Druckverhältnisse wie im Inneren von Uranus
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bayreuth astronews.com
18. Mai 2022
Schon im Zentrum der Erde herrschen extrem hohe Drücke, im
Mittelpunkt von Eisriesen wie Uranus sind diese noch einmal deutlich höher.
Unter solchen außergewöhnlichen Bedingungen können spezielle Verbindungen mit
ganz besonderen Eigenschaften entstehen. Nun gelang es, Materialien unter diesen
extremen Druckverhältnissen im Labor zu erzeugen und zu untersuchen.
Der Planet Uranus in einer Aufnahme des
Weltraumteleskops Hubble vom Oktober 2021.
Bild: NASA, ESA, A. Simon (Goddard Space
Flight Center) und M.H. Wong (University of
California, Berkeley) und das OPAL-Team [Großansicht] |
Davon konnte Jules Verne nicht einmal träumen: Ein Forschungsteam der
Universität Bayreuth hat gemeinsam mit internationalen Partnern die Grenzen der
Hochdruck- und Hochtemperaturforschung in kosmische Dimensionen ausgeweitet.
Erstmals ist es gelungen, Materialien unter Kompressionsdrücken von mehr als
einem Terapascal (1000 Gigapascal) zu erzeugen und zeitgleich zu analysieren.
Solche extrem hohen Drücke herrschen beispielsweise im Mittelpunkt des Planeten
Uranus, sie sind mehr als dreimal so hoch wie der Druck im Zentrum der Erde.
Jetzt hat das Team das von ihnen entwickelte Verfahren zur Synthese und
Strukturanalyse neuartiger Materialien vorgestellt.
Theoretische Modelle sagen sehr ungewöhnliche Strukturen und Eigenschaften
von Materialien unter extremen Druck-Temperatur-Bedingungen voraus. Doch bisher
ließen sich diese Vorhersagen nicht in Experimenten bei Kompressionsdrücken von
mehr als 200 Gigapascal verifizieren. Zum einen sind komplexe technische
Voraussetzungen nötig, um Materialproben derart extremen Drücken auszusetzen,
zum anderen fehlten ausgereifte Methoden für zeitgleiche störungsfreie
Strukturanalysen. Die jetzt publizierten Experimente eröffnen daher völlig neue
Dimensionen für die Hochdruckkristallographie: Im Labor können jetzt Materialien
erzeugt und erforscht werden, die – wenn überhaupt – in den Weiten des
Universums nur unter extrem hohen Drücken existieren.
"Das von uns entwickelte Verfahren versetzt uns erstmals in die Lage, neue
Materialstrukturen im Terapascal-Bereich zu synthetisieren und in situ – das
heißt: noch während des laufenden Experiments – zu analysieren. Auf diese Weise
lernen wir bisher unbekannte Zustände, Eigenschaften und Strukturen von
Kristallen kennen und können generell unser Verständnis von Materie bedeutend
vertiefen. Für die Erforschung terrestrischer Planeten und die Synthese von
Funktionsmaterialien, die in innovativen Technologien zur Anwendung kommen,
lassen sich dadurch wertvolle Einsichten gewinnen“, erklärt Prof. Dr. Leonid
Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.
In ihrer neuen Studie zeigen die Forscherinnen und Forscher, wie sie mithilfe
des jetzt entdeckten Verfahrens neuartige Rheniumverbindungen erzeugt und in
situ sichtbar gemacht haben. Es handelt sich dabei um ein neuartiges
Rhenium-Nitrid (Re7N3) und eine Rhenium-Stickstoff-Legierung. In einer mit
Laserstrahlen beheizten zweistufigen Diamantstempelzelle wurden diese
Materialien unter extremen Drücken synthetisiert. Die
Synchrotron-Einkristall-Röntgenbeugung ermöglichte eine vollständige chemische
und strukturelle Charakterisierung.
"Vor zweieinhalb Jahren waren wir in
Bayreuth sehr überrascht, als wir auf der Basis von Rhenium und Stickstoff einen
superharten metallischen Leiter herstellen konnten, der selbst extrem hohen
Drücken standhält. Wenn wir künftig die Hochdruckkristallographie sogar im Terapascal-Bereich anwenden, werden wir in dieser Richtung möglicherweise
weitere überraschende Entdeckungen machen. Die Türen für eine kreative
Materialforschung, die unter extremen Drücken unerwartete Strukturen erzeugt und
sichtbar macht, stehen jetzt weit offen", blickt
Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität
Bayreuth voraus.
Über ihr Verfahren berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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