Schwarze Löcher verschluckten Neutronenstern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
1. Juli 2021
Forschende haben erstmals die Gravitationswellen von einem
Schwarzen Loch aufgefangen, das einen Neutronenstern verschluckt. Gleich zwei im
Januar 2020 beobachtete Signale dürften sich so erklären lassen. Durch eine
Aufrüstung der Detektoren für den vierten Beobachtungslauf sollten künftig noch
deutlich mehr Signale dieser Art entdeckt werden.
Wie in dieser Simulation könnte es aussehen,
wenn ein Neutronenstern von einem Schwarzen Loch
zerrissen und verschluckt wird.
Bild: Deborah Ferguson (UT Ausitn),
Bhavesh Khamesra (Georgia Tech), and Karan Jani
(Vanderbilt University) [Großansicht] |
LIGO-, Virgo- und KAGRA-Forschende haben jetzt zwei neue
Gravitationswellenereignisse vorgestellt, die sie innerhalb von nur zehn Tagen
im Januar 2020 während der zweiten Hälfte des dritten Beobachtungslaufs
entdeckten. Das von den LIGO- und Virgo-Detektoren beobachtete Signal ist der
erste sichere Nachweis einer Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit einem
Neutronenstern. Die Wellen kamen aus Entfernungen von mehr als 900 Millionen
Lichtjahren. Die Schwarzen Löcher verschluckten die Neutronensterne am Stück.
Auch wenn sich von beiden Ereignissen kein Licht nachweisen ließ, waren die
Gravitationswellen klar und deutlich. Sie erlauben den Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern erste Rückschlüsse auf die Entstehung dieser seltenen
Doppelsysteme und darauf wie oft sie verschmelzen. Die beiden
Gravitationswellen-Ereignisse tragen die Bezeichnungen GW200105 und GW200115 und
wurden am 5. Januar und 15. Januar 2020 beobachtet.
"Innerhalb von nur zehn Tagen im Januar 2020 haben unsere Detektoren zwei
brandneue Signale aufgefangen. Sie stammen von Schwarzen Löchern mit neun und
sechs Sonnenmassen, die mit zwei leichteren Objekten mit 1,9 bzw. 1,5
Sonnenmassen verschmolzen", erläutert Alessandra Buonanno, Direktorin am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in
Potsdam und Professorin an der University of Maryland. "GW200115 ist unser
erster sicherer Nachweis der Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit einem
Neutronenstern. Diese interessante neue Quelle von Gravitationswellen
vervollständigt unsere Sammlung verschmelzender kompakter Objekte."
Einer der LIGO-Detektoren wies das erste der beiden Ereignisse, GW200105, als
starkes Signal nach, während der andere vorübergehend nicht im Messbetrieb war.
Aus den Gravitationswellen schlossen die Astronominnen und Astronomen, dass das
Signal von einem Schwarzen Loch mit der neunfachen Masse unserer Sonne stammte,
das mit einem kompakten Objekt 1,9-facher Sonnenmasse verschmolz. Sie folgerten,
dass es sich beim leichteren Objekt um einen Neutronenstern handelt. Diese
Verschmelzung fand etwa 900 Millionen Lichtjahre entfernt statt.
"Obwohl wir ein starkes Signal in nur einem Detektor sehen, schließen wir
daraus, dass es echt ist und nicht nur Detektorrauschen. Es besteht alle unsere
strengen Qualitätskontrollen und hebt sich von allen Rauschereignissen ab, die
wir im dritten Beobachtungslauf sehen", sagt Harald Pfeiffer, Gruppenleiter in
der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am AEI
Potsdam. Da nur ein Detektor das Signal beobachtete, lässt sich die Richtung zum
Ursprung der Wellen nicht sehr genau, sondern nur auf etwa 17 % des gesamten
Himmels eingrenzen. Das entspricht in etwa der Fläche von 34.000 Vollmonden.
Das zweite Ereignis GW200115, das nur zehn Tage später entdeckt wurde, haben
alle drei großen Detektoren gesehen: beide LIGO-Instrumente und Virgo. In jedem
einzelnen Detektor ist es weniger auffällig als GW200105, doch die gemeinsame
Verarbeitung der Messdaten und die zeitlich zusammenfallenden Nachweise machen
es zu einem starken Signal. GW200115 stammt von der Verschmelzung eines
Schwarzen Lochs mit sechs Sonnenmassen mit einem Neutronenstern mit 1,5-facher
Masse unserer Sonne. Die Verschmelzung fand rund eine Milliarde Lichtjahre von
der Erde entfernt statt. Mit den Beobachtungsdaten der drei weit von einander
entfernten irdischen Detektoren lässt sich die Richtung zum Ursprung der Wellen
auf einen Teil des Himmels eingrenzen, der der Fläche von 2.900 Vollmonden
entspricht. Mehrere Observatorien führten verschiedene Folgebeobachtungen durch,
konnten aber kein Gegenstück der beiden Ereignisse im elektromagnetischen
Spektrum aufspüren.
"Die Beobachtung eines elektromagnetischen Signals der Verschmelzung wäre
fantastisch gewesen, aber wir haben das nicht unbedingt erwartet", sagt Frank
Ohme, Leiter einer unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe am AEI Hannover.
"Jegliches Licht wäre aufgrund der großen Entfernungen sehr schwach und durch
die nur ungenau bekannten Himmelspositionen schwierig aufzuspüren. Wir schließen
außerdem aus den Daten, dass die Schwarzen Löcher, die an diesen Verschmelzungen
beteiligt sind, ihre Neutronensternpartner einfach am Stück verschluckt haben,
so dass gar kein Licht abgestrahlt wurde."
Allein anhand des Gravitationswellensignals lässt sich nicht mit Sicherheit
sagen, ob es sich bei den leichteren Objekten tatsächlich um Neutronensterne
handelt. Die Fingerabdrücke der zu erwartenden Verformungen der Neutronenstern
ließen sich im Signal weder sicher nachweisen, noch konnte ihre Abwesenheit
bewiesen werden. "Die Gravitationswellen allein verraten uns zwar nicht die
Struktur des leichteren Objekts, aber wir können auf seine maximale Masse
schließen. Indem wir diese Informationen mit theoretischen Vorhersagen über die
zu erwartenden Massen von Neutronensternen in einem solchen Doppelsystem
kombinieren, kommen wir zu dem Schluss, dass ein Neutronenstern die
wahrscheinlichste Erklärung ist", sagt Bhooshan Gadre, wissenschaftlicher
Mitarbeiter in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische
Relativitätstheorie am AEI Potsdam.
Da diese Ereignissen die ersten sicheren Beobachtungen der Gravitationswellen
von Verschmelzungen Schwarzer Löcher mit Neutronensternen sind, können die
Forschenden nun abschätzen, wie oft solche Ereignisse im Universum stattfinden.
Sie erwarten, dass in Entfernungen von bis zu einer Milliarde Lichtjahren etwa
eine solche Verschmelzung pro Monat stattfindet. Nicht alle dieser Ereignisse
lassen mit den derzeitigen Detektoren nachweisen.
Während unklar ist, wie genau diese Doppelsysteme entstanden sind, gibt es
drei Möglichkeiten, die die Astronominnen und Astronomen für die
wahrscheinlichsten Erklärungen halten. Doppelsterne können sich zu solchen
Systemen entwickeln, wenn ihre Komponenten mit der Zeit zu Schwarzen Löchern und
Neutronensternen werden. Dichte Sterngesellschaften wie junge Sternhaufen sind
ein weiterer wahrscheinlicher Ursprungsort, ebenso wie die Umgebung der Zentren
von Galaxien.
"Derzeit bereiten wir die Detektoren für ihren vierten Beobachtungslauf vor,
der im Sommer 2022 beginnen soll. Sie werden dann noch empfindlicher sein, so
dass wir jeden einzelnen Tag Gravitationswellen beobachten könnten", sagt
Karsten Danzmann, Direktor am AEI Hannover und Leiter des Instituts für
Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover. "In einigen Jahren werden
wir weitere Verschmelzungen Schwarzer Löcher mit Neutronensternen beobachtet
haben. Daraus werden wir mehr über Materie unter Extrembedingungen, über das
Leben der Sterne und die Eigenschaften dieser seltenen Ereignisse lernen."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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