Wasserdampf in der Atmosphäre von Ganymed?
von
Stefan Deiters astronews.com
27. Juli 2021
Mithilfe von Archivdaten des Weltraumteleskops Hubble wurden
nun erstmals Hinweise auf die Existenz von Wasserdampf in der Atmosphäre des
Jupitermonds Ganymed gefunden. Die Entdeckung gelang durch die Auswertung von
Polarlichtbeobachtungen auf dem Trabanten. Ganymed ist der größte Mond im
Sonnensystem.
Der Jupitermond Ganymed in einer Hubble-Aufnahme aus dem Jahr
1996.
Bild: NASA, ESA, John Spencer (SwRI Boulder)
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Beobachtungen von Ganymed im Ultravioletten aus dem Jahr
1998: Gut zu erkennen sind polarlichtähnliche
Leuchterscheinungen in der Atmosphäre des Mondes. Die
Unterschiede der Beobachtungen in verschiedenen
Wellenlängenbereichen erklärte man damals durch atomaren
Sauerstoff.
Bild: NASA, ESA, Lorenz Roth (KTH)
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Der Jupitermond Ganymed ist der größte Mond im Sonnensystem und übertrifft
mit seinem Durchmesser sogar noch den sonnennächsten Planeten Merkur. Frühere
Untersuchungen hatten bereits ergeben, dass der Mond mehr Wasser enthalten
könnte als alle Ozeane der Erde zusammengenommen. Aufgrund der Temperaturen in
dieser Entfernung zur Sonne ist das Wasser auf der Oberfläche allerdings
steinhart gefroren. Ein vermuteter Ozean dürfte sich über 150 Kilometer unter
der Oberfläche befinden, so dass von dort kein Wasser entkommen können sollte.
Beobachtungen mit dem Spektrografen STIS des Weltraumteleskops Hubble im
Ultravioletten haben 1998 erstmals Polarlichter auf Ganymed gezeigt, was die
Forschenden damals in der Vermutung bestärkte, dass der Mond über ein schwaches
Magnetfeld verfügt. Die damaligen Beobachtungen wurden durch das Vorhandensein
von Sauerstoffmolekülen erklärt, allerdings passten die Daten nicht exakt zu
einer reinen Atmosphäre aus Sauerstoffmolekülen, so dass man damals auch noch
die Anwesenheit von atomarem Sauerstoff vermutete.
Ergänzend zu den Beobachtungen der Mission der NASA-Sonde Juno haben ein Team von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Lorenz Roth vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm 2018 dann versucht, den Anteil von atomarem
Sauerstoff in der Atmosphäre von Ganymed zu messen und dazu neue Beobachtungen
mit dem Spektrografen COS auf Hubble durchgeführt und diese mit STIS-Archivdaten aus den Jahren 1998 bis 2010
kombiniert. Zu ihrer Überraschung entdeckten sie in der Atmosphäre des Mondes
praktisch keinen atomaren Sauerstoff.
Doch wie waren dann die Unterschiede bei den Polarlichtbeobachtungen zu erklären? Roth und sein
Team schauten sich die damaligen Bilder genauer an und hier insbesondere die
Verteilung der Polarlichterscheinungen. Dabei stießen sie auf einen
interessanten Zusammenhang: Die Oberflächentemperaturen auf Ganymed schwanken im
Laufe eines Tages stark. In Äquatornähe kann es dadurch zur Mittagszeit so warm
werden, dass Wassereis von der Oberfläche direkt sublimiert und als Wasserdampf
freigesetzt wird. Die auf den UV-Bildern sichtbaren Unterschiede lassen sich
direkt mit den Regionen in Verbindung bringen, in denen eine Sublimation von
Wassereis theoretisch möglich wäre.
"Bislang wurde nur der molekulare Sauerstoff beobachtet", erklärt Roth.
"Dieser entsteht, wenn geladene Teilchen auf die eisige Oberfläche treffen. Den
Wasserdampf, den wir nun festgestellt haben, stammt von der Sublimation von Eis,
was auf das thermische Entweichen von Wasserdampf in wärmeren Eisregionen
zurückzuführen ist."
Diese neuen Erkenntnisse machen die geplante ESA-Mission JUICE noch
interessanter: Die Sonde soll im kommenden Jahr starten und ab 2029 das
Jupitersystem und hier insbesondere die drei großen Eismonde des Gasriesen
untersuchen. Einer der Schwerpunkte liegt dabei auf Ganymed und dessen Potential
als Welt mit möglicherweise lebensfreundlichen Bedingungen.
Über die neuen Ergebnisse berichtet
das Team in einem Fachartikel, der in Nature Astronomy erschienen ist.
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