ESA-Astronaut Matthias Maurer ist im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
11. November 2021
Der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer ist in der
vergangenen Nacht gemeinsam mit drei weiteren Crew-Mitglieder von der NASA vom
Kennedy Space Center in Florida aus ins All gestartet. Die
Crew-Dragon-Kapsel soll nach 22 Stunden Flug an der Internationalen Raumstation
ISS ankommen. Der gebürtige Saarländer soll bis April 2022 als zwölfter
deutscher Astronaut im Erdorbit leben und arbeiten.
Start der SpaceX-Crew-Dragon 3 von Cape
Canaveral aus in der vergangenen Nacht.
Bild: NASA / Joel Kowsky [Großansicht] |
Mit "Cosmic Kiss" wird für ihn ein lang gehegter Wunsch wahr: Der gebürtige
Saarländer Dr. Matthias Maurer ist als vierter Deutscher am 11. November 2021 um
03:03 Uhr MEZ zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. Der 51-jährige
Materialwissenschaftler aus St. Wendel ist seit Juli 2015 Mitglied des
Astronautenkorps der Europäischen Weltraumorganisation ESA und wurde am 14.
Dezember 2020 für seine erste ISS-Mission nominiert. Matthias Maurer ist zudem
der zweite Europäer, der als Missions-Spezialist an Bord einer SpaceX-Dragon-Raumkapsel
mit der Seriennummer 210 und dem Namen Endurance (deutsch: Ausdauer)
des kommerziellen NASA-Crew-Programms gemeinsam mit den NASA-Astronauten Raja
Chari (Kommandant), Thomas Marshburn (Pilot) und der NASA-Astronautin Kayla
Barron (Mission-Spezialistin) zur Raumstation fliegt.
Die vierköpfige Besatzung wird in acht Minuten und 48 Sekunden auf
Orbitalhöhe und -geschwindigkeit gebracht, um ihre Reise zur Internationalen
Raumstation anzutreten. In der Zwischenzeit soll die erste Stufe der
Trägerrakete Falcon 9 zur Erde zurückkehren, um wiederverwendet zu werden.
Maurer ist Mitglied der ISS-Expedition 66 und soll voraussichtlich bis April
2022 auf der Raumstation leben und arbeiten. Mehr als 100 internationale
Experimente, darunter 36 aus Deutschland, stehen auf seiner Agenda. Die
Falcon-9-Rakete startete vom bekannten Launch-Pad 39 A am Kennedy Space
Center der NASA auf Merrit Island (Florida). Diese Startrampe nutzte die
US-Raumfahrtbehörde bereits in den 1960er-Jahren für ihr Apollo-Mondprogramm.
"Wir sind alle sehr ruhig, das ist sicher ein Erfolg des Trainings", sagte
Maurer wenige Tage vor seinem Start. "Wir sind sehr konzentriert. Wenn wir in
der Kapsel sitzen, wird die Aufregung sicher kommen. Ich bin kein Superheld und
möchte auch keiner sein, hinter meiner Arbeit stecken viele, viele Leute." Das
Docking, also die Ankunft an der Raumstation, ist 22 Stunden nach dem Start für
den 12. November 2021 um 01:10 Uhr MEZ vorgesehen und wird auf NASA-TV
übertragen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist vielfältig in die
Mission eingebunden: Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn ist
für die Auswahl und Koordination der Experimente und Beiträge deutscher
Universitäten und Hochschulen sowie aus der Industrie verantwortlich. Ebenso
führen DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler eigene Experimente durch.
Das Columbus-Kontrollzentrum der ESA, beheimatet im Deutschen
Raumfahrtkontrollzentrum des DLR im bayerischen Oberpfaffenhofen, ist
verantwortlich für die Planung und Durchführung der Experimente, die im
europäischen Columbus-Modul auf der Raumstation stattfinden. Von hier
aus gehen die Daten der Experimente an die nationalen Nutzerkontrollzentren und
von dort aus zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den
beteiligten Partnern aus der Industrie.
"Die Internationale Raumstation ISS ist ein Ort, an dem sich einzigartige
Möglichkeiten für die Wissenschaft ergeben. Astronauten leben und arbeiten auf
der Raumstation unter den Bedingungen der Mikrogravitation", erläutert die
DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, "für Matthias
Maurer ist jetzt für sechs Monate die Raumstation sein Zuhause. Er wird einen
großen Teil seiner Zeit wissenschaftlichen Arbeiten in den Bereichen
Humanphysiologie, Physik, Biologie, Materialwissenschaften und Strahlenschutz
widmen. Allein 36 seiner Experimente kommen aus Deutschland. Dazu gehören auch
Technologien, die die Art und Weise, wie wir auf der Erde leben und arbeiten,
verändern werden."
Die deutschen Experimente der "Cosmic Kiss"-Mission umfassen
Grundlagenforschung wie anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologietests
aus den Bereichen Lebens- und Materialwissenschaften, Physik, Medizin,
Künstliche Intelligenz oder Erdbeobachtung. Zudem steht ein umfangreiches
Nachwuchs-Programm für Schülerinnen und Schüler auf der Agenda von Maurer.
"Matthias Maurer ist der zwölfte deutsche Astronaut im Weltraum und einer von
aktuell sieben aktiven Astronautinnen und Astronauten der ESA. Er plant mehr als
100 wissenschaftliche Versuche, spannend sind sie alle und im Fokus steht vor
allem auch der Nutzen und die Wertschöpfung durch die Experimente für uns
Menschen auf der Erde. Im Zeichen der Pandemie geht es zum Beispiel darum, in
der Schwerelosigkeit Oberflächen zu entwickeln, die das Wachstum von Keimen und
Bakterien hemmen. Wenn wir das hinbekommen, sehe ich Anwendungen in
Krankenhäusern und im öffentlichen Raum. In einem weiteren Experiment geht es um
einen Sportanzug, der mit Elektroschocks Muskel- und Knochenschwund reduziert.
So ein Anzug ist für Astronauten wichtig, kann aber auch vielen Millionen
Menschen auf der Erde helfen, beispielsweise in der Physiotherapie", betont Dr.
Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur
im DLR, die im Auftrag der Bundesregierung die deutschen ESA-Beiträge
verantwortet. Deutschland ist innerhalb der ESA der größte Beitragszahler für
das ISS-Programm.
Im Gepäck von Crew-3 sind auch weitere Cosmic-Kiss-Experimente aus
Deutschland: Das Experiment DOSIS 3D misst bereits seit 2012 die Strahlung
innerhalb und außerhalb der ISS. Für DOSIS 3D MINI wird nun zusätzlich zu den
Detektoren, die im europäischen Columbus-Labor montiert sind, ein zweiter Satz
von Detektoren mit Maurer zur ISS fliegen. Diese neuen Detektoren sollen von
Maurer u. a. auch im russischen Teil der ISS installiert werden, insgesamt kann
dann an 21 Stellen auf der ISS gemessen werden und ein 3D-Modell der
Strahlenbelastung auf der Raumstation generiert werden.
Bei Easy Motion - EMS geht es um einen speziellen Anzug, der die Astronauten
auf der ISS beim täglichen Sporttraining unterstützen soll: Denn wir können uns
nur fortbewegen, weil Muskeln in Rumpf und Gliedmaßen unserem Körper Stabilität
verleihen. Dabei arbeiten sie auf der Erde gegen die Schwerkraft und trainieren
sich so selbst. Um Muskelschwund und den dadurch bedingten Knochenabbau in
Schwerelosigkeit zu verhindern, ist Elektro-Muskel-Stimulation (EMS) eine
moderne Trainingsmethode, bei der Muskelpartien durch schwache Stromimpulse
angespannt werden. Wird diese erhöhte Grundspannung mit einem gezielten
Muskeltraining kombiniert, kann das den Erfolg deutlich erhöhen. An Bord der ISS
wird Matthias Maurer erstmals mit einem speziellen EMS-Anzug sein
Trainingsprogramm verbessern, das aus Laufen, Radfahren und Krafttraining
besteht.
Ebenfalls aus der Humanphysiologie stammt das Experiment Thermo-Mini, das zum
großen Teil bereits mit SpaceX-23 am 29. August 2021 zur Raumstation gebracht
worden ist: Ein längerer Aufenthalt im Weltall führt zu einem dauerhaften
Anstieg der Körperkerntemperatur. Dieses "Space Fever" ist eine potenzielle
Gefahr für die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten - vor allem bei
Sport und Außenbordeinsätzen. Mit Thermo-Mini werden bei Matthias Maurer die
Körperkerntemperatur und zirkadiane Rhythmik durch einen miniaturisierten
Thermosensor nicht-invasiv an der Stirn aufgezeichnet. Die gewonnen Daten sollen
Erkenntnislücken schließen und vor allem beweisen, dass der Mini-Thermosensor
für den Langzeiteinsatz im Weltraum geeignet ist. Auf der Erde kann der
Minisensor in extremen Umgebungen wie in Bergwerken und bei Feuerwehreinsätzen
aber auch im Krankenhaus angewendet werden.
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