So nah wie noch nie an der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
24. März 2022
Auf ihrer bereits zwei Jahre dauernden Reise steuert die
ESA-Raumsonde Solar Orbiter den bisher besten Aussichtspunkt ihrer
Flugroute an: Am Samstag werden die Sonde nur etwa 48 Millionen Kilometer von
der Sonne trennen, so dass sie in diesen Tagen die bisher wertvollsten Daten
aufzeichnen dürfte. Die Aufnahmen der heißen Sonnenkorona werden sogar die
höchstaufgelösten aller Zeiten sein.
Nur 48 Millionen Kilometer werden Solar
Orbiter am 26. März von der Sonne trennen.
Bild: ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Zwischen Erde und Sonne liegen gewaltige 150 Millionen Kilometer. Nur wenige
Raumsonden haben sich bisher auf weniger als ein Drittel dieses Abstandes an
unser Zentralgestirn herangewagt. Ab Ende März darf sich auch Solar Orbiter
zu dieser exklusiven Gruppe zählen: Am Samstag, 26. März, fliegt der
Sonnenspäher in einer Entfernung von etwa 48 Millionen Kilometern an der Sonne
vorbei. Das sind nur wenige Millionen Kilometer mehr als der Abstand, den die
Zwillingssonden Helios A und B in den 1970er Jahren erreichten. Näher an die
Sonne herangeflogen ist bisher nur die Parker Solar Probe der NASA, die
im vergangenen Jahr einen Abstand von nur 8,5 Millionen Kilometern erreichte.
"Anders als seine Vorgänger ist Solar Orbiter mit einer ungewöhnlich umfassenden
Instrumentierung ausgerüstet", erklärt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, das zu vier
der insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumente der Mission beigetragen hat.
Die Messinstrumente vermessen nicht nur die elektromagnetischen Felder und
Sonnenteilchen, welche die Raumsonde umströmen, sondern können erstmals aus
großer Nähe auf die Sonne selbst blicken.
So zeichnet etwa das Instrument PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager), das
unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde, die Magnetfelder und
Strömungsgeschwindigkeiten an der Sonnenoberfläche auf; die Instrumente EUI
(Extreme-Ultraviolet Imager), SPICE (Spectral Imaging of the Coronal
Environment) und der Koronograph Metis, zu denen das MPS beigetragen hat,
liefern Informationen aus der heißen Sonnenkorona.
Dort konnten die Teleskope von EUI bereits in den vergangenen Monaten kleinste
Strahlungsausbrüche, sogenannte "Lagerfeuer" (engl.: campfires), sichtbar
machen. Das Phänomen tritt häufiger auf als bisher gedacht und könnte helfen zu
erklären, wie die mit etwa eine Million Grad rätselhaft hohen Temperaturen der
Sonnenkorona entstehen. Die sichtbare Sonnenoberfläche ist mit etwa 6000 Grad
deutlich "kühler". Die Daten, die PHI und EUI während ihrer Inbetriebnahme im
All 2020 und 2021 aufgenommen haben, zeigen, dass oftmals eng benachbarte
Regionen unterschiedlicher magnetischer Polarität auf der Sonnenoberfläche
Ursprungsort des Phänomens sind. Vieles spricht dafür, dass strukturelle
Änderungen in diesen räumlich begrenzten Magnetfeldern maßgeblich sind für die
Energiezufuhr zu den "Lagerfeuern". "Nach unseren Auswertungen müssen aber auch
andere, noch unbekannte Prozesse eine Rolle spielen", so MPS-Wissenschaftlerin
Dr. Fatima Kahil, die diese Daten ausgewertet hat. "Wir hoffen sehr, dass die
besser aufgelösten Daten vom bevorstehenden Perihel-Durchgang uns helfen werden,
diese Zusammenhänge besser zu verstehen", fügt sie hinzu.
Während der Tage um den 26. März wird Solar Orbiter auch auf die
Polregionen der Sonne schauen. Bisher hat die Sonde die Bahnebene, in der die
Erde und die anderen Planeten um die Sonne kreisen, um vier Grad verlassen; bis
zum Ende der Mission sollen es mehr als 30 Grad werden. Auf diese Weise wird es
möglich, erstmals auf die Pole der Sonne zu schauen. "Obwohl die Sicht von
Solar Orbiter auf die Pole noch nicht optimal ist, ist der Zeitpunkt für
solche Beobachtungen momentan besonders günstig", erklärt Prof. Dr. Hardi Peter
vom MPS, Mitglied des SPICE-, EUI- und Metis-Teams.
In ihrem etwa elfjährigen Zyklus hat die Aktivität der Sonne ihr Maximum derzeit
noch nicht erreicht. In dieser vergleichsweise ruhigen Phase tritt aus Regionen
in der Nähe der Pole vermehrt der schnelle Sonnenwind aus. Mit
Überschallgeschwindigkeiten von etwa 750 Kilometern pro Sekunde jagen diese
Sonnenteilchen durchs All. Gemeinsame Messungen von Solar Orbiters in
situ-Instrumenten, die diese Teilchen am Ort der Raumsonde vermessen, und den
Instrumenten, die auf die Sonne blicken, könnten Aufschluss über den
Beschleunigungsmechanismus geben. Beim nächsten Perihel-Durchgang in etwa sechs
Monaten dürfte der schnelle Sonnenwind bereits weiter abgenommen haben. Dann
allerdings kommt es häufiger zu spontanen Ausbrüchen der Sonnenteilchen.
Solar Orbiters aktuelle, stark elliptische Umlaufbahn wird sich in den
kommenden drei Jahren nur wenig ändern: Etwa alle sechs Monate wird die
Raumsonde ihren sonnennächsten Punkt erreichen. Mit dem nächsten
Perihel-Durchgang, der im Oktober dieses Jahres ansteht, rückt Solar Orbiter
der Sonne allerdings noch ein kleines Stück näher auf 42 Millionen Kilometer.
Dann wird Solar Orbiter auch die Sonden Helios A und B übertroffen
haben.
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