Eine Art Diamantregen im Inneren
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) astronews.com
7. Juli 2020
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine neue,
präzise Methode vorgestellt, um das Verhalten von Mischungen unterschiedlicher
Elemente unter hohem Druck mithilfe von Röntgenstreuung auszuwerten. Die
Ergebnisse erlauben einen Blick auf die Verhältnisse im Inneren von Neptun und
Uranus: Aus der heißen Kohlenwasserstoff-Mischung dort könnte eine Art
Diamantregen entstehen.
Mithilfe der Röntgenthomsonstreuung konnte
ein Forscherteam nachweisen, dass der hohe Druck
im Inneren von Planeten wie Neptun oder Uranus
Kohlenwasserstoffe in ihre Einzelteile auflöst
und freiwerdende Kohlenstoff-Atome in
Diamantstrukturen verwandelt.
Bild: HZDR / Sahneweiß [Großansicht] |
Nicht fest, nicht flüssig, nicht gasförmig und auch kein Plasma: In Planeten
und Sternen kann Materie einen besonderen Zwischenzustand annehmen, Tausende von
Grad heiß und tausendfach stärker komprimiert als unsere Erdatmosphäre –
Experten sprechen von warmer dichter Materie. Vieles daran ist noch
unverstanden. Laborexperimente sollen das ändern, sind allerdings technisch
anspruchsvoll, weil dieser exotische Zustand auf der Erde nicht natürlich
vorkommt. Das macht sowohl die künstliche Herstellung als auch die Untersuchung
von warmer dichter Materie zu einer Herausforderung für Experimentatoren und
Theoretiker.
"Letztendlich muss man Prozesse in warmer dichter Materie aber verstehen,
wenn man Planeten modellieren möchte", erläutert Dr. Dominik Kraus vom
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Hauptautor einer neuen Studie und Kopf
hinter der Messmethodik. "Basierend auf der Röntgenstreuung haben wir dafür
jetzt einen sehr vielversprechenden neuen Ansatz. Unsere Experimente liefern
wichtige Modellparameter, wo es bisher noch große Unsicherheiten gab. Das wird
auch immer relevanter, je mehr Exoplaneten entdeckt werden."
Am Nationalen Beschleunigerlabor SLAC der amerikanischen Universität Stanford
untersuchte das Team mithilfe von intensivem Laserlicht die Struktur von Materie
in für Planeten typischen Mischungen – im Fall der Eisriesen: Kohlenwasserstoff.
Als Ersatz für den planetaren Kohlenwasserstoff dient eine handelsübliche
Plastikfolie. Ein optischer Hochenergielaser verwandelt das Plastik in warme
dichte Materie: Kurze, starke Laserpulse erzeugen Stoßwellen in der Folie und
verdichten den Kunststoff bis ins Extrem.
"Wir erzeugen etwa 1,5 Millionen Bar, das entspricht dem Druck des Gewichts
von rund 250 afrikanischen Elefanten auf die Fläche eines Daumennagels",
verdeutlicht Kraus die Dimensionen. Die Laserstoßwellen heizen zudem das
Material gleichzeitig auf etwa 5000 Grad auf. Zur Auswertung ist ein sehr
leistungsfähiger Röntgenlaser auf die Probe gerichtet. Je nachdem, wie sein
Licht beim Durchgang durch die Probe gestreut wird, können die Forscher
Rückschlüsse auf die Struktur des Materials ziehen.
Die Forscher beobachteten: aus dem einstmaligen Plastik im Zustand warmer
dichter Materie entstehen Diamanten. Der hohe Druck kann den Kohlenwasserstoff
in Kohlenstoff und Wasserstoff aufspalten. Die freiwerdenden Kohlenstoff-Atome
schließen sich zu Diamantstrukturen zusammen. Für Planeten wie Neptun und Uranus
bedeutet das: In ihrem Inneren kann die Entstehung von Diamanten eine
zusätzliche Energiequelle in Gang setzen. Die Diamanten sind schwerer als die
sie umgebende Materie und sinken langsam in den Planeten nach unten, wie eine
Art Diamantregen. Dabei reiben sie an ihrer Umgebung und setzen Wärme frei – ein
wichtiger Faktor für Planetenmodelle.
In einem früheren Experiment hat das Team um Kraus die mögliche Entstehung
von Diamanten in Planeten erstmals mithilfe von Röntgenbeugung experimentell
nachgewiesen. Das Beugungsmuster des Röntgenlichts kann aber nur kristalline
Strukturen aufzeigen. Diesmal analysierten die Forscher mit zusätzlichen
Detektoren außerdem, wie das Licht an den Elektronen im Material gestreut wird
und verglichen unterschiedliche Streukomponenten untereinander sowie mit
theoretischen Simulationen. Dieses Verfahren erlaubt präzise Einblicke in die
gesamte Materialstruktur.
"Für die Eisriesen wissen wir jetzt, dass der Kohlenstoff beim Entmischen
fast ausschließlich in Diamanten übergeht und nicht noch eine flüssige
Zwischenform vorhanden ist", führt Kraus aus. Das Verfahren ist nicht nur
empfindlicher, sondern auch breiter einsetzbar als die Röntgenbeugung, da es
weniger technische Ansprüche an die Analyse-Lichtquelle stellt.
Als nächstes plant das internationale Wissenschaftsteam die Messungen auch
auf Helium-Wasserstoff-Mischungen, ähnlich wie sie in Gasplaneten vorkommen, und
auf komprimierten reinen Wasserstoff wie im Inneren von kleinen Sternen
auszuweiten. Diese Experimente, für die unter anderem die Helmholtz
International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) am European XFEL eingesetzt
werden soll, könnten dabei helfen, die vielen heute bekannten Planeten außerhalb
unseres Sonnensystems besser zu verstehen und zu prüfen, ob auf einem davon
sogar Leben möglich sein könnte.
Praktisch könnten Fusionsexperimente von der neuen Messmethode profitieren.
Auch die Fusionsforschung versucht, Prozesse, die bei Hochdruck in Sternen
stattfinden, auf der Erde nachzubauen. Bei der Trägheitsfusion wird Brennstoff
aus Deuterium und Tritium extrem aufgeheizt und verdichtet, ein Zwischenzustand
ist die warme dichte Materie. Mithilfe der Röntgenstreuung ließe sich dieser
Prozess genau überwachen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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