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Die Sonnenkorona und ihre Lagerfeuer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
28. April 2021
Zu den bislang spannendsten Entdeckungen der ESA-Raumsonde Solar Orbiter
gehören kleine, hell aufleuchtende Regionen in der heißen Sonnenkorona, die
anderen Raumsonden bisher entgangen waren. Die Mini-Strahlungsausbrüche wurden
mit dem Extreme-Ultraviolet Imager (EUI) aufgespürt und könnten die
hohe Temperatur der Sonnenkorona erklären helfen.
Auf den ersten Bildern des Extreme-Ultraviolet
Imager an Bord der ESA-Sonde Solar Orbiter waren
auch kleine, hell aufleuchtende Regionen in der
heißen Sonnenkorona zu sehen, die bislang nicht
beobachtet worden waren. Bild: Solar
Orbiter / EUI Team / ESA & NASA; CSL, IAS, MPS,
PMOD/WRC, ROB, UCL / MSSL [Großansicht] |
Streng genommen ist das Solar-Orbiter-Instrument Extreme-Ultraviolet
Imager (EUI) noch gar nicht im Dienst. Regelmäßige wissenschaftliche
Messungen sind erst ab Ende dieses Jahres vorgesehen, wenn die Raumsonde ihre
anvisierte, stark ellipsenförmige Umlaufbahn um die Sonne erreicht haben wird.
Doch schon die Daten, die während der technischen Inbetriebnahme des
Instrumentes im vergangenen Jahr abfielen, wurden mit Spannung erwartet.
Schließlich zeigen die 50 Bilder, die EUI auf etwa halbem Weg zwischen Erde und
Sonne aufgenommen hat, die heiße, äußere Hülle der Sonne, die sogenannte Korona,
in bisher nahezu unerreichter Detailschärfe.
Darin zu erkennen sind zwischen 400 und 4000 Kilometer große Bereiche, die
für kurze Zeit extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht hoher Intensität
abstrahlen. In den Aufnahmen erscheinen sie als winzige, helle Flecken. "Größere
Strahlungsausbrüche dieser Art kennen wir bereits aus den Messdaten anderer
Raumsonden", ordnet Dr. Udo Schühle vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS), der zum Führungsteam von EUI gehört, die
Beobachtungen ein. "Die kleinsten haben wir nun zum ersten Mal gesehen."
Die EUI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler bezeichnen die hell
aufblitzenden Bereiche als "Lagerfeuer". Die Eigenschaften von 1500 solcher
Lagerfeuer hat das Team unter Leitung von Dr. David Berghmans von der
Königlichen Sternwarte von Belgien nun untersucht und bietet damit die bisher
umfassendste Charakterisierung des Phänomens. Demnach dauern die
Strahlungsausbrüche nicht mehr als wenige Minuten an.
"Sie erreichen Temperaturen von mehr als eine Million Grad; viele haben eine
längliche, gebogene Form", beschreibt MPS-Wissenschaftler Dr. Luca Teriaca aus
dem EUI-Team. Zudem konnten die Forscherinnen und Forscher für einige der
Lagerfeuer berechnen, dass sie in der unteren Sonnenkorona, also etwa 1000 bis
5000 Kilometer über der sichtbaren Oberfläche der Sonne, auftreten. Dafür
wertete das EUI-Team weniger hoch aufgelösten Aufnahmen der NASA-Sonde Solar
Dynamics Observatory aus, die zeitgleich entstanden und die die Lagerfeuer
aus einem zweiten Blickwinkel zeigen.
Die Region zwischen der unteren und der oberen Sonnenatmosphäre fasziniert
Sonnenphysikerinnen und Sonnenphysiker seit Langem. Dort steigt die Temperatur
sprunghaft an: von einigen tausend auf mehr als eine Million Grad. Nach wie vor
ist ungeklärt, welche Prozesse die dafür notwendige Energie liefern.
Verschiedene Wellenphänomene, Spikulen, magnetische Prozesse und
Strahlungsausbrüche sind nur einige der Verdächtigen. "Wie wir jetzt sehen,
kommen die kleinsten, bisher unentdeckten Strahlungsausbrüche deutlich häufiger
vor als die größeren", erklärt EUI-Teammitglied Dr. Regina Aznar Cuadrado vom
MPS. "Es könnte sein, dass ihr Einfluss auf die Koronaheizung bisher
unterschätzt wurde", fügt sie hinzu.
"Um zu bewerten, welche Rolle die Lagerfeuer wirklich spielen, müssen wir
zunächst verstehen, welche physikalischen Prozesse ihnen zugrunde liegen", sagt
MPS-Wissenschaftler Prof. Dr. Hardi Peter, einer der Autoren einer zweiten
Studie, die demnächst erscheinen wird. Im Computermodell simulierte die Gruppe
das Zusammenspiel aus heißem Plasma und Magnetfeldern im Bereich zwischen der
Oberfläche der Sonne bis hin zur Korona und berechnete dann, wie sich ihre
künstlich geschaffene Sonnenatmosphäre in Messungen von EUI darstellen würden.
"Ganz gezielt haben wir die Perspektive von EUI eingenommen, um unsere
Rechnungen mit den aktuellen Messdaten in Beziehung zu setzen", so Yajie Chen,
der an der Universität Peking und am MPS forscht.
Auch in der simulierten Sonnenatmosphäre blitzen die kleinen Lagerfeuer auf.
Die hellsten von ihnen unterzogen die Forscher einer eingehenden Prüfung und
schauten besonders genau auf ihre Umgebung: Welche Prozesse spielen sich dort
ab? Wie verändern sich die magnetischen Eigenschaften der Sonnenatmosphäre dort?
In den meisten Fällen entstehen die Strahlungsausbrüche, wenn sich zwei Bündel
beinahe gleich gerichteter magnetischer Feldlinien, die bogenförmig in die
Sonnenatmosphäre ragen, kreuzen und wechselwirken. An ihrer Schnittstelle wird
genug Energie frei, das Sonnenplasma dort auf mehr als eine Million Grad zu
heizen.
"Die Lagerfeuer, die EUI misst, sind sozusagen nur die sichtbare Spitze des
Eisbergs", beschreibt Peter. Auslöser sind Umstrukturierungen im Magnetfeld der
Sonne, die sich unterhalb abspielen. Durchaus denkbar ist, dass die Korona noch
kleinere Strahlungsausbrüche kennt, die weder EUI noch die Computersimulationen
derzeit abbilden können. Wie stark kleine und kleinste Lagerfeuer zur Heizung
der Korona beitragen, hänge jedoch nicht allein von ihrer Häufigkeit ab, so
Peter. Ebenso wichtig sei, wie viel Energie sie zur Gesamtenergiebilanz der
Korona beitragen. Dieser Frage wollen die Forscher in ihren nächsten
Simulationen nachgehen.
Die Ergebnisse wurden jetzt auf der Jahrestagung der European Geosciences
Union vorgestellt und werden in zwei Fachartikeln in der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
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