Neun neue und teils sehr ungewöhnliche Pulsare
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
26. Januar 2023
Neun Millisekunden-Pulsare, die sich oft in seltenen und
teils ungewöhnlichen Doppelsystemen befinden wurden jetzt bei einer gezielten
Durchmusterung mit dem südafrikanischen Teleskop-Array MeerKAT aufgespürt. Dazu
wurden 79 unidentifizierte pulsar-ähnliche Quellen aus Beobachtungen des
Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA nachbeobachtet.

Dieses Bild zeigt einen Teil des Himmel, wie
ihn das Fermi Large Area Telescope sieht.
Bild:
NASA / DOE / Fermi LAT Collaboration [Großansicht] |
"Für unsere TRAPUM-Durchmusterung haben wir mit MeerKAT, einem relativ neuen
und äußerst empfindlichen Radioteleskop, zusammen mit einer speziellen
Analysesoftware eine Auswahl vielversprechender pulsarähnlicher Quellen
beobachtet", erläutert Colin Clark, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover und Erstautor der
jetzt vorgestellten Studie. "Die Belohnung für unsere Mühen ist etwas, auf das
wir stolz sein können: Wir haben neun neue Millisekunden-Pulsare entdeckt, von
denen einige recht ungewöhnlich sind."
Das Team verwendete einen bewährten Ansatz, um neue Millisekunden-Pulsare zu
entdecken: Der Katalog des Fermi Large Area Telescope verzeichnet
Gammastrahlenquellen, die das Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA
in acht Jahren Beobachtungszeit entdeckte. Dieser Katalog enthält Informationen
über die Himmelspositionen der Quellen, die Energieverteilung ihrer
Gammastrahlung und die zeitlichen Veränderungen ihrer Gammastrahlenhelligkeit.
"Wir haben mit Methoden des maschinellen Lernens für alle Quellen im
Fermi-Katalog, die nicht mit bekannten Himmelsobjekten assoziiert sind, die
Wahrscheinlichkeit bestimmt, dass sie Pulsare sind", erklärt Clark. "So
identifizierten wir die pulsar-ähnlichsten Quellen im Fermi-Katalog. Danach
reduzierten wir unsere Liste auf diejenigen Quellen, die mit unserer
Durchmusterung am ehesten nachweisbar sein würden. Wir haben dann 79 Quellen mit
MeerKAT beobachtet."
Bei MeerKAT handelt es sich um eine Anordnung von 64 Parabolantennen mit
einem effektiven Durchmesser von je 13,5 Meter in der Karoo in Südafrika.
MeerKAT bietet eine noch nie dagewesene Empfindlichkeit für Himmelsobjekte in
der südlichen Hemisphäre. Es ist in der Lage, Quellen zu entdecken, die etwa
fünfmal schwächer sind als diejenigen, die das zweitempfindlichste Teleskop der
Südhemisphäre beobachten kann. Das TRansients and Pulsars using MeerKAT
Large Survey Project (TRAPUM) nutzt diese Empfindlichkeit, um nach neuen
Pulsaren in den Teilen des Himmels zu suchen, in denen sie am wahrscheinlichsten
zu finden sind: Kugelsternhaufen, nahe Galaxien, Supernovaüberreste und – wie in
dieser Untersuchung – unidentifizierte Gammastrahlenquellen.
Dies erforderte die Entwicklung spezieller Computerhardware, die die Daten
der MeerKAT-Antennen zu einem virtuellen großen Radioteleskop kombiniert, das
fast 500 nahe beieinander liegende Himmelspositionen gleichzeitig beobachten
kann. Bei dieser TRAPUM-Durchmusterung von Fermi-Quellen wird die zusätzliche
Empfindlichkeit von MeerKAT dazu genutzt, um die Beobachtungszeit auf nur zehn
Minuten zu verkürzen. Das ist wesentlich kürzer als die stundenlangen
Beobachtungen, die zuvor erforderlich waren, um Pulsare in diesen Quellen zu
finden.
Kurze Beobachtungen haben viele Vorteile: In begrenzter Beobachtungszeit
lassen sich mehr Quellen erfassen. Sie können wiederholt beobachtet werden, was
die Chance erhöht, einen neuen Radiopulsar zu entdecken, da sie bei der ersten
Beobachtung nicht immer sichtbar sind. Die TRAPUM-Pulsardurchmusterung umfasste
zwei Beobachtungen pro Quelle. Die Analyse kurzer Beobachtungen ist rechnerisch
weniger anspruchsvoll als die von längeren. Zudem kann die Bahnbewegung in
Doppelsternsystemen die Entdeckung von Radiopulsaren erschweren. Während einer
kurzen Beobachtungszeit ist die Bewegung des Pulsars nahezu konstant, so dass
der nachteilige Effekt einer sich ändernden Bahnbewegung verringert wird.
Zusätzlich zur hohen Empfindlichkeit bietet das MeerKAT-Array einen weiteren
Vorteil gegenüber Radioteleskopen mit einer einzigen Parabolantenne. MeerKAT
kann die Himmelsposition neuer Quellen mit sehr hoher Präzision bestimmen, weil
die Einzelantennen bis zu acht Kilometer voneinander entfernt sind. Das
ermöglicht schnelle Folgeuntersuchungen bei anderen Wellenlängen.
Die Suche nach Pulsaren in den großen Datenmengen, die während der
TRAPUM-Beobachtungen entstehen, erfordert viel Rechenleistung und eine schnelle
Verarbeitung, um Speicherplatz für weitere Beobachtungen freizugeben. "Wir haben
speziell entwickelte Datenanalyse-Methoden verwendet, die auf 120
Grafikprozessoren (GPUs) in einem speziellen Computer-Cluster laufen, um unsere
MeerKAT-Beobachtungen zu sichten. Wir haben schnell neun Kandidaten für
Millisekunden-Pulsare gefunden, die wir alle durch zusätzliche MeerKAT-Beobachtungen
bestätigen konnten", sagt Ewan Barr, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie und TRAPUM-Projektwissenschaftler. "Es ist großartig, dass wir
diese Bestätigungsbeobachtungen auch dazu nutzen konnten, die Himmelspositionen
zu verfeinern, da MeerKAT in der Lage ist, viele nahe beieinander liegende
Himmelspositionen gleichzeitig zu beobachten. Das ist von unschätzbarem Wert für
Folgeuntersuchungen bei verschiedenen Wellenlängen."
Eine der Entdeckungen, PSR J1526-2744, wurde anschließend genau untersucht.
Nach der Entdeckung dieses Radiopulsars in einem Doppelsternsystem spürten die
Forschenden auch die Gammastrahlenpulsationen des Neutronensterns auf. Mithilfe
aller verfügbaren Fermi-Daten konnten sie die Bahnbewegung genau untersuchen und
die Eigenschaften des Doppelsternsystems bestimmen. Höchstwahrscheinlich
umkreist der Neutronenstern das gemeinsame Massenzentrum mit einem leichten
Weißen Zwerg in etwas weniger als fünf Stunden. Dies wäre die zweitkürzeste
bekannte Umlaufzeit eines solchen Doppelsystems.
Das Team suchte auch nach kontinuierlichen Gravitationswellen von PSR
J1526-2744. Wäre der Neutronenstern verformt, so würde er Gravitationswellen mit
der doppelten Rotationsfrequenz aussenden. Die Forschenden nutzten alle
öffentlich verfügbaren Advanced-LIGO-Daten aus den Beobachtungsläufen O1, O2 und
O3. Da sie die Bewegung des Pulsars im Doppelsternsystem aufgrund der
Gammastrahlenbeobachtungen genau kannten, erreichte das Forscherteam die
höchstmögliche Empfindlichkeit für die Suche nach Gravitationswellen.
Auch wenn sie von PSR J1526-2744 keine kontinuierlichen Gravitationswellen
beobachteten, konnten sie messen, wie weit der Neutronenstern von der perfekten
Achsensymmetrie abweicht. "Wir wissen jetzt, dass PSR J1526-2744 tatsächlich
sehr symmetrisch ist. Wir haben gezeigt, dass der Äquator des Neutronensterns
nicht viel mehr als der Durchmesser eines menschlichen Haares von einem
perfekten Kreis abweichen kann," sagt Anjana Ashok, Doktorandin in der
permanenten unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe "Kontinuierliche
Gravitationswellen" am AEI Hannover. Sie leitete die Suche nach
Gravitationswellen.
Zwei weitere Pulsare, PSR J1036-4353 und PSR J1803-6707, sind typische "Redback"-Pulsarsysteme,
die aus Neutronensternen mit Begleitsternen von mindestens einem Viertel der
Masse unserer Sonne bestehen. Diese Pulsare verdampfen und zerstören ihre
Begleiter im Laufe der Zeit, ähnlich den namensgebenden australischen
Rotrückenspinnen, deren Weibchen die Männchen nach der Paarung auffressen.
Nach der schnellen und präzisen Bestimmung der Pulsarpositionen mit den
einzigartigen Fähigkeiten von MeerKAT wurden die Pulsarbegleiter im Sternkatalog
der Astrometrie-Mission Gaia identifiziert und im optischen Spektrum
mit der ULTRACAM-Kamera am New Technology Telescope der ESO untersucht. Darüber
hinaus fand man Röntgenstrahlung von PSR J1803-6707 in Daten der ersten eROSITA-Gesamtdurchmusterung.
Die Röntgenstrahlung stammt wahrscheinlich von dem energiereichen Pulsarwind,
der auf das vom Begleiter verdampfte Material trifft. Sie ist typisch für
Redback-Systeme.
Es ist schwierig, die Anzahl der noch unentdeckten Pulsare abzuschätzen, die
sich hinter nicht identifizierten pulsar-ähnlichen Fermi-Quellen verstecken.
Dennoch sind die Fachleute sicher, dass zukünftige Beobachtungen noch mehrere
Millisekunden-Pulsare aufspüren können. In der Zielliste gibt es weitere
Kandidaten, die sehr wahrscheinlich Pulsare sind. Allerdings zeigten sie auch in
mehreren Durchmusterungen bisher keine pulsierenden Radiowellen oder
Gammastrahlen. Neue Teleskope, Analysemethoden und wiederholte
Beobachtungsversuche könnten eines Tages beweisen, dass sie Pulsare sind. Mit
weiterhin zunehmender Beobachtungszeit von Fermi wird der
Quellenkatalog wachsen und weitere pulsar-ähnliche Quellen werden auftauchen und
zu potenziellen Zielen werden.
"Unsere Ergebnisse, die nur die ersten der TRAPUM-Durchmusterung von
Fermi-Quellen sind, zeigen bereits das große Potenzial von MeerKAT. Mit MeerKAT
und einer speziellen Software sind wir nicht nur in der Lage, neue
Millisekunden-Pulsare zu entdecken, sondern auch schnell und präzise zu
lokalisieren", sagt Clark. "Die MeerKAT-Beobachtungen sind eine große Hilfe bei
der Nachverfolgung bei mehreren Wellenlängen, bei der Suche in Katalogen und bei
zukünftigen Beobachtungen – mit anderen Worten: sie machen Millisekunden-Pulsare
zu einem Geschenk, das immer weiter beschenkt."
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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