Erfolgreicher Test der Ariane-6-Oberstufe
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
7. Oktober 2022
Wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung der neuen
europäischen Trägerrakete Ariane 6: Die Oberstufe hat in dieser Woche
ihren ersten Heißlauftest am DLR-Standort Lampoldshausen erfolgreich bestanden.
Erstmals im Ariane-Programm wurde damit eine kryogene Oberstufe auf einem neuen
und eigens dafür konzipierten Prüfstand getestet.
Die Ariane-6-Oberstufe wurde am 5. Oktober
2022 auf dem Prüfstand P5.2 beim DLR in
Lampoldshausen erstmals getestet.
Bild: ESA / Stephane Corvaja [Großansicht] |
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen hat am
5. Oktober 2022 erstmals erfolgreich die Oberstufe der Ariane 6
getestet. Ein solcher Heißlauftest ist ein höchst anspruchsvoller Versuch: Ziel
ist es, auf dem Prüfstand flugähnliche Bedingungen nachzubilden. So soll das
Zusammenspiel aller Komponenten für die Startvorbereitung und den Flug
nachgewiesen, als auch die Belastungen simuliert werden, denen eine Raketenstufe
auf dem Weg ins All standhalten muss.
Die Oberstufe ist der Teil einer mehrstufigen Rakete, der am längsten
unterwegs ist. Sie transportiert die Nutzlast und setzt sie an der gewünschten
Position mit der korrekten Geschwindigkeit aus. Mit diesem Test ist ein
wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Erstflug der neuen europäischen
Trägerrakete Ariane 6 erreicht. Bei der Oberstufe handelt es sich um eine von
Grund auf neu entwickelte Raketenstufe. Konzipiert und gebaut hat sie das
Unternehmen ArianeGroup.
Die Stufe besteht aus zwei Haupttanks, die mit flüssigem Wasserstoff und
flüssigem Sauerstoff gefüllt sind, dem neuen, bis zu viermal wiederzündbaren
Vinci-Triebwerk sowie der APU (Auxiliary Power Unit), einer innovativen
Antriebseinheit. Sie macht die Einsatzmöglichkeiten der Ariane 6 noch
vielseitiger. Im Fokus bei diesem ersten Heißlauftest stand das Befüllen der
Stufe mit kryogenen Treibstoffen sowie ein Test des wiederzündbaren
Vinci-Triebwerks. Das Team des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe prüfte
außerdem alle zur Oberstufe dazugehörigen Systeme wie die Flugsoftware.
"Dieser erste erfolgreiche Testlauf hat uns gezeigt, dass die über Jahrzehnte
in Lampoldshausen erworbenen Kompetenzen beim Test von Raumfahrtantrieben ein
entscheidender Garant für den Erfolg der europäischen Ariane-Familie ist",
erklärt Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, DLR-Vorstandsvorsitzende. "Ich
bedanke mich bei dem Team, das diesen ersten Test der kompletten
Ariane-6-Oberstufe zum Erfolg geführt hat."
"Mit der Ariane 6 wird Europa über einen Träger verfügen, der für
viele Jahre den Grundpfeiler der europäischen Raumfahrtaktivitäten bilden wird.
Sie ist die ideale Rakete, um unsere institutionellen Missionen zu starten und
damit den Zugang für alle europäischen Raumfahrtnutzenden zu garantieren – eine
Fähigkeit, die im heutigen geopolitischen Umfeld unverzichtbar geworden ist",
betont Dr.-Ing. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR. "Daher freut es mich besonders, dass wir diesen
essenziellen Meilenstein in der Entwicklung der Ariane 6 erreicht
haben. Es ist ein großartiger Erfolg der Zusammenarbeit zwischen dem DLR, der
ESA und der deutschen und europäischen Raumfahrtindustrie."
"Im 21. Jahrhundert sind die Europäer für ihre Sicherheit und ihren Wohlstand
zweifellos auf Daten aus dem Weltraum angewiesen. Europa muss auf eine
vollständige Autonomie beim Zugang zum Weltraum und dessen Nutzung hinarbeiten.
Die Ariane 6 ist der Schlüssel dazu und wir freuen uns darauf, sie vom
europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana, starten zu sehen",
sagt Daniel Neuenschwander, ESA-Direktor für Trägersysteme.
Insgesamt sind mit der Oberstufe beim DLR Lampoldshausen bis zu drei
Heißlauftests geplant. In der Regel nehmen sie – nach mehreren Wochen intensiver
Vorbereitung – jeweils rund 17 Stunden in Anspruch. Es werden alle Aspekte
simuliert, einschließlich der Vor- und Nachbereitung der Stufe. Dazu zählt das
Betanken mit flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff sowie das Entleeren
der Tanks nach Ende des Tests. Das Team des Prüfstands sammelt während der
Versuche eine große Menge an wichtigen Daten: zum Beispiel über die
ballistischen Phasen, in denen die Oberstufe ohne Schub fliegt, die sogenannte
Coast Phase, über den Druckaufbau in den Tanks vor der Triebwerkszündung, über
das Wiederzünden des Triebwerks und über die Funktion der Düsen, die der
Lageregelung dienen.
"Heißlauftests sind die Königsdisziplin am Prüfstand. Sie stellen höchste
Anforderungen an die Technik und sind deshalb eine besondere Herausforderung für
Team und Infrastruktur", beschreibt Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des
DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe. "Außerdem testen wir zum ersten Mal in der
langen Geschichte des Ariane-Programms in Europa eine kryogene Oberstufe an
einem neu entwickelten Prüfstand – also eine doppelte Premiere", ergänzt
Schlechtriem.
Die Erkenntnisse aus diesen Tests sind elementar, um die Ariane 6 zu
finalisieren und startklar für den Weltraum zu machen. Entsprechend gründlich
hat das Team um Anja Frank, Leiterin für die Versuchsanlagen im Institut für
Raumfahrtantriebe, die Tests vorbereitet. In den letzten Monaten war höchste
Konzentration gefordert, um sämtliche Vorbereitungen an der sieben Tonnen
schweren Oberstufe mit einem Durchmesser von 5,4 Metern und einer Höhe von 11,6
Metern zu absolvieren. Genauso galt es, komplexe Softwareprogramme zu entwickeln
und zu schreiben, um alle Abläufe während der Tests genauestens steuern und
überwachen zu können. Nicht nur technologisch läutet der erste Heißlauftest der
Raketenoberstufe – die deshalb auch als "Hot Firing Model" (HFM) bezeichnet wird
– eine wichtige Phase der gesamten Ariane-6-Trägerentwicklung ein: "Für alle
Beteiligten ist das auch ein sehr emotionaler und spannender Moment, wenn die
neu entwickelte Oberstufe erstmals auf dem Prüfstand gezündet wird", betont
Schlechtriem.
Die Oberstufe der Ariane 6 ist mit einem wiederzündbaren Triebwerk
namens Vinci ausgestattet. Es lässt sich bis zu viermal wiederzünden
und kann von wenigen Sekunden bis zu mehr als 14 Minuten brennen. Damit ist die
Ariane 6 sehr flexibel, kann ein breites Spektrum an Einsätzen abdecken
und mit jeweils unterschiedlicher Missionsdauer mehrere Zielorbits ansteuern.
Sie eignet sich besonders für den Transport von Satellitenkonstellationen, bei
denen die einzelnen Satelliten in unterschiedlichen Umlaufbahnen ausgesetzt
werden. Das Vinci-Triebwerk liefert mit der Treibstoffkombination aus kryogenem,
also tiefkaltem flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff den notwendigen Schub, um
die Nutzlasten genau an der gewünschten Position und mit der korrekten
Geschwindigkeit im jeweiligen Orbit zu platzieren.
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