Ein langsam rotierender Neutronenstern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
31. Mai 2022
Mithilfe des MeerKAT-Radioteleskops in Südafrika wurde nun
ein ungewöhnlicher Neutronenstern aufgespürt, der Radiostrahlung aussendet und
sich alle 76 Sekunden um die eigene Achse dreht. Bei dieser zufälligen
Entdeckung könnte es sich um einen ultralanglebigen Magnetar handeln. Die
Existenz solcher Sterne hatte man bislang nur theoretisch vermutet.
Künstlerische Darstellung des neuentdeckten
Neutronensterns PSR J0901-4046 mit 76 Sekunden
Pulsperiode (magentafarben dargestellt) im
Vergleich zu schneller rotierenden Pulsaren.
Bild: Daniëlle Futselaar (artsource.nl) [Großansicht] |
Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern,
darunter auch Forschende des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn,
hat einen ungewöhnlichen Neutronenstern entdeckt, der Radiostrahlung aussendet
und sich alle 76 Sekunden um die eigene Achse dreht. Das Team, das von
Mitgliedern der MeerTRAP-Gruppe an der Universität Manchester geleitet wird,
spricht von einer einzigartigen Entdeckung, da man von dem Stern eigentlich
überhaupt keine Pulsaraktivität erwarten würde. Die Entdeckung wurde mit dem
MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika gemacht.
Die Quelle wurde zunächst vom MeerTRAP-Team entdeckt, bei gemeinsamen
Beobachtungen einer Himmelsregion, die von einem anderen Team, ThunderKAT,
geleitet wurden. Beide Forschungsteams, MeerTRAP und ThunderKAT, arbeiteten
daraufhin eng zusammen, um den Ursprung der Quelle zu enträtseln. Es war ihnen
möglich, die Pulsationen mithilfe von Acht-Sekunden-Bildern des Himmels zu
bestätigen und die genaue Position der Quelle zu bestimmen, woraufhin
detaillierte und empfindlichere Folgebeobachtungen durchgeführt werden konnten.
Neutronensterne sind extrem dichte Überreste von einer Supernova-Explosion
eines massereichen Sterns. Derzeit sind der Wissenschaft etwa 3000 dieser Sterne
in unserer Milchstraße bekannt. Der neu entdeckte Stern ist jedoch anders als
die bisher gefundenen Neutronensterne. Das Team geht davon aus, dass er zu der
bisher nur theoretisch postulierten Klasse von ultralanglebigen Magnetaren mit
extrem starken Magnetfeldern gehören könnte. "Es ist erstaunlich, dass wir von
dieser Quelle nur während 0,5 % ihrer Rotationsperiode Radioemission feststellen
können", so Dr. Manisha Caleb, vormals Universität Manchester und jetzt an der
Universität von Sydney, die das Forschungsprojekt leitete. "Das bedeutet, dass
es ein großer Zufall ist, dass sich der Radiostrahl mit der Erde kreuzt. Es ist
daher wahrscheinlich, dass es in der Galaxis noch viel mehr solcher sehr langsam
rotierenden Quellen gibt. Das hat wichtige Auswirkungen auf die Entstehung und
das Altern von Neutronensternen."
"Die meisten Pulsardurchmusterungen suchen nicht nach so langen Perioden, so
dass wir keine Ahnung haben, wie viele dieser Quellen es insgesamt geben könnte.
In diesem Fall war die Quelle hell genug, dass wir die einzelnen Pulse mit dem
MeerTRAP-Instrument am MeerKAT nachweisen konnten", ergänzt sie. Der neu
entdeckte Neutronenstern erhielt den Namen PSR J0901-4046 und weist Merkmale von
Pulsaren, von (ultralangperiodischen) Magnetaren und sogar von schnellen
Radiobursts auf.
Während die ausgestrahlte Radioenergie auf einen Pulsar hinweist, erinnern
die Pulse mit chaotischen Subpuls-Komponenten und die Polarisation der Pulse an
Magnetare. Obwohl die Spinperiode von PSR J0901-4046 mit einem Weißen Zwerg
übereinstimmen könnte, fand das Team keine weiteren Indizien für diese Annahme
bei unterschiedlichen Wellenlängen. Es ist derzeit unklar, wie lange diese
Quelle bereits im Radiobereich emittiert. Sie wurde zwar in einem gut
untersuchten Teil der Milchstraße entdeckt, doch wird bei Radiodurchmusterungen
normalerweise nicht nach so langen Perioden oder Impulsen gesucht, die länger
als ein paar Dutzend Millisekunden dauern.
"Die Radioemission dieses Neutronensterns ist anders als alles, was wir
bisher gesehen haben", erklärt Professor Ben Stappers von der Universität
Manchester, der Leiter des MeerTRAP-Projekts. "Wir können ihn etwa 300
Millisekunden lang beobachten, was viel länger ist als bei den meisten anderen
Neutronensternen, die Radiostrahlung aussenden. Es scheint mindestens sieben
verschiedene Pulsarten zu geben, von denen einige eine stark periodische
Struktur aufweisen, die als seismische Schwingungen des Neutronensterns gedeutet
werden könnten. Diese Pulse könnten uns wichtige Einblicke in die Art des
Emissionsmechanismus dieser Quellen geben."
"Die Empfindlichkeit des MeerKAT-Teleskops kombiniert mit der ausgefeilten
Suche im Rahmen des MeerTRAP-Projekts und der Fähigkeit, simultane Bilder des
Himmels aufzunehmen, hat diese Entdeckung möglich gemacht. Selbst dann brauchte
man noch die Augen eines Adlers, um zu erkennen, dass es sich um eine echte
Quelle handelte, weil sie so ungewöhnlich aussah", sagte Dr. Ian Heywood vom
ThunderKAT-Team und der Universität Oxford, der an dieser Untersuchung beteiligt
war.
Die Entdeckung ähnlicher Quellen ist eine große Herausforderung für die
Beobachtung, was bedeutet, dass es möglicherweise eine größere unentdeckte
Population von Radioquellen gibt, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Diese
neue Entdeckung erweitert die Möglichkeit der Existenz einer neuen Klasse von
sogenannten Radiotransienten, den ultralangperiodischen Neutronensternen, und
deutet auf einen möglichen Zusammenhang mit der Entwicklung von
hochmagnetisierten Neutronensternen, ultralangperiodischen Magnetaren und
schnellen Radiostrahlungsausbrüchen (FRBs) hin.
Diese Entdeckung wurde in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen am
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gemacht. Das MPIfR hat
eine hochentwickelte Rechenanlage entworfen, konstruiert und installiert, die es
ermöglicht, den synthetisierten Strahl des MeerKAT-Arrays in viele hundert
verschiedene Pixel zu unterteilen, die parallel analysiert werden.
"Interferometer sind großartig, um Bilder zu machen. Mit ihnen nach Pulsaren
oder schnellen Transienten zu suchen, ist nicht trivial", erklärt Dr. Ewan Barr,
der diese Entwicklung leitete. "Unsere Hard- und Software hat MeerKAT in eine
effektive Maschine zur Suche nach Pulsaren und Transienten verwandelt".
Über die Beobachtungen berichtete das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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