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Mithilfe des Röntgenlasers FLASH des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) ist Wissenschaftlern quasi ein indirekter Blick ins Innere von Gasriesen gelungen. Sie verfolgten, wie flüssiger Wasserstoff zu Plasma wird, was Aufschluss über dessen Wärmeleitfähigkeit und inneren Energieaustausch gibt. Diese Parameter sind für Planetenmodelle von großer Bedeutung.
Die Atmosphäre von Gasplaneten besteht zum großen Teil aus Wasserstoff, dem häufigsten chemischen Element im Universum. "Man weiß experimentell kaum etwas über den Wasserstoff im Inneren solcher Planeten", erläutert Dr. Ulf Zastrau von der Universität Jena. "Auch wenn die theoretischen Modelle schon sehr gut sind." Um dies ein wenig zu ändern, haben die Forscher daher mit kaltem, flüssigen Wasserstoff experimentiert und diesen als eine Art Probe aus der Planetenatmosphäre benutzt. "Flüssiger Wasserstoff hat eine Dichte, wie sie den unteren Atmosphärenschichten großer Gasplaneten entspricht", erklärt Zastrau. Mit dem Röntgenlaser FLASH am Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) haben die Wissenschaftler den flüssigen Wasserstoff auf einen Schlag von minus 253 Grad Celsius auf rund 12.000 Grad Celsius erhitzt und gleichzeitig die Eigenschaften des Elements während des Erhitzens beobachtet. Wasserstoff ist das einfachste Atom des Periodensystems, es besteht aus einem Proton im Atomkern, das von einem einzelnen Elektron umkreist wird. Normalerweise kommt Wasserstoff als hantelförmiges Molekül aus zwei Atomen vor. Durch den Röntgenlaserblitz werden zunächst nur die Elektronen erhitzt, die nach und nach ihre Energie an die etwa 2.000-mal schwereren Protonen abgeben, bis sich ein thermisches Gleichgewicht einstellt.
Die Molekülbindungen brechen dabei auf, es entsteht ein sogenanntes Plasma aus Elektronen und Protonen. Obwohl dazu viele Tausend Stöße zwischen Elektronen und Protonen nötig sind, stellt sich das thermische Gleichgewicht bereits nach knapp einer billionstel Sekunde (Pikosekunde) ein, wie die Untersuchungen zeigen. "Was wir machen, ist Labor-Astrophysik", so Zastrau. Bislang stützen sich Forscher auf Rechenmodelle, wenn sie das Innere von Gasplaneten wie Jupiter beschreiben. Wichtige Parameter sind dabei die sogenannten dielektrischen Eigenschaften des Wasserstoffs, das sind unter anderem die Wärme- und die elektrische Leitfähigkeit, denn in den großen Gasplaneten findet ein starker Wärmetransport von innen nach außen statt. "Die Untersuchung verrät uns die dielektrischen Eigenschaften des flüssigen Wasserstoffs", ergänzt Teammitglied Dr. Philipp Sperling von der Universität Rostock. "Wenn man weiß, welche thermische und elektrische Leitfähigkeit die einzelnen Wasserstoffschichten in der Atmosphäre eines Gasplaneten haben, lässt sich daraus das zugehörige Temperaturprofil berechnen." Mit ihren Versuchen haben die Forscher zunächst einen Punkt im sogenannten Phasendiagramm von Wasserstoff festgelegt. Um ein detailliertes Bild der gesamten Planetenatmosphäre zu erstellen, müssen diese Versuche bei anderen Drücken und Temperaturen wiederholt werden. Die Untersuchung erfordert großen Aufwand, nicht zuletzt weil Wasserstoff normalerweise auf der Erde nicht in flüssiger Form vorkommt. Um Wasserstoffgas zu verflüssigen, muss es auf etwa 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur, also auf -253 Grad Celsius heruntergekühlt werden. "Wir nehmen extrem reinen Wasserstoff aus einer handelsüblichen Gasflasche und pressen ihn durch einen Kupferblock, der von flüssigem Helium gekühlt wird", beschreibt DESY-Forscher Dr. Sven Toleikis aus dem Team. In dem Kupferblock wird der Wasserstoff tiefgekühlt, wobei er kondensiert. "Dabei muss die Temperatur sehr genau kontrolliert werden. Wird der Wasserstoff zu kalt, gefriert er und verstopft die Leitung", sagt Toleikis. Mit einer kleinen Heizung wird der Wasserstoff daher bei Bedarf wieder verflüssigt. Am Ende des Kupferblocks ragt eine Düse wie ein Finger in die Vakuum-Experimentierkammer. Aus ihrer Spitze fließt ein feiner Wasserstoffstrahl, der nur einen fünfzigstel Millimeter (20 Mikrometer) Durchmesser hat. Dieser Aufbau ist in jahrelanger Zusammenarbeit der Universität Rostock mit DESY entstanden. Um die Eigenschaften des flüssigen Wasserstoffs beim Verdampfen zu untersuchen, beschossen die Forscher den feinen Strahl mit weicher Röntgenstrahlung aus DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH. "Für die Untersuchung haben wir die einzigartige Möglichkeit von FLASH benutzt, die einzelnen Blitze aufzuteilen", erläutert Toleikis. "Die erste Hälfte des Blitzes heizt den Wasserstoff auf, mit der zweiten Hälfte lassen sich dann seine Eigenschaften untersuchen." Mit der sogenannten Split-and-Delay-Einheit, die in Zusammenarbeit mit der Universität Münster und dem Helmholtz-Zentrum Berlin entstanden ist, wird die zweite Hälfte des Blitzes gezielt um winzige Sekundenbruchteile (bis zu 15 billionstel Sekunden) verzögert. Untersucht man das System auf diese Weise zu leicht unterschiedlichen Zeiten, lässt sich in einer Art Superzeitlupe beobachten, wie sich ein thermisches Gleichgewicht zwischen den Elektronen und den Protonen im Wasserstoff einstellt. Die Interpretation der Beobachtungsdaten war allerdings nicht einfach. "Wir haben lange nicht genau verstanden, was im Experiment passiert", sagt der Rostocker Arbeitsgruppenleiter Prof. Ronald Redmer. Die Forscher bedienten sich zur Modellierung des Prozesses der sogenannten Dichtefunktionaltheorie, eines Standardwerkzeugs der Quantenphysik, um Systeme mit vielen Elektronen korrekt zu beschreiben. Dieses Standardverfahren funktioniert jedoch nicht für Systeme mit zwei unterschiedlichen Temperaturen wie im FLASH-Experiment. "Erst nachdem wir die Dichtefunktionaltheorie durch ein Zwei-Temperaturen-Modell erweitert haben, ließ sich die Beobachtung richtig beschreiben", so Redmer. "Unser Experiment hat uns die Möglichkeiten gezeigt, wie sich dichte Plasmen mit Röntgenlasern untersuchen lassen", betont Dr. Thomas Tschentscher, wissenschaftlicher Direktor am Röntgenlaser European XFEL, an dem 2017 erste Experimente möglich sein werden. "Diese Methode öffnet den Weg für weitere Untersuchungen, beispielsweise an dichteren Plasmen schwererer Elemente und Gemische, wie sie im Inneren von Planeten vorkommen. Von den Ergebnissen erhoffen wir uns unter anderem eine experimentell begründete Antwort auf die Frage, warum die bisher außerhalb unseres Sonnensystems entdeckten Planeten nicht in allen denkbaren Kombinationen von Eigenschaften wie Alter, Masse, Größe oder Elementzusammensetzung auftreten, sondern bestimmten Gruppen zugeordnet werden können." Über ihre Untersuchungen berichtet das Team nun in einem Fachartikel in der Zeitschrift Physical Review Letters.
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