Furchen Hinweis auf strukturelles Versagen?
von Stefan Deiters astronews.com
11. November 2015
Auf der Oberfläche des Marsmondes Phobos sind eigentümliche
Furchen zu erkennen, die man anfangs für die Folgen eines gewaltigen Einschlags
hielt, der den
Mond einst fast zerstört hätte. Eine neue Studie ergab nun, dass die Furchen ein
erster Hinweis auf ein strukturelles Versagen des Trabanten sein könnten.

Sind die eigentümlichen Furchen auf der
Oberfläche des Marsmondes Phobos bereits ein
Zeichen für das beginnende strukturelle Versagen
des Mondes?
Bild: NASA / JPL-Caltech / University of
Arizona [Großansicht] |
Über das Schicksal des Marsmonds Phobos gibt es keine zwei Meinungen: Der
größere der beiden Trabanten des Roten Planeten nähert sich der Oberfläche des
Mars in jedem Jahrhundert um rund zwei Meter an und dürfte von den
Gezeitenkräften des Planeten in etwa 30 bis 50 Millionen Jahren
auseinandergerissen werden. Offenbar gibt es auf der Oberfläche von Phobos aber schon
heute Hinweise auf das bevorstehende Ende des Mondes.
"Wir glauben, dass Phobos bereits jetzt diesen Kräften nachgibt und ein
Hinweis auf dieses Versagen ist die Entstehung der Furchen", so Terry Hurford
vom Goddard Space Flight Center der NASA. Hurford stellte die Ergebnisse der
Untersuchungen seines Teams gestern auf dem jährlichen Treffen der Abteilung für
Planetenwissenschaften der American Astronomical Society vor.
Lange Zeit hatte man die eigentümlichen Furchen auf der Oberfläche von Phobos
für die Folgen eines Einschlags gehalten, durch den der gewaltige Krater
Stickney entstanden ist. Bei diesem Einschlag wäre der Mond damals fast zerstört
worden. Allerdings stellten die Wissenschaftler schließlich fest, dass der
Ausgangspunkt der Furchen nicht etwa der Krater ist, sondern ein Punkt in der
Nähe. Manche vermuteten daher, dass für die Furchen mehrere kleinere Einschläge
von Material verantwortlich waren, das vom Mars ins All geschleudert wurde.
Die Simulationen von Hurford und seinen Kollegen deuten nun aber darauf hin, dass es
sich bei den Furchen eher um eine Art Dehnungstreifen handeln könnte, die durch
die Verformung des Mondes durch die Gezeitenkräfte zwischen Phobos und Mars
entstehen. Solche Gezeitenkräfte sorgen etwa im Falle von Erde und Mond für die
Entstehung von Ebbe und Flut in den Ozeanen unseres Heimatplaneten.
Die Idee ist nicht neu: Bereits in den 1970er Jahren hatten Wissenschaftler nach
dem Studium von Aufnahmen, die die Viking-Sonde von Phobos gemacht hatte, eine
entsprechende Vermutung geäußert. Allerdings hielt man Phobos damals noch für
ein massives Objekt. Berechnungen der wirkenden Gezeitenkräfte ergaben, dass ein
solches Objekt durch diese Kräfte noch nicht beeinflusst werden sollte.
Inzwischen geht man aber davon aus, dass Phobos alles andere als massiv ist, sondern
es sich bei dem Mond eher um eine Art Geröllhaufen handelt, der gerade einmal so
von der Anziehungskraft zusammengehalten wird. Umhüllt ist er von einer
pulverartigen, etwa 100 Meter dicken Schicht aus Regolith. Der Mond hat eine
Größe von 27 mal 22 mal 18 Kilometern und es handelt sich vermutlich um einen
eingefangenen Asteroiden.
"Das Interessante an diesem Ergebnis ist, dass es zeigt, dass Phobos eine
Art leicht klebrigen äußeren Überzug hat", so Erik Asphaug von der Arizona
State University. "Das ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich das Verhalten
von pulverförmigem Material in Schwerelosigkeit anschaut, aber es ist nicht
wirklich intuitiv."
In dem Modell der Wissenschaftler sorgen die Verformungen im Inneren zu
Spannungen in der äußeren Hülle des Mondes, die schließlich nachgibt und so die
beobachteten Spuren entstehen lässt. Die Spannungsfurchen, die die Simulationen
von Hurford und seinem Team vorhersagen, passen dabei sehr gut mit den auf der
Oberfläche von Phobos beobachteten Spuren überein. Das Modell kann auch
erklären, warum einige der Furchen offenbar jünger sind als andere: Der Prozess,
der die Furchen entstehen lässt, läuft schließlich noch immer ab.
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