Ein etwas riskanter Vorüberflug an der Erde
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW astronews.com
25. November 2021
Nach ihrem Start im Februar 2020 und zwei Vorüberflügen an
der Venus im Dezember 2020 und August 2021, kehrt Solar Orbiter am 27.
November noch einmal zur Erde zurück: Während ihres Vorbeiflugs muss die
Raumsonde auch Bereiche durchqueren, in denen sich Weltraummüll befinden könnte.
Das Manöver der Sonde wird daher genau überwacht.
Die Sonde Solar Orbiter wird am 27. November
2021 die Erde passieren.
Bild: ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Auf ihrer dreieinhalbjährigen Reise zur Sonne fliegt Solar Orbiter
einmal an der Erde und achtmal an der Venus vorbei, um mit sogenannten
Gravity-Assist-Manövern die endgültige Umlaufbahn zu erreichen. Die ersten zwei
von acht Venus-Vorbeiflügen hat die Raumsonde erfolgreich absolviert. Wenn sie
nun am 27. November um 05:30 Uhr MEZ an der Erde vorbeirast, wird die Sonde
unserem Mutterplaneten – für astronomische Verhältnisse – gefährlich nahe
kommen: Solar Orbiter wird in nur 460 Kilometer Höhe über Nordafrika
und den Kanarischen Inseln fliegen. Das ist fast so nah wie die Umlaufbahn der
Internationalen Raumstation ISS.
Das Manöver ist wichtig, um die Energie der Sonde zu verringern und sie auf
den nächsten nahen Vorbeiflug an der Sonne auszurichten, es birgt aber auch ein
Risiko. "Solar Orbiter muss verschiedene Regionen durchqueren, in denen
sich Weltraummüll angesammelt hat", erläutert Forscher Michael Steindorfer vom
Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, der an der Satellite-Laser-Ranging-(SLR)-Station am
Observatorium Lustbühel tätig ist. Vor allem in niedrigen Erdumlaufbahnen
zwischen 400 und 800 Kilometer Höhe befindet sich eine große Anzahl an Objekten.
"Die Gefahr eines Zusammenstoßes ist gering, dennoch wird die Situation sehr
genau beobachtet, um die Flugbahn der Sonde im Notfall ändern zu können", so
Steindorfer.
"Der Vorbeiflug an der Erde bietet eine einzigartige Gelegenheit, das
Magnetfeld der Erde zu untersuchen", freut sich IWF-Gruppenleiterin Rumi
Nakamura. "Das Magnetfeld ist die Schnittstelle unserer Atmosphäre mit dem
Sonnenwind. Diese geladenen Teilchen die ständig von der Sonne ausgestoßen
werden, können nicht nur in das Magnetfeld eindringen und Polarlichter auf
unserem Himmel entfachen, sondern auch Atome aus unserer Atmosphäre können ins
Weltall entweichen."
Die Einzelheiten dieser Wechselwirkungen werden von drei weiteren Missionen
untersucht, an denen das IWF beteiligt ist. Die Cluster-Satelliten der
ESA sowie die MMS- und THEMIS-Satelliten der NASA werden zusammen mit Solar
Orbiter noch mehr Daten sammeln, um aus verschiedenen Punkten im Raum den
Zustand und das Verhalten des Erdmagnetfelds während des Vorbeiflugs zu
rekonstruieren.
Obwohl sich die Raumsonde noch in der "Cruise Phase" befindet, wurden bereits
zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse erzielt, die im Dezember veröffentlicht
werden. Dabei handelt es sich quasi um vorwissenschaftliche Arbeit mit den Daten
von Solar Orbiter. Die Sonde hat zehn wissenschaftliche Geräte an Bord,
die sowohl In-Situ-Messungen als auch Fernerkundungen vornehmen werden.
"Hauptziel der Mission ist es, mehr über die Heliosphäre zu erfahren und
herauszufinden, wie unser Stern diese riesige Plasmablase, in der unser
Sonnensystem eingebettet ist, erzeugt und moduliert", erläutert Plasmaphysikerin
Nakamura.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen der Sonnenwind, das Magnetfeld der
Sonne und ihre energiereichen Ausbrüche. Das IWF ist am Radiowelleninstrument
RPW und am Magnetometer MAG beteiligt. RPW wird während des Erdvorbeiflugs
eingeschaltet sein. "Das bevorstehende Manöver bietet eine gute Gelegenheit, um
die Software-Updates der letzten Wochen zu testen," erklärt IWF-Gruppenleiter
Manfred Steller, der für den RPW-Bordcomputer verantwortlich ist. Wegen der Nähe
zur Erde werden auch die Daten wesentlich rascher zur Verfügung stehen.
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