Warum Ganymed und Kallisto so verschieden sind
von Stefan Deiters astronews.com
25. Januar 2010
Die beiden Jupitermonde Ganymed und Kallisto haben in etwa
die gleiche Größe und bestehen aus einer sehr ähnlichen Mischung aus Eis und
Gestein. Trotzdem unterscheidet sich sowohl ihre Oberfläche als auch ihr innerer
Aufbau deutlich voneinander. Wissenschaftler des Southwest Research
Institute glauben nun eine Erklärung für diese verblüffenden Unterschiede
gefunden zu haben.

Die vier Galileischen Monde des Jupiter.
Astronomen glauben jetzt die Unterschiede der
Oberfläche und des inneren Aufbaus von Ganymed (ganz unten) und Kallisto
(unten links) erklären zu können.
Bild: NASA / JPL |
Eigentlich könnten die beiden Jupitermond Ganymed und Kallisto so
etwas wie Zwillinge sein: Sie haben ungefähr die gleiche Größe und bestehen auch
in etwa aus der gleichen Mischung aus Eis und Gestein. Doch Daten und Bilder der
Voyager-Sonden und der Jupitersonde Galileo haben gezeigt,
dass sich offenbar nicht nur ihre Oberfläche deutlich voneinander unterscheidet,
sondern auch ihr innerer Aufbau. Wissenschaftler des amerikanischen
Southwest Research Institute (SWRI) führen diese Unterschiede auf ein
verschieden stark ausgeprägtes Bombardement mit Kometen vor rund 3,8 Milliarden
Jahren zurück. Sie berichten über ihre Untersuchungen in der aktuellen Ausgabe
von Nature Geoscience.
Dr. Amy C. Barr und Dr. Robin M. Canup von der Abteilung für planetare
Wissenschaften des SWRI haben ein Modell entwickelt, durch das sich ein
Aufschmelzen der Monde durch Einschläge von Kometen und die Bildung von
Gesteinskernen der beiden Monde verfolgen lässt. Danach trennten sich die
Entwicklungspfade von Ganymed und Kallisto vor rund 3,8 Milliarden Jahren -
während einer Phase zahlreicher Einschläge von Asteroiden und Kometen im
Sonnensystem, die man als "Großes Bombardement" oder Late Heavy Bombardement
bezeichnet.
"Einschläge in dieser Zeit haben Ganymed bis tief ins Innere zum Schmelzen
gebracht, so dass die Wärme nicht mehr schnell verschwinden konnte", erläutert
Barr. "Das gesamte Gestein von Ganymed sank ins Zentrum. Kallisto wurde von
weniger Brocken getroffen, die zudem eine niedrigere Geschwindigkeit hatten und
ist daher nicht komplett geschmolzen." Das Modell von Canup und Barr
berücksichtigt, dass durch Jupiters starke Anziehungskraft Kometen praktisch auf
Ganymed und Kallisto fokussiert wurden. Da Ganymed näher an Jupiter liegt,
bekam dieser Mond fast doppelt so viele Einschläge ab wie Kallisto.
Die Untersuchung wirft ein neues Licht auf die Entstehung der zunächst
verblüffenden Unterschiede zwischen den beiden Monden, die einmal mit sehr
ähnlichen Ausgangsbedingungen ihre Entwicklung begonnen haben - ein Phänomen,
das man auch an anderen Orten des Sonnensystems findet. Die Studie stellt nun
eine Verbindung zwischen der Entwicklung der Jupitermonde, der Migration der
Gasriesen ins äußere Sonnensystem und auch der Einschlagsgeschichte von Brocken
auf der Erde her.
"Genau wie die Erde und die Venus sind auch Ganymed und Kallisto Zwillinge.
Wenn wir verstehen, wie sie entstanden sind und warum sie sich so
unterschiedlich entwickelt haben, ist das für Planetenwissenschaftler von großem
Interesse", erläutert Barr. "Unsere Untersuchung zeigt, dass durch Ganymed und Kallisto praktisch die frühe Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems
aufgezeichnet wurde. Das ist außerordentlich spannend und wir hatten das nicht
erwartet."
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