Deutsches Röntgenteleskop im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
15. Juli 2019
Das deutsche Röntgenteleskop eRosita ist am Wochenende an Bord einer
Proton-M-Trägerrakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur aus ins All
gestartet. Gemeinsam mit dem russischen Teleskop Art-XC wird es am
Lagrange-Punkt 2 stationiert und soll von dort aus eine umfassende Inventur des
heißen Universums beginnen.
Am 13. Juli 2019 startete um 14:31 Uhr MESZ
eine Proton-Trägerrakete mit der Raumsonde
Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG), dem deutschen
Röntgenteleskop eRosita und seinem russischen
Partnerinstrument ART-XC an Bord vom Kosmodrom
Baikonur.
Bild: MPE/Vadim Burwitz [Großansicht] |
Die Raumsonde Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG) mit dem deutschen Röntgenteleskop
eRosita sowie seinem russischen Partnerinstrument ART-XC ist am 13. Juli 2019 um
14:31 Uhr MESZ an Bord einer Proton-Rakete erfolgreich vom Weltraumbahnhof in Baikonur gestartet. Der Start hatte sich zuvor mehrfach verschoben, zuletzt
hatte man gehofft, das Teleskop am 21. Juni 2019 ins All schicken zu können (astronews.com
berichtete).
Das deutsche Röntgenteleskop eRosita und sein russisches Partnerinstrument
ART-XC sollen am 1,5 Millionen Kilometer entfernten Lagrange-Punkt 2 stationiert
werden. Von diesem Ort des Kräftegleichgewichts aus wird eRosita (extended
Roentgen Survey with an Imaging Telescope Array) die gigantischste kosmische
Inventur des heißen Universums beginnen. Das deutsche Weltraumteleskop wird
dafür mit seinen sieben Röntgendetektoren den gesamten Himmel beobachten und
nach heißen Quellen wie Galaxienhaufen, aktiven Schwarzen Löchern,
Supernova-Überresten, Röntgendoppelsternen sowie Neutronensternen suchen und sie
kartieren.
"eRosita’s Röntgenaugen sind die besten, die jemals auf einem
Weltraumteleskop gestartet sind. Ihre einmalige Kombination aus
Lichtsammelfläche, Gesichtsfeld und Auflösung machen sie circa 20-mal so
empfindlich wie das deutsche Teleskop ROSAT in den 199-er Jahren - High-Tech
made in Germany. So wird eRosita uns dabei helfen, die Struktur des Kosmos und
dessen Entwicklung besser zu verstehen. Insbesondere wird das deutsche Teleskop
aber dazu beitragen, das Rätsel der Dunklen Energie zu lösen", betont Dr.
Walther Pelzer, Vorstand im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
zuständig für das Raumfahrtmanagement, mit dessen Unterstützung eRosita vom
Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) gebaut wurde.
Unser Universum dehnt sich seit dem Urknall kontinuierlich aus. Noch bis in
die 1990er-Jahre hatte man gedacht, dass diese kosmische Expansion langsamer
wird und irgendwann zum Stillstand kommt. Doch dann kamen die Astrophysiker Saul
Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt. Sie beobachteten Sternenexplosionen,
die weit sichtbar sind und immer gleich viel Licht abstrahlen. Sie vermaßen ihre
Entfernungen und konnten es selbst kaum glauben. "Die beobachteten Supernovae
vom Typ Ia waren weniger hell, als man eigentlich erwartet hatte. Damit war
klar: Das Universum wird bei seiner Ausdehnung nicht langsamer - ganz im
Gegenteil. Es nimmt Fahrt auf und wird mit wachsender Geschwindigkeit immer
weiter auseinandergetrieben", erklärt Dr. Thomas Mernik, eRosita-Projektleiter
beim DLR Raumfahrtmanagement.
Mit dieser Erkenntnis haben die drei Forscher die Wissenschaft auf den Kopf
gestellt und bekamen im Jahr 2011 den Nobelpreis für Physik verliehen. Doch Saul
Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt lassen uns mit einer entscheidenden
Frage zurück: "Welcher 'kosmische Kraftstoff' treibt das Universum an? Weil man
diese Frage bis heute nicht beantworten kann und seine Zutaten nicht kennt,
nannte man diesen Beschleuniger einfach Dunkle Energie. eRosita wird nun
versuchen, dem Grund dieser Beschleunigung auf die Spur zu kommen", erklärt
Thomas Mernik.
In Wirklichkeit wissen wir nicht viel über unser Universum. Wir kennen gerade
einmal die Zutaten von vier Prozent seiner Energiedichte, denn so winzig ist der
Anteil von "normaler" Materie wie Protonen und Neutronen an der "Rezeptur des
Weltalls". Die anderen 96 Prozent sind ein Rätsel. Man vermutet heute, dass 26
Prozent die Dunkle Materie beisteuert. Der größte Anteil mit geschätzten 70
Prozent macht allerdings die Dunkle Energie aus.
Um ihr auf die Spur zu kommen, müssen Wissenschaftler etwas unvorstellbar
Großes und extrem Heißes beobachten: "Galaxienhaufen setzen sich aus bis zu
einigen tausend Galaxien zusammen, die sich mit unterschiedlichen
Geschwindigkeiten im gemeinsamen Schwerefeld bewegen. In ihrem Inneren sind
diese merkwürdigen Gebilde von einem dünnen, unvorstellbar heißen Gas
durchdrungen, das sich durch seine Röntgenstrahlung beobachten lässt. Genau hier
kommen die Röntgenaugen von eRosita ins Spiel. Mit ihnen beobachten wir
Galaxienhaufen und schauen, wie sie sich im Universum bewegen und vor allem, wie
schnell sie das tun. Diese Bewegung wird uns dann hoffentlich mehr über die
Dunkle Energie verraten", erklärt DLR-Projektleiter Thomas Mernik.
Doch nicht nur die Bewegungsmuster der Galaxienhaufen interessieren die
Wissenschaftler. Sie wollen diese Gebilde zählen und kartieren. Bis zu 100.000
solcher Haufen sollen die Röntgenaugen von eRosita "einfangen" - mehr als jemals
zuvor beobachtet wurden. Außerdem sollen weitere heiße Phänomene wie aktive
Schwarze Löcher, Supernova-Überreste sowie Röntgendoppel- und Neutronensterne
beobachtet und lokalisiert werden. Dafür durchmustert eRosita alle sechs Monate
den gesamten Himmel und erstellt in vier Jahren eine tiefe und detaillierte
Karte des Universums im Röntgenbereich. Auf diese Weise wird eRosita die
gigantischste kosmische Inventur des heißen Universums durchführen und uns so
dabei helfen, die Struktur des Kosmos und dessen Entwicklung besser zu
verstehen.
Das deutsche Teleskop setzt sich aus zwei Kernbestandteilen zusammen: seiner
Optik und seinen Detektoren. Erstere besteht aus sieben parallel ausgerichteten
Spiegelmodulen. Jedes Modul hat einen Durchmesser von 36 Zentimetern und besteht
aus 54 ineinander geschachtelten Spiegelschalen, deren Oberfläche aus einem
Paraboloid und einem Hyperboloid (Wolter-I-Optik) zusammengesetzt ist. "Die
Spiegelmodule sammeln hochenergetische Photonen und leiten diese an die
CCD-Röntgenkameras weiter, die speziell für eRosita in unserem Halbleiterlabor
in Garching entwickelt wurden. Sie bilden den zweiten Kernbestandteil von
eRosita und sitzen im Brennpunkt jedes Spiegelsystems. Diese hochempfindlichen
Kameras sind die besten ihrer Art und bilden gemeinsam mit den Spiegelmodulen
ein Röntgenteleskop, dessen Kombination aus Lichtsammelfläche und Gesichtsfeld
unerreicht ist", erklärt Dr. Peter Predehl, eRosita-Projektleiter beim
Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik.
Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG) ist eine Raumfahrtmission mit vielen Partnern.
Auf russischer Seite sind die Raumfahrtagentur Roskosmos, der Raumfahrtkonzern
Lavochkin sowie das Institut für Weltraumforschung der Russischen Akademie der
Wissenschaften (IKI) eingebunden. Das deutsche Röntgenteleskop eRosita wurde mit
der Unterstützung des DLR Raumfahrtmanagements vom Max-Planck-Institut für
Extraterrestrische Physik in Garching gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für
Astrophysik Potsdam (AIP) Potsdam sowie den Universitäten Erlangen-Nürnberg,
Hamburg und Tübingen entwickelt und gebaut. Zudem bereiten die Universitäten
München und Bonn die wissenschaftliche Auswertung der eRosita-Daten mit vor. Die
am deutschen Teleskop beteiligten Partnerinstitute haben Software für die
Datenanalyse, Missionsplanung und Simulationen erstellt sowie Teile der Hardware
beigestellt. Die hauptsächliche Hardwareverantwortung lag aber im Wesentlichen
beim MPE.
"Normalerweise wird ein derart komplexes Instrument wie eRosita von einem
großen Institut nur mithilfe eines industriellen Hauptauftragnehmers umgesetzt.
Wir sind aber mit dem MPE gemeinsam einen anderen Weg gegangen und haben das
Institut die Entwicklung in Eigenregie durchführen lassen", betont Mernik.
Projektleitung, Produktsicherung und Systemauslegung waren zentrale Aufgaben,
die vom MPE selbst erledigt wurden. Dafür wurden andere Aufgaben von dort an die
Industrie vergeben - zum Beispiel für die Spiegelfertigung, die Struktur, die
Thermalisolierung, mechanische Präzisionsteile, Elektronikplatinen und vieles
mehr.
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DLR
eRosita, Webseite am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik
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