Neuer Beobachtungslauf beginnt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
1. April 2019
Heute beginnt der dritte Beobachtungslauf O3 mit den
Gravitationswellendetektoren LIGO, Virgo und GEO600. Die
Empfindlichkeit der Systeme wurde seit den letzten Messungen noch einmal
deutlich erhöht, so dass die Forschenden mit zahlreichen spannenden Ergebnissen
rechnen. Erstmals werden potentielle Funde unmittelbar veröffentlicht, so dass
schnelle Nachfolgebeobachtungen möglich sind.
Numerisch-relativistische Simulation zweier
einander umkreisender und verschmelzender
Neutronensterne. Dargestellt sind die beiden
Neutronensterne und die bei der Verschmelzung
abgestrahlten Gravitationswellen.
Bild: T. Dietrich, S. Ossokine, H.
Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik), BAM-Kollaboration [Großansicht] |
Am 1. April 2019 beginnen die beiden LIGO-Instrumente, der Virgo-
und der GEO600-Detektor ihren dritten Beobachtungslauf "O3", der ein ganzes Jahr
dauern soll. Die Empfindlichkeit der Detektoren wurde in den letzten Monaten und
in den vorangegangenen Testläufen weiter erhöht. Die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut; AEI) erwarten, Dutzende von Verschmelzungen Schwarzer
Löcher und weitere Kollisionen von Neutronensternen zu entdecken. Die
Forschenden in Potsdam und Hannover sind führende Partner in der internationalen
Gravitationswellenforschung. Sie haben die Modellierung der Quellen,
Folgeanalysen und die Detektortechnik weiter verbessert.
"In den ersten beiden Beobachtungsläufen haben wir zehn Verschmelzungen von
Schwarzen Löchern und eine Neutronensternkollision entdeckt", so Alessandra
Buonanno, Direktorin am AEI in Potsdam, und Karsten Danzmann, Direktor am AEI in
Hannover und an der Leibniz Universität Hannover . "O3 dauert länger als frühere
Beobachtungskampagnen, die Detektoren sind empfindlicher als je zuvor, und wir
haben unsere Methoden zum Aufspüren und Interpretieren von Signalen verbessert,
so dass wir erwarten, viele weitere Signale zu beobachten und mehr über die
Eigenschaften ihrer Quelle zu erfahren. Und wer weiß, mit was uns die Natur noch
überraschen wird!"
Die erwartete Häufigkeit von Verschmelzungen Schwarzer Löcher liegt zwischen
einigen Ereignissen pro Monat und einigen Ereignissen pro Woche. Verschmelzungen
von Neutronensternen könnten mit einer Häufigkeit von einmal im Jahr bis zu
einmal pro Monat beobachtet werden. Ob eine bisher nicht nachgewiesene
Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch in O3 nachgewiesen
werden wird, ist ungewiss.
Die LIGO-Detektoren starteten O3 direkt im Anschluss an ihren 14. Testlauf,
der am 4. März 2019 begann. Im Vergleich zu den besten Empfindlichkeiten, die im
zweiten Beobachtungslauf O2 erreicht wurden, sind die Entfernungen in denen sie
Verschmelzungen von Neutronensternen nachweisen können, um ca. 190 Millionen
Lichtjahre auf 550 Millionen Lichtjahre für LIGO gestiegen, wodurch die
Ereignisrate im Vergleich zu O2 um einen Faktor von drei bis vier gewachsen ist.
O3 wird ein ganzes Jahr andauern. Der japanische KAGRA-Detektor wird
voraussichtlich ab Ende 2019 an der Beobachtungskampagne teilnehmen und das
Netzwerk um einen weiteren großen Detektor ergänzen.
Die maximale Distanz, in welcher der Virgo-Detektor
Neutronensternverschmelzungen nachweisen kann, liegt bei 160 Millionen
Lichtjahren. Der Detektor verwendet eine am AEI Hannover entwickelte und gebaute
Quetschlichtquelle, die eine Dauerleihgabe an Virgo ist. Sie reduziert
das Quantenrauschen und verbessert damit die Empfindlichkeit des Detektors,
insbesondere bei höheren Frequenzen.
Forschende des AEI in Potsdam haben vor O3 die Fähigkeit des
Detektornetzwerks verbessert, Gravitationswellenquellen zu beobachten und ihre
Eigenschaften zu bestimmen. Für die Suche nach Verschmelzungen Schwarzer Löcher
und Neutronensterne sowie die Untersuchung ihrer astrophysikalischen,
kosmologischen und gravitativen Eigenschaften haben sie ihre Wellenformmodelle
verfeinert und die "Sinfonie" der Gravitationswellen durch die Einbeziehung von
Obertönen bereichert.
Sie haben diese Verbesserungen durch eine Synergie von numerischen und
analytischen Lösungen von Einsteins Gleichungen der Allgemeinen
Relativitätstheorie erreicht. Sie kalibrierten genäherte analytische Lösungen
(die sich sehr schnell berechnen lassen) mit präzisen numerischen Lösungen
(deren Berechnung selbst auf leistungsstarken Computern sehr lange dauert).
Dadurch kann das Team die verfügbare Rechenleistung effektiver nutzen, die
Suchen schneller durchführen und so mehr potenzielle Signale in O3 entdecken und
die Eigenschaften ihrer Quellen bestimmen. Für Folgeuntersuchungen von
Gravitationswellensignalen wurde am AEI Potsdam kürzlich Hypatia, ein
neuer Großrechner mit rund 9000 CPU-Kernen, in Betrieb genommen.
Auch der Gravitationswellendetektor GEO600 bei Hannover nimmt an O3 teil. Bei
GEO600 wurden viele wichtige Detektortechnologien, die heute in den LIGO- und
Virgo-Instrumenten zum Einsatz kommen und deren beispiellose
Empfindlichkeit ermöglichen, entwickelt und getestet. Dazu gehören die
Hochleistungslasersysteme im Herzen der Detektoren und die monolithischen
Spiegelaufhängungen zur seismischen Isolation. Der britisch-deutsche
GEO600-Detektor nutzt seit 2010 routinemäßig Quetschlicht-Technologie, um seine
Empfindlichkeit am oberen Ende des Gravitationswellenspektrums zu verbessern.
Ende 2018 erreichte er dabei einen neuen Weltrekord mit einem Quetschniveau von
etwa 6 dB, was einer Verachtfachung des beobachtbaren Weltall-Volumens
entspricht. In O3 kommt Quetschlicht bei den LIGO-Instrumenten und dem Virgo-Detektor
zum Einsatz, wenn auch nicht auf dem gleichen Niveau wie bei GEO600.
In O3 werden mögliche Gravitationswellensignale (Kandidaten für
Verschmelzungen von Doppelsystemen), die von den Forschenden der
LIGO-Scientific- und Virgo-Kollaborationen identifiziert wurden, nahezu
in Echtzeit veröffentlicht. Daten über die Kandidaten, wie die Art des Signals,
die Himmelsposition und die geschätzte Entfernung, werden über das GCN-Netzwerk
verbreitet. Interessierte finden eine Kurzanleitung und eine Präsentation
online. Mit den öffentlichen Beobachtungshinweisen können nicht nur
professionelle Astronominnen und Astronomen, sondern auch Amateure
Folgebeobachtungen von Gravitationswellensignalen planen.
|