Millisekundenpulsare in Kugelsternhaufen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
30. April 2021
Eine Gruppe von Astronominnen und Astronomen hat mit dem
südafrikanischen MeerKAT-Radioteleskop acht Millisekundenpulsare entdeckt, die
sich in Kugelsternhaufen mit hoher Sterndichte befinden. Bei den Pulsaren
handelt es sich um Neutronensterne und damit die dichtesten bekannten Sterne,
die sich bis zu 700 Mal pro Sekunde um ihre Achse drehen.
Der Kugelsternhaufen NGC 6624 in einer
Ansicht des Weltraumteleskops Hubble. Die Pulsare
im zentralen Bereich sind im Inset hervorgehoben.
In Rot markiert der mit MeerKAT neu entdeckte
Pulsar PSR J1823-3021G. NGC 6624 befindet sich in
Richtung des Sternbilds Schütze in knapp 8000
Lichtjahre Entfernung.
Bild: A. Ridolfi et al. / INAF / Hubble Space
Telescope [Großansicht] |
Millisekundenpulsare sind extrem kompakte Sterne, die hauptsächlich aus
Neutronen bestehen, und gehören zu den außergewöhnlichsten Objekten im
Universum. Sie packen das Hunderttausendfache der Erdmasse in eine Kugel mit
einem Durchmesser von etwa 24 Kilometern und sie drehen sich mit einer Rate von
Hunderten von Umdrehungen pro Sekunde um ihre Achse. Dabei senden sie einen
Strahl von Radiowellen aus, der den Beobachter bei jeder Rotation streift, wie
das Leuchtfeuer bei einem Leuchtturm. Die Entstehung dieser Objekte ist in
Umgebungen hoher Sterndichte in den Zentren von Kugelsternhaufen stark
begünstigt.
"Wir haben die MeerKAT-Antennen auf neun Kugelsternhaufen ausgerichtet und
konnten in sechs von ihnen neue Pulsare entdecken", sagt der Alessandro Ridolfi,
der als Post-Doktorand am italienischen Nationalen Institut für Astrophysik
(INAF) und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn arbeitet.
Fünf dieser neuen Pulsare kreisen jeweils um einen anderen Stern, wobei einer
von ihnen, PSR J1823-3021G, sich als besonders interessant herausstellt.
"Aufgrund seiner stark elliptischen Umlaufbahn und seines massereichen
Begleiters ist dieses System wahrscheinlich das Ergebnis eines Partnertauschs:
Nach einer nahen Begegnung wurde der ursprüngliche Partner vertrieben und durch
einen neuen Begleitstern ersetzt", so Ridolfi weiter.
"Dieser spezielle Pulsar könnte eine hohe Masse haben, mehr als das Doppelte
der Masse der Sonne, es könnte aber auch das erste bestätigte System sein, das
sich aus einem Millisekunden-Pulsar und einem Neutronenstern zusammensetzt",
erklärt Tasha Gautam, Doktorandin am MPIfR in Bonn. "Wenn dies durch die
aktuellen zusätzlichen Beobachtungen bestätigt wird, würde dieser
Millisekunden-Pulsar ein hervorragendes Testfeld für neue Erkenntnisse in
fundamentaler Physik darstellen."
Die acht neuen Pulsare sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. In den
Beobachtungen, die zu ihrer Entdeckung führten, wurden nur etwa 40 der insgesamt
64 MeerKAT-Antennen verwendet und sie konzentrierten sich lediglich auf die
zentralen Regionen der Kugelsternhaufen. "Das MeerKAT-Radioteleskop stellt einen
großen technologischen Fortschritt für die Erforschung und das Studium von
Pulsaren am Südhimmel dar", sagt Andrea Possenti von INAF, der Koordinator der
Pulsarbeobachtungen in Kugelsternhaufen für die MeerTIME-Kollaboration. "In den
nächsten Jahren wird MeerKAT voraussichtlich Dutzende von neuen
Millisekunden-Pulsaren finden und uns einen Vorgeschmack auf das geben, was mit
der zukünftigen Inbetriebnahme der Mittelfrequenz-Antennen des
SKA-Observatoriums möglich werden wird. Das wird viele Bereiche der Astrophysik
revolutionieren, darunter auch die Untersuchung von Pulsaren."
Ridolfi, Gautam und Possenti sind Mitglieder der "TRAnsients and PUlsars with
MeerKAT"- (TRAPUM) Kollaboration, einer großen Himmelsdurchmusterung mit einer
umfassenden internationalen Zusammenarbeit von Astronomen, die von den
Möglichkeiten begeistert sind, die MeerKAT ihnen eröffnet. Für diese spezielle
Arbeit teilten sie sich die Teleskopzeit mit einem zweiten
Durchmusterungsprogram für MeerKAT, MeerTIME, das MeerKAT dazu nutzt, bereits
bekannte Pulsare mit bisher nicht erreichter Präzision zu untersuchen. Diese
Arbeit diente der TRAPUM-Kollaboration als Modellversuch, um eine vollwertige
Kugelsternhaufen-Durchmusterung zur Suche nach neuen Pulsaren besser planen zu
können.
Eine solche Durchmusterung läuft derzeit unter Einsatz aller 64
Parabolspiegel von MeerKAT (wodurch die Empfindlichkeit weiter erhöht wird). Sie
wird die Suche auf viele weitere Kugelsternhaufen ausdehnen und auch deren
äußere Regionen vermessen. "In früheren Suchprogrammen nach Pulsaren in
Kugelsternhaufen sind bereits etliche bizarre und extreme Doppelpulsare entdeckt
worden. Mit neuen Instrumenten wie MeerKAT werden wir sicherlich weitere dieser
extremen Systeme entdecken können, die uns mehr über die grundlegenden Gesetze
unseres Universums verraten", ist Paulo Freire vom MPIfR überzeugt.
Das vom South African Radio Astronomy Observatory betriebene MeerKAT-Teleskopnetzwerk
ist das größte Radioteleskop der südlichen Hemisphäre und eines von zwei
Vorläuferinstrumenten des Square Kilometre Array Observatory (SKAO),
das in Südafrika aufgebaut wurde. Das in der Karoo-Wüste gelegene Radioteleskop
wird demnächst um zusätzliche 20 Parabolspiegel erweitert ("MeerKAT+",
astronews.com berichtete), wodurch die Gesamtzahl der
Antennen auf 84 ansteigen wird. MeerKAT wird später schrittweise in die erste
Phase des SKAO-Projekts integriert, dessen Bau demnächst beginnt und bis 2027
andauern wird.
Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society veröffentlicht.
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