitern. Um die Genauigkeit des mechanischen
Berechnungsmodells zu verbessern, finden zudem im Rahmen der Versuchsreihe Tests
zum Schwingungsverhalten der Rover-Struktur statt. Die Erkenntnisse der Versuche
helfen den Forscherinnen und Forschern nachfolgend das Design des MMX-Rovers
detaillierter festzulegen.
"Für 2021 ist die Erprobung eines dann bereits deutlich detaillierteren
Strukturmodells mit allen Elementen des Bewegungssystems geplant. Dieses besteht
aus den vier, an beweglichen Beinen angebrachten Rädern und einem am Heck des
Rovers befindlichen Klapp-Mechanismus. Dieser Mechanismus bringt den Rover bei
seitlicher Landung in eine Position, die es ihm ermöglicht mithilfe seiner Beine
autonom in die letztendliche Fahrposition zu kommen und seine Solarpaneele zu
entfalten", erklärt der DLR-seitige Gesamtprojektleiter für den MMX-Rover Markus
Grebenstein vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen.
Zusätzlich zu den strukturellen Belastungen durch die Landung ist der Rover
extremen Strapazen durch die Umgebungsbedingungen ausgesetzt. So erwärmt sich
Phobos innerhalb seines nur sieben Stunden dauernden Tages von -150 Grad Celsius
auf +50 Grad Celsius. Das Innere des Rovers muss hierbei aktiv auf einer
vergleichsweise konstanten Temperatur gehalten werden um die Qualität der
wissenschaftlichen Messungen zu gewährleisten. "Deshalb werden 2021 ebenfalls
ausgiebige Tests des Temperaturverhaltens des Rovers anhand eines Thermalmodells
erfolgen", so Grebenstein weiter.
Der Start der JAXA-Mission Martian Moons eXploration (MMX) ist für
2024 geplant, der Eintritt in den Marsorbit für 2025. Ziel der Mission ist es,
die beiden Marsmonde Phobos und Deimos zu untersuchen und dabei zu klären, ob
sie als eingefangene Asteroiden den Roten Planeten umkreisen, oder sich aber
bildeten, nach dem ein größerer Körper auf dem Mars eingeschlagen war und sich
dabei ausgeworfenes Material zu neuen Körpern zusammenfügte. Die Bildung des
Systems Mars, Phobos und Deimos ist ein Schlüssel, um die Planetenbildung im
Sonnensystem besser zu verstehen.
Die Landung des MMX-Rovers ist als Teil der Mission für Ende 2026 oder Anfang
2027 geplant. Dieser wird rund 100 Tage detailliert die
Oberflächenbeschaffenheit des Marsmondes analysieren und damit zur Lösung des
wissenschaftlichen Rätsels seiner Entstehung beitragen.
Der deutsch-französische MMX-Rover wird unter gemeinsamer Leitung des DLR und
der französischen Raumfahrtagentur Centre National d’Études Spatiales CNES
entworfen und gebaut. Das DLR übernimmt dabei insbesondere die Entwicklung der
Roboterstruktur, des gesamten Aufricht- und Fortbewegungssystems, sowie eines
Raman-Spektrometers und eines Radiometers, die die Oberflächenzusammensetzung
und -beschaffenheit messen werden. CNES leistet wesentliche Beiträge mit
Kamerasystemen zur räumlichen Orientierung und Erkundung auf der Oberfläche
sowie zur Untersuchung der mechanischen Bodeneigenschaften. Darüber hinaus
entwickelt CNES das zentrale Service-Modul des Rovers inklusive des Onboard-Computers
sowie des Energie- und Kommunikationssystems. Nach dem Start wird der Rover dann
von Kontrollzentren des DLR und der CNES betrieben.
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