Was Plastik über das Innere der Eisriesen verrät
Redaktion
/ Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
3. April 2019
Über den Aufbau von Planeten wie Neptun oder Uranus weiß man
relativ wenig. Man ist auf Modelle und Experimente angewiesen, die die extremen
Bedingungen im Inneren der Eisriesen nachstellen. Nun haben Forschende zwei
Arten von Kunststoff für entsprechende Experimente genutzt und dabei eine
Überraschung erlebt. Die Ergebnisse könnten auch für Planetenmodelle von
Bedeutung sein.
Eine Aufnahme von Neptun der Sonde Voyager
2.
Bild: NASA-JPL [Großansicht] |
In Planeten wie Neptun oder Uranus könnte es deutlich weniger freien
Wasserstoff geben als angenommen. Um die hohen Temperaturen und Drücke im
Inneren der Eisriesen nachzuahmen, haben Forscher des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR) Stoßwellen durch zwei Arten Kunststoff getrieben und
mit ultrastarken Röntgenlasern die Wirkung auf die Proben untersucht. Das
unerwartete Ergebnis: Statt aufzubrechen, hielt die Kristallstruktur einer
Kunststoffart dem extremen Druck stand. Weil das hochdichte Innere der Planeten
ähnliche Bestandteile wie der Kunststoff aufweist, müssen Planetenmodelle
teilweise neu überdacht werden, so die Forscher.
Kohlenstoff und Wasserstoff gehören zu den häufigsten Elementen im Universum.
Die Eisriesen Neptun und Uranus bestehen zu großen Teilen aus diesen Zutaten –
beispielsweise in Form von Methangas. Tiefer im Inneren der Planeten bilden sich
durch den hohen Druck komplexere Strukturen aus Kohlenstoff und Wasserstoff.
Ganz innen befindet sich ein fester Kern. Welche Zustände die Materie dazwischen
annimmt, ist eine der großen Fragen der Planetenforschung.
Um den Aufbau der Eisriesen besser zu verstehen, hat ein internationales Team
um die beiden HZDR-Forscher Dr. Nicholas Hartley und Dr. Dominik Kraus zwei
Arten Kunststoff in einem Laborexperiment näher untersucht: Polystyrol und
Polyethylen. Diese Materialien ähneln in ihrer Chemie dem Kohlenwasserstoff im
Inneren der Planeten. Im SLAC National Accelerator Laboratory in den
USA setzten die Wissenschaftler die Proben Bedingungen aus, wie sie etwa
zehntausend Kilometer unter der Oberfläche von Neptun und Uranus vorhergesagt
werden. Dort ist der Druck fast so hoch wie im Kern der Erde und zwei Millionen
Mal höher als der Luftdruck auf der Erdoberfläche.
Die Forscher erwarteten, dass sich in beiden Materialien bei den sehr hohen
Temperaturen und Drücken alle kristallartigen Strukturen auflösen würden.
Tatsächlich beobachteten sie aber für das Polyethylen selbst bei sehr hohem
Druck noch stabile Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. "Dieses
Ergebnis hat uns sehr überrascht", meint Hartley. "Wir haben nicht geglaubt,
dass der unterschiedliche Anfangszustand so einen großen Unterschied unter
Hochdruck macht. Bis vor kurzem konnten wir diese Materialien nicht untersuchen,
weil die Röntgenquellen nicht lichtstark genug waren. Wir waren die ersten, die
das überhaupt für möglich gehalten haben – und es war möglich."
Da sich die extremen Bedingungen im Inneren der Eisriesen auf der Erde nur
als Momentaufnahme simulieren lassen, benötigen die Forscher blitzschnelle
Messmethoden. Diese gibt es weltweit an wenigen ultraschnellen Röntgenlasern, an
denen Zeit für Messungen rar und begehrt ist. Kraus und Hartley gelang es, ihrem
Team insgesamt drei Mal zwölf Stunden für ihre Experimente zu sichern. Die
Forscher nutzten jede Minute, um möglichst viele Messdurchgänge durchzuführen.
Der eigentliche Schlüsselmoment, in dem sie die Proben mit dem Röntgenlaser
beschießen, dauert dabei nur wenige Milliardstel Sekunden.
Bereits während der Experimente konnten die Forscher erste Ergebnisse
erkennen: "Wir waren sehr aufgeregt, weil sich für Polystyrol wie erhofft
diamantartige Strukturen aus Kohlenstoff bildeten. Für Polyethylen aber sahen
wir bei den in diesem Experiment erreichten Bedingungen keine Diamanten.
Stattdessen war da eine neue Struktur, die wir uns anfangs nicht erklären
konnten", erinnert sich Hartley. Polyethylen in dieser Form beobachteten sie
zuvor nur bei einem Fünftel des Drucks und der Raumtemperatur.
Die Entdeckung des Forscherteams zeigt, wie wichtig es ist, die Chemie und
die Temperatur- und Druckbedingungen im Inneren der Eisriesen besser zu kennen,
um deren Aufbau und physikalische Eigenschaften zu verstehen. Modelle für Uranus
und Neptun gehen davon aus, dass die ungewöhnlichen Magnetfelder dieser Planeten
durch den freien Wasserstoff entstehen. Die neuen Ergebnisse legen jedoch nahe,
dass es weniger freien Wasserstoff geben dürfte als bislang angenommen.
Im nächsten Schritt wollen die Forscher für ihre Experimente Sauerstoff zu
der Mischung hinzufügen, um der Chemie im Inneren der Planeten noch besser zu
entsprechen. Neben den HZDR-Forschern waren an den Untersuchungen auch
Wissenschaftler des SLAC National Accelerator Laboratory, der Osaka
University, der TU Dresden, der TU Darmstadt, des GSI Helmholtzzentrum für
Schwerionenforschung, des Lawrence Livermore National Laboratory, der
University of California in Berkeley, der University of Warwick,
des European XFEL, des LULI an der École Polytechnique in Paris und der
Universität Rostock beteiligt.
Über die Ergebnisse berichten die Forscher in der Zeitschrift Scientific
Reports.
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