Mehrere Ozeanschichten unter dem Eis?
von Stefan Deiters astronews.com
5. Mai 2014
Der größte Mond des Sonnensystems, der Jupitermond Ganymed,
könnte unter seiner eisigen Oberfläche nicht nur eine dicke Ozeanschicht
verbergen, sondern gleich mehrere Lagen aus Eis und flüssigem Wasser. Darauf
deuten neue Modelle über den inneren Aufbau des großen Mondes hin. Für die
Entstehung von Leben auf dem Trabanten hätte dies interessante Konsequenzen.

So stellen sich
die Wissenschaftler den inneren Aufbau von
Ganymed vor. Die flüssigen Bereiche sind
dunkelblau dargestellt.
Bild: NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
"Ganymeds Ozean könnte
wie ein mehrschichtiges Sandwich strukturiert sein", vergleicht Steve
Vance vom Jet Propulsion Laboratory der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA,
der die zu Beginn des Monats vorgestellte Untersuchung leitete. Ihre Theorie
über den inneren Aufbau des größten Mondes des Gasriesen Jupiter hatte das Team
erstmals im vergangenen Jahr präsentiert. Jetzt untermauerten sie ihre These mit
weiteren Daten. Bislang war man davon ausgegangen, dass es unter der
Eisdecke des größten Monds im Sonnensystem nur eine dickere Schicht aus
flüssigem Wasser gibt.
Die neuen Ergebnisse sind auch zur Klärung der Frage interessant,
ob sich auf dem Mond einmal primitives Leben gebildet haben könnte.
Wissenschaftler glauben inzwischen, dass für die Entstehung von Leben gerade die
Stellen von Bedeutung sein könnten, in denen Wasser und Gestein
aufeinandertreffen. So ist es durchaus möglich, dass heiße Quellen auf dem Boden der
irdischen Ozeane der
Ursprung des Lebens auf der Erde waren.
Bisherige Untersuchungen über den inneren Aufbau von Ganymed waren von einer
einzelnen Schicht aus flüssigem Wasser ausgegangen, die auf beiden Seiten von
einer Eisschicht begrenzt wird. Einen direkten Kontakt des Wassers mit dem
Gesteinskern des Mondes würde es somit nicht geben können. Nach dem neuen Modell
erscheint es möglich, dass sich die unterste Ozeanschicht direkt über einer
Gesteinsschicht befindet.
"Das ist für Ganymed eine gute Nachricht", urteilt Vance. "Der Ozean ist
gewaltig und erzeugt einen enormen Druck, so dass man davon ausgehen musste,
dass sich am Boden des Ozeans dichtes Eis befindet. Als wir aber zu unseren
Modellen Salz hinzufügten, erhielten wir eine Flüssigkeit, deren Dichte groß
genug war, um auf den Boden des Ozeans abzusinken."
Frühere Modelle hatten dem Salz keinen so großen Einfluss zugeschrieben. Vance
und sein Team machten jedoch Laborexperimente und untersuchten dabei, wie sehr
Salze die Eigenschaften von Flüssigkeiten unter so extremen Bedingungen wie
im Inneren eines Mondes verändern können.
Im Falle von Ganymed ist die Sache allerdings noch wesentlich komplizierter:
Hier muss man noch verschiedene Arten von Eis unterscheiden, die jeweils
unterschiedliche Dichten ausweisen. Unter Berücksichtigung der Eigenschaften der
verschiedenen Eistypen und des salzigen Wassers ergab die Modellierung einen
Ozean, der sich zwischen bis zu drei Eisschichten befindet und zum Mondinneren
hin durch einen steinigen Boden begrenzt sein kann.
"Wir wissen nicht, wie lange diese Konfiguration bestehen würde", meint
Christophe Sotin vom Jet Propulsion Laboratory. "Die Struktur stellt einen
stabilen Zustand dar, doch könnten verschiedene Faktoren dazu führen, dass der
Mond diesen stabilen Zustand nicht wirklich erreichen kann."
Ganymed ist einer von fünf Monden im Sonnensystem, unter deren eisiger
Oberfläche die Wissenschaftler einen Ozean vermuten. Die Resultate der
Studie könnten sich aber nicht nur auf andere Monde, sondern auch auf
extrasolare Planeten anwenden lassen. Mit einem Durchmesser von über 5.260
Kilometern ist Ganymed nämlich größer als der sonnennächste Planet Merkur.
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Planetary and Space Science.
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