Supernova-Überrest im Halo der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
26. August 2021
In den Daten der dritten Himmelsdurchmusterung mit dem
Spektrum-Röntgen-Gamma-Observatorium, an dem mit eROSITA auch deutsche
Forschende beteiligt sind, wurden nun die Überreste eine Supernova entdeckt, die
sich vor rund 40.000 Jahren im Halo der Milchstraße ereignet haben dürfte. Der
Überrest hat heute einen Durchmesser von 600 bis 700 Lichtjahren.
Röntgenbild der 8x8 Grad großen Region um
SRGe J0023+3625, aufgenommen während der ersten
drei Durchmusterungen von SRG/eROSITA. Die
schwache ringförmige Struktur, die im Bild zu
sehen ist, ist der neu entdeckte SNR-Kandidat –
wahrscheinlich ein Überbleibsel der
thermonuklearen Explosion eines kompakten Sterns
im heißen Gas des Milchstraßenhalos.
Bild: SRG / eROSITA [Großansicht] |
Die besonders hohe Empfindlichkeit, mit der das
Spektrum-Röntgen-Gamma-Observatorium den Himmel im Röntgenbereich durchmustert,
macht die Entdeckung von sehr seltenen und ungewöhnlichen Röntgenquellen
möglich. Nach der kürzlich abgeschlossenen dritten Himmelsdurchmusterung
identifizierten die Astronomen ein gigantisches, "rundes" Objekt mit dem Namen
G116.6-26.1, dessen Winkelgröße acht Mal dem Mond entspricht. Seine physische
Größe dürfte erstaunliche 600-700 Lichtjahre betragen.
Das Entdeckerteam vermutet, dass es sich um den Überrest einer
thermonuklearen Supernova handelt, die vor etwa 40.000 Jahren explodierte. Die
Quelle befindet sich hoch über der Scheibe unserer Galaxis, höchstwahrscheinlich
im heißen Gas des Milchstraßen-Halos, das nur eine geringe Dichte aufweist.
Aufgrund dieser ungewöhnlichen Umgebung ist der Überrest im Röntgenlicht fast
zehnmal heller als naive Modelle vorhersagen würden. Dieser und ähnliche
Überreste (falls noch weitere gefunden werden) eröffnen einen neuen Weg zur
Erforschung des schwer greifbaren, heißen Gas-Halos unserer Galaxie.
Supernova-Überreste sind äußerst interessante Objekte, die nach einer
Supernova-Explosion entstehen, wenn die Materiehülle, die von dem explodierenden
Stern ausgestoßen wird, sich ausdehnt und mit dem umgebenden Gas wechselwirkt.
Astronomen haben in unserer Galaxie mehrere hundert dieser Überreste
identifiziert, deren Alter zwischen Hunderten von Jahren (z. B. Keplers
Supernova) und mehreren Zehntausend Jahren liegt.
Die Überreste sind oft kreis- oder ringförmig, da das Gas durch die Stoßwelle
komprimiert wird. Die SRG/eROSITA-Himmelsdurchmusterung im Röntgenbereich hat
nun einen weiteren Supernova-Überrest gefunden; allerdings weisen mehrere
Faktoren auf ein ziemlich ungewöhnliches Objekt hin. Zunächst einmal bedeutet
die Lage hoch über der galaktischen Ebene, dass es sich bei der Supernova
wahrscheinlich um eine thermonukleare Explosion eines Weißen Zwerges handelt.
Während die meisten Supernovae beim Kollaps eines massereichen Sterns entstehen,
werden diese hauptsächlich in der Nähe der galaktischen Ebene beobachtet.
Thermonukleare Supernovae (die so genannten Supernovae vom Typ Ia) stammen
dagegen von massearmen Sternen und können außerhalb der Scheibe, z. B. im "Halo"
der Milchstraße, gefunden werden. Das Röntgenspektrum von G116.6-26.1 liefert
noch eine weitere wichtige Information. Es stammt von dem durch eine Stoßwelle
komprimierten Gas, enthält aber die gleichen Linien von wasserstoffähnlichen und
heliumähnlichen Sauerstoff-Ionen wie die diffuse Emission des heißen Gases im
Halo der Milchstraße. Solche Ionen sind typisch für Gas mit einer Temperatur von
ein bis zwei Millionen Grad.
Warum gibt es im Halo und in dem neu entdeckten Objekt die gleichen Ionen?
Ist es nur Zufall, dass die Gastemperaturen übereinstimmen? Dies ist zwar
möglich, aber es könnte auch eine andere Erklärung geben: Die Supernova könnte
im Halo-Gas selbst explodiert sein. Da die Dichte des Gases im Halo sehr gering
ist, dauert eine Änderung der Ionisationsbilanz länger als das Alter der
Supernova. Das bedeutet, dass Linien beobachtet werden können, die für die
Gastemperatur im Halo charakteristisch sind, auch nachdem das Gas durch die
Stoßwelle komprimiert und aufgeheizt wurde.
Mit anderen Worten: Das Gas "erinnert" sich an seine ursprüngliche
Temperatur, selbst wenn es durch die Stoßwelle komprimiert wurde. Dieselbe
Annahme impliziert, dass der Supernova-Überrest zu einer Quelle heller
Röntgenemission in den Linien von Sauerstoffionen wird, da heißere Elektronen
die Energieniveaus der Ionen nun leichter anregen können. Das ist genau der
Grund, warum es überhaupt möglich war, diesen SNR zu finden, sonst wäre er viel
zu schwach gewesen, um im Röntgenlicht gesehen zu werden.
In diesem Modell explodierte eine Supernova vor etwa 40.000 Jahren im Halo
der Galaxie, so dass der Überrest nun die gigantische physische Größe von etwa
600 bis 700 Lichtjahren im Durchmesser hat. Das bedeutet, dass wir solche
Supernova-Überreste nutzen können, um das heiße Gas im Halo unserer Galaxie zu
untersuchen. Jetzt müssen nur noch einige weitere ähnliche Objekte gefunden
werden. Das SRG-Observatorium wird in den kommenden Jahren fünf weitere
Durchmusterungen durchführen. Die Astronomen hoffen, dass am Ende der letzten
Durchmusterung die Liste der Supernova-Überreste viele neue und interessante
Quellen enthalten wird.
Über die Entdeckung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen
ist.
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