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Am Wochenende soll von Cape Canaveral aus ein Dragon-Raumfrachter zur Internationalen Raumstation ISS starten. An Bord werden auch Hunderte Materialproben aus Saarbrücken sein, mit deren Hilfe untersucht werden soll, auf welchen Oberflächenstrukturen sich Krankheitskeime am schlechtesten ansiedeln und vermehren können.
Bakterien könnten im All zum Problem werden. Wie auf der Erde besiedeln Mikroorganismen auch die hier vom Menschen geschaffenen Lebensräume. Sie können mit Versorgungslieferungen an Bord kommen, aber vor allem stammen sie von den Menschen selbst, die von Natur aus mehr Bakterien auf und im Körper beherbergen als eigene Zellen. Auf der ISS waren bislang fast 250 Astronautinnen und Astronauten. Da kommt auch im Mikrokosmos einiges zusammen. Auf Griffen, Hebeln, Knöpfen, überall können sich Bakterien ansiedeln und Biofilme bilden, eine Schleimschicht, in deren Schutz sie beste Bedingungen haben. Die allermeisten der Bakterien sind harmlos. Es könnten aber auch gefährliche darunter sein, die die Situation im All ausnutzen: Das Immunsystem auch der fittesten Raumfahrerinnen und Raumfahrer wird in der Schwerelosigkeit schwächer. Die Mutationsrate der Bakterien hingegen ist durch die energiereiche Strahlung im Weltall höher. "Wir entwickeln verschiedene neuartige Oberflächen, die verhindern, dass sich solche Biofilme bilden", erklärt Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes. "Ziel ist, dass sich bei Weltraummissionen innerhalb der Raumstation keine Keime ausbreiten, die etwa durch die erhöhte Strahlenbelastung im isolierten Umfeld auch stärker mutieren könnten. Dies ist wichtig vor allem auch mit Blick auf die Zukunft, wenn Astronautinnen und Astronauten noch viel länger als bisher im Weltraum bleiben sollen, wie bei einem bemannten Flug zum Mars", erklärt der Materialwissenschaftler.
Mikroorganismen können gefährlich werden für die Menschen an Bord, aber auch für die technischen Systeme: "Die Biofilme können zum Beispiel lebenswichtige Kondensatleitungen verstopfen, aber auch Materialschäden herbeiführen und so die Funktionsfähigkeit der sensiblen Technik gefährden. Bakterien bringen auf Oberflächen auch chemische Prozesse in Gang, die dazu führen, dass das Material korrodiert", erläutert Mücklich. Auch auf der Erde könnten diese neuartigen Oberflächen helfen, den Bakterien das Leben schwerer zu machen: wie in Krankenhäusern oder Schulen, auf viel genutzten Türklinken und überall, wo viele Menschen die gleichen Dinge anfassen und benutzen. "Materialien, die für die Raumfahrt entwickelt wurden, führen oft zu Innovationen auch für den täglichen Gebrauch. Über den Vergleich der Wirkung der Mikrogravitation auf der ISS und unserer Gravitation auf der Erde lernen wir systematisch mehr über das mögliche Reaktionsspektrum der Bakterien", sagt er. In mehreren Forschungsprojekten forschen Mücklich und sein Team an neuen, antimikrobiellen Oberflächen. Bereits 2019 hatten sie gemeinsam mit der US-Weltraumbehörde NASA und dem MIT in Boston mehrere Probenserien laserstrukturierter Materialoberflächen zur ISS geschickt. Am 28. August treten jetzt zahlreiche Proben ihren Weg ins All an, bei denen Mücklich mit der europäischen Weltraumagentur ESA und dem Team von Professor Ralf Möller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR zusammenarbeitet. Für diese Mission haben die Forscherinnen und Forscher mit einer neuartigen Lasertechnik auf der Mikroebene der Oberflächen von Kupfer-, Messing- und Stahl-Proben mikroskopisch feine, periodische Strukturen "eingraviert". "Wir verändern mit Laserinterferenz-Technologie gezielt die Mikrotopographie der Oberflächen – de facto 'ohne Chemie'. So wollen wir herausfinden, ob und wie Keime sich darauf in der Schwerelosigkeit ansiedeln und wie eine nanometergenaue Laserstrukturierung in Kombination mit antimikrobiellen Eigenschaften verhindern kann, dass sich Bakterienstämme ausbreiten", erklärt Mücklich. Mit seinem Team entwickelt er seit 15 Jahren die Laserinterferenz-Technologie (Direct Laser Interference Patterning -DLIP), die er zur Marktreife gebracht hat. Sie macht es möglich, mikroskopisch feine, dreidimensionale Muster zu erzeugen. "Diese Muster haben eine Dimension von wenigen Mikro- bis einigen hundert Nanometern", sagt er. Bei den mikrostrukturierten Oberflächen der Proben, die sein Team jetzt ins All schickt, handelt es sich einmal um eine Art "Nagelbrett" von Submikrometergröße, das es Bakterien schwer machen soll, anzudocken. Weitere haben eine Mulden-Struktur von vielen aneinandergereihten "Sesseln" im Mikrometer-Maßstab, die es erleichtern soll, Bakterien, die hier sehr gut Platznehmen können, durch maximalen Oberflächenkontakt mit Kupfer-Ionen abzutöten. Und die dritte Art der Oberflächen haben die Forscherinnen und Forscher so bearbeitet, dass sie absolut glatt sind und als Referenz dienen. Insgesamt sind es 230 Proben, die an Bord des SpaceX-Versorgungsfluges zur ISS starten; jeweils rund 30 der drei verschiedenen Mikro-Strukturtypen – Nagelbrett, Sessel und glatt – auf jeweils drei metallischen Materialien: auf reinem Kupfer, auf dem Bakterien durch die Kupfer-Ionen nach kurzer Zeit absterben, auf einer Kupfer-Zink-Legierung, allen bekannt als Messing, und auf reinem Edelstahl, das keinen chemischen Einfluss haben sollte. Der deutsche ESA-Astronaut Mathias Maurer wird nach seiner Ankunft auf der ISS Ende Oktober das Forschungsprojekt betreuen. Maurer hat an der Universität des Saarlandes Materialwissenschaft studiert und bei Frank Mücklich seine Diplomarbeit geschrieben. Auf der ISS wird er Experimente mit den 230 Probenträgern ausführen und diese mit unterschiedlichen Bakterienstämmen besiedeln. Nach Abschluss der Experimente werden die Proben materialwissenschaftlich von den Forscherinnen und Forschern an der Universität des Saarlandes und astrobiologisch am DLR untersucht. Es geht darum, herauszufinden, welche Oberflächen-Laserstrukturierung durch DLIP in welcher Größenordnung unter den Weltraumbedingungen auf der ISS wie Schwerelosigkeit, Mikrogravitation und Strahlung am wirksamsten ist. Maurer wird im Rahmen seiner "Cosmic Kiss"-Mission auch bei weiteren Experimenten mit dem Forscherteam um Mücklich zusammenarbeiten.
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