Ein Rover für den Marsmond Phobos
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. November 2022
Im Rahmen der japanischen Mission Martian Moons
eXploration soll im Jahr 2027 auch ein kleiner Rover auf dem Marsmond
Phobos landen und dort rund 100 Tage aktiv sein. Bei dem Rover handelt es sich
um ein französisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt. Nun wurde ein wesentlicher
Teil des Rovers am Standort Bremen integriert und fertiggestellt.
Das DLR hat einen wesentlichen Teil des
MMX-Rovers am Standort Bremen integriert und
fertiggestellt. Die in Zusammenarbeit mehrerer
DLR- Institute entstandene Carbonstruktur samt
Aufricht- und Fortbewegungssystem wurde im
November 2022 von Bremen nach Toulouse an die
französische Raumfahrtagentur CNES ausgeliefert.
Dort erfolgt bis zum Sommer 2023 die
Fertigstellung mit dem Einbau aller Instrumente
und Subsysteme.
Foto: DLR
[Großansicht] |
Die Entstehung der beiden Marsmonde Phobos und Deimos ist bisher ungeklärt.
Um dieses Rätsel zu entschlüsseln, startet voraussichtlich 2024 die Mission
Martian Moons eXploration (MMX) der japanischen Raumfahrtagentur JAXA zu
den beiden Monden. Mit an Bord wird ein deutsch-französischer Rover sein, der
die Oberfläche des rund 27 Kilometer großen Phobos detailliert erkunden wird.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat nun einen wesentlichen
Teil des Rovers am Standort Bremen integriert und fertiggestellt. Die in
Zusammenarbeit mehrerer DLR-Institute entstandene Carbonstruktur samt Aufricht-
und Fortbewegungssystem ist in dieser Woche von Bremen nach Toulouse an die
französische Raumfahrtagentur CNES geliefert worden. Dort erfolgt bis zum Sommer
2023 die Fertigstellung mit dem Einbau aller Instrumente und Subsysteme.
Dazu zählem auch das Radiometer miniRAD sowie das Spektrometer RAX. Beide
Instrumente wurden am DLR in Berlin gebaut und bereits zuvor nach Toulouse
geschickt. "Mit dem MMX-Rover betreten wir technisches Neuland, denn noch nie
ist ein Erkundungsfahrzeug mit Rädern auf einem kleinen Himmelskörper gefahren,
der nur über rund ein Tausendstel der Erdanziehungskraft verfügt", sagt Dr.
Markus Grebenstein vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in
Oberpfaffenhofen, der die DLR-Projektleitung für den MMX-Rover innehat. "Da der
Rover im freien Fall aus dem Raumfahrzeug auf Phobos gelangt, wird er bei der
Landung unbeschadet mehrere 'Purzelbäume' schlagen und in unvorhersagbarer Lage
zum Liegen kommen. Aus dieser Situation heraus muss er sich autonom mithilfe des
Antriebssystems aufrichten und anschließend seine Sonnensegel entfalten. Erst
dann ist der Rover fahrbereit und überlebensfähig", so Grebenstein weiter.
"Fahren wird er schließlich ganz behutsam mit nur einigen Millimetern pro
Sekunde, um trotz der geringen Schwerkraft mit seinen speziellen Rädern den
Bodenkontakt zu halten", ergänzt Dr. Stefan Barthelmes vom DLR-Institut für
Systemdynamik und Regelungstechnik in Oberpfaffenhofen. Am Robotik- und
Mechatronik-Zentrum des DLR in Oberpfaffenhofen wurde das Aufricht- und
Fortbewegungssystem entwickelt und gebaut. Die besonders leichte Carbonstruktur
hat das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik beigesteuert.
Der nur 25 Kilogramm leichte MMX-Rover wird, angekommen bei Phobos, von der
MMX-Muttersonde abgetrennt und etwa 50 Meter hinab zur Mondoberfläche fallen.
Dies wurde in ersten Falltests am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme
bereits erprobt, wo nun auch die Integration erfolgte. Auf Phobos hat der Rover
rund 100 Tage Zeit, die physikalischen und mineralogischen Eigenschaften der
Oberfläche zu erkunden. Dabei kommen die beiden DLR-Instrumente miniRAD und RAX
aus Berlin zum Einsatz. Das Radiometer miniRAD des DLR-Instituts für
Planetenforschung wird mittels Infrarotmessungen die Oberflächentemperatur
bestimmen. Zudem ermöglicht es Rückschlüsse auf die Porosität des
Oberflächenmaterials, um diese mit Asteroiden- und Kometenproben zu vergleichen.
Das Raman-Spektrometer RAX (RAman spectroscopy for MMX) ist eine Entwicklung
unter Führung des DLR-Instituts für Optische Sensorsysteme mit Beteiligung der
JAXA und der spanischen Raumfahrtagentur INTA. RAX wird entlang der Roverstrecke
die mineralogische Zusammensetzung der Phobos-Oberfläche ermitteln. Die Minerale
eines Himmelskörpers stehen eng mit seiner Entstehung und Geschichte im
Zusammenhang und Vergleiche mit Messungen anderer Rover auf dem Mars helfen den
Wissenschaftlern, das Mars-System mit seinen Monden besser zu verstehen.
Neben den beiden DLR-Instrumenten werden in den nächsten Monaten bei der CNES
in Toulouse auch zwei Radkameras montiert, die Räder und Untergrund im Blick
behalten und dabei wissenschaftliche Daten zum Aufbau der Phobos-Oberfläche
sammeln, sowie zwei Navigationskameras integriert. Zudem bauen die
Ingenieurteams die Solarpanele, das Energiesystem, das Funksystem für den
Kontakt zur Erde, sowie den Bordcomputer in den Rover ein. Dann stehen
umfangreiche Tests des vollständigen Rovers an hinsichtlich seiner Funktionen
sowie seiner Beständigkeit gegenüber den Vibrationen des Raketenstarts und der
extremen Temperaturschwankungen von mehr als 200 Grad Celsius auf Phobos. Die
Tests unter Weltraumbedingungen wird der MMX-Rover zusammen mit dem Verbindungs-
und Separationssystem zum Mutterschiff, genannt MECSS (Mechanical and Electrical
Connection and Support System) absolvieren. Dieser Adapter wird ebenfalls vom
DLR bereitgestellt.
Die MMX-Raumsonde besteht insgesamt aus drei Modulen. Das Explorationsmodul
verfügt über Landebeine, Probennehmer und einige Instrumenten sowie den
mitgeführten MMX-Rover. An das Explorationsmodul schließt sich das Return-Modul
mit der Kapsel zur Probenrückführung an, gefolgt von einem Antriebsmodul mit den
Treibstofftanks und Raketentriebwerken. Der Start der japanischen Raumsonde ist
derzeit für 2024 mit einer H-3-Rakete vom japanischen Weltraumbahnhof in
Tanegashima geplant. Ungefähr ein Jahr nach dem Verlassen der Erde wird die
Sonde dann 2025 in eine Umlaufbahn um den Mars eintreten, um Phobos und Deimos
zu beobachten. Anschließend wird sie in einen Quasi-Orbit um den Marsmond Phobos
einschwenken, dort wissenschaftliche Daten sammeln, den mitgeführten MMX-Rover
absetzen und Proben von der Mondoberfläche nehmen. Nach der Probenentnahme kehrt
das Raumfahrzeug mit dem auf Phobos gesammelten Material zur Erde zurück. Die
Landung des MMX-Rovers auf Phobos ist für 2027 geplant und die Rückkehr zur Erde
mit den Proben im Jahre 2029. Die Messungen und Bilder des Rovers auf der Phobos-Oberfläche
werden auch als Referenz für die Orbiter-Instrumente dienen und helfen, die
Landung des Explorationsmoduls für die Probennahme vorzubereiten.
Phobos und Deimos (zu Deutsch: Furcht und Schrecken), in der griechischen
Mythologie die Begleiter des Kriegsgottes Ares, der in der römischen Antike
seine Entsprechung im Kriegsgott Mars hatte, begleiten als kleine Monde den
Planeten Mars. Entdeckt wurden sie 1877 vom amerikanischen Astronomen Asaph
Hall. Aufgrund ihrer geringen Größe (Phobos 27 Kilometer, Deimos 15 Kilometer)
sind beide Monde unregelmäßig geformt und erinnern mit ihrer Gestalt eher an
Asteroiden. So besagt eine Theorie, dass der Mars die beiden, womöglich im
Asteroidengürtel entstandenen Körper in der Vergangenheit "einfing". Allerdings
sind damit die sehr engen und fast kreisrunden Bahnen beider Monde in der
Äquatorebene des Planeten nur schwer zu erklären. Diese wären besser
nachvollziehbar, wenn Phobos und Deimos Überbleibsel eines riesigen
Meteoriteneinschlags auf dem Mars wären.
MMX soll dieses schon lang diskutierte Rätsel der Planetenforschung lösen.
Die Entstehung des Mars-Systems ist zudem ein Schlüssel, um die Prozesse der
Planetenbildung im Sonnensystem insgesamt besser zu verstehen. In jedem Fall
dürften Spuren von Gesteinen des Mars auf der Oberfläche von Phobos zu finden
sein, die als Auswurfsmaterial späterer Asteroideneinschläge auf Phobos
landeten. Damit könnte dann mit den Proben von Phobos auch Material vom Mars in
der Rückkehrkapsel zur Erde und damit in irdische Labore gelangen.
|